Zweyter Auftritt.

[27] Orasia, Orpheus, Ismene, Eurimedes.


ORASIA.

Kömmst du, mein Orpheus, ganz allein?

Ich suchte schon, mit dir mich zu erfreun;

So aber laß mich itzt nur traurig seyn,

Und dein Geschick mit dir beklagen.

Dein Schmerz erlaubt wol nicht, mit wenigem zu sagen,

Wie dirs auf deiner Fahrt gegangen.

ORPHEUS.

Du siehst es, Königinn; und hier hab' ich erfahren,

Daß leider deine Wut und List,

Was selbst den Sythen und Barbaren

Erschrecklich ist,

An mir begangen;

Ja kurz, daß du allein

Von Eurydicen Tod und aller meiner Pein

Der Ursprung bist.

ORASIA.

Ich leugne nicht mein Unterfangen;

Doch kennst du meine Liebe nicht,

Die ich schon längst zu dir getragen?

ORPHEUS.

Was Liebe! liebtest du, und nahmst mir doch mein Leben?

Nein, nein!

Nur Eurydice soll mein Schatz, mein Trost, mein Licht,

Mein einzigs Labsal seyn;[27]

Und ihr allein

Bleibt stets mein Herz, auch in der Gruft, ergeben.

Du aber, wollt' ich, müstest mich,

Zu deiner Qual,

Noch tausendmal

So heftig; als bishero, lieben,

Um dadurch meine Rach' an dir zu üben.

ORASIA.

Was unterstehst du dich?

Verwegner! gnug, ich liebe dich nicht mehr.

Ich fühle schon mein Blut zum Eifer sich entzünden.

Geh, halt dich nur bereit! Du sollt ihn gleich empfinden.

Aria.


Vieni, o sdegno, e fuggi, Amor!

E tu core

Più l' ardore

Non nutrir del traditor.

Vieni, o sdegno, e fuggi, Amor!

Se t' amai,

Hor m' haurai

Per nemica, o mentitor.

Vieni, o sdegno, e fuggi, Amor!


Komm Rache! Entweiche von mir / o Liebe!

Und du mein Herz

Sollt keine Neigung mehr

Zu diesem Verräther hegen.

Komm / Rache! etc.

Habe ich dich geliebet;

So sollt du mich nun zur

Feindinn haben.

Komm / Rache! etc.


Quelle:
Georg Philipp Telemann: Die wunderbare Beständigkeit der Liebe, [Hamburg] [1726], S. 27-28.
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