XV. Von Pflantz-Leuten.

[166] Es sollen / dem Menschlichen Wahne nach / nicht allein in Schottland Enten auff den Bäumen wachsen; und in der Tartarey [166] Lämmer aus der Erden: Vide Scalig. exerc. 181. doctrin. 29. Pincier in ænigm. lib. 1. pag. 22. Libav. in singular. 2. part. p. 289. Majd. 1. pert. Can. pag. 660. Mich. Neandr. in orbe terr. v. 8. Sondern auch gar mit einander rechte Menschen aus der Erden. Denn höre hievon an / was die Zeitungen gaben aus Niemeck von 22. Junii 1646. Jahrs N.N. berichtet / nach dem er vor 8. Tagen des Pfarrherrn zu Schönewalda bey Hertzberg seine Magd grasen gangen / findet sie ohngefehr im Graß abschneiden ein Gewächß / daß sie mit abgeschnitten /welches im abschneiden geschriehen wie ein Mensch / die Gestalt des Gewächses ist formiret gewesen wie 2. Menschen / eines wie ein Türck in aller Statur und Habit / das andere wie ein Christ / so für den Türcken gekniet / und gleichsamb umb Gnade gebeten; Ist vergangene Woche nach Wittenberg bracht und von dar S. Churfürstl. Durchl. zu Sachsen zugeschickt worden.

2. Hierzu gehöret aus des Herrn Risty Mertzens-Unterredung / die alleredelste Thorheit der gantzen Welt genannt: Da pag. 218. etc. also gelesen wird: Zum Exempel / wenn wir in unsern Garten eine solche seltzame Art Melonen oder[167] Kürbse könten haben / als in der Tartarey hinter Samara / zwischen den Ströhmen Don und Wolga / sollen wachsen / von welchen unser Edler und weitberühmter Olearius in seinem dritten Buche der Persianischen Reise-Beschreibung / meldet / daß sie zwar an Grösse und Art / den andern gemeinen Melonen gleich / dem äusserlichen Ansehen aber nach / als ein Lamm Gestalt seyn sollen / dessen Glieder es gar deutlich abbilde / weßwegen es auch die Rüssen-Boranetz / oder ein Lamm nennen. Der Stengel soll gleichsamb am Nabel stehen / und / wo sichs hinwendet / (denn es seine Stelle / so weit es der Stengel zulässet / verendern soll /) verdorre das Graß / welches sie abfressen heissen. Wenn es reiff / soll auch der Stengel verderben / unnd die Frucht ein rauhes Fell bekommen / gleich wie ein Lamm / welches man soll gärben und zum Gebrauch wieder die Kälte bereiten. Wohlbesagter Herr Olêarius gedencket ferner / daß man ihnen in der Moßkau etliche Stücklein von solchem Felle gezeiget / welche sehr zart und krauß von Wolle / als ein Fell eines Lammes / so entweder auß Mutter-Leibe geschnitten / oder erstlich jung geworden / gewesen. Das Wunderwerck der Gelehrten / der grosse Scaliger / gedencket auch solcher Frucht / daß es nemblich / so[168] lange es Graß unnd Kräuter umb sich habe / in vollem Wachsthum stehe / als ein Lamm in grüner unnd fetter Weide. In Mangel dessen aber soll es verderben. Es soll auch wahr seyn / daß die Wölffe und sonst keine andere Thiere dieser Frucht nachstellen / dadurch sie auch gefangen werden. Was vermeynen nun meine Herren sage ich nochmahlen / solte ein vernünfftiger Liebhaber der Gewächse / wenn er ein solches Wunderkraut oder Lamm könte bekommen / nicht gern ein gutes Stücke Geldes dafür geben? Ich / ob ich zwar nicht reich bin / wollte gern einen Rosenobel spendiren / wenn ich ein solches Boranetz nur einmahl sehen möchte. Für etliche wenig Jahren / welches mir ohngefähr hiebey einfällt / ward eine Bluhme im Korn zwischen Hamburg und Altena gefunden / welche so Natürlich ein Weibeshaupt mit einer Hollsteinischen Mützē oder Hüllē abbildete / daß man sich zum höhesten darüber müste verwundern. Es war sonst das Kraut / wie auch die Bluhme / so viel die Farbe betrifft / den wilden Kamillen-Blumen gantz ähnlich. Von diesem seltzamē Gewächse urtheileten die Geistlichen / daß es der liebe GOtt zu dem Ende hätte wachsen lassen / daß er damit andeuten wolte / wie hefftig ihme / der Hoffart /welchen die Weiber / mit ihrem[169] Hauptschmucke / Mützē / oder Hüllē triebē / mißfiele / unn daß solches von ihme nicht würde ungestrafft bleiben. Der jenige / der diese Blume hätte / zeigte sie vielen Leuten für Geld / endlich habe ich ihme dieselbige abgehandelt /wie ich sie denn auch noch zur Gedächtnüß in guter Bewahrung halte / vermeyne gleichwohl nicht / daß ich eine so gar grosse Narrheit hiedurch begangen /zumahl ich diese Blume für ein schlechtes Geld an mich gebracht / zumahlen man hernach berichtet / daß dergleichen Wunderbluhmen noch vier oder fünff andere wären gefunden / die ich aber nicht gesehen / sonst kan man die meinige / ob sie schon etwas alt / mit ihrer gelblichten Mützen / unn daran sitzenden weissen Spitzen / noch deutlich gnug erkennen / und läst sich von Liebhaberen solcher Sachen wohl sehen. Viel andere Wunder-Gewächse künte ich allhier für den Tag bringen / als da ist die Herba Sensitiva oder Herba mimosa, zu Teutsch rühret mich nicht an / Drachenbaum / Indianischer Wunderbaum / Areca, Palmapina, Indianischer Dattelbaum Musa, Mamocra, Ananas, Cacao, etc.

3. Nicht minder mag hinzu gesetzet werden / was Micrelius hat in refutat. Præ Adamit. pag. 94. ex Majmon. part. 3. Mor. Nevoch. c. 51. pag. 514. item part. 3. cap. 29. p. 422. & 525. item ex [170] Hotting. Wie nemblich der Majmonides ein Buch anziehe / welches die Jüden genannt haben von dem Ackerbau der Egyptier / welches er voll Aberglauben unnd Heydnisches Wesen schätzet: Als daß unter andern auch die Weisen zu Babel gedichtet haben / wie in Indien ein Baum wäre / dessen Este / wenn sie auff die Erde geworffen würden / wie eine Schlange fortkröchen. Item von noch einem andern / dessen Wurtzel eine Menschen-Gestalt haben soll / und eine deutliche starcke Stimme von sich geben soll: Item von noch einem andern / durch dessen Krafft die Leute haben weissagen können / und welche zu Ninive 12000. Jahr gestanden / auch endlich mit der Jabruach oder Mandragora in einen Zanck gerathen / weil sie seinen Ort einnehmen wollen. Confer Hilpert. P. P. Helmst. in Disqv. de Præ Adam. lit. B.

4. D. Conring. in Hermet. Med. cap. 23. p.m. 326. außm Erasto part. 1. pag. 16. gedencket / wie der Paracelsus eigene Creaturen unnd lebhaffte Leute in den Bäumen zu seyn statuiret habe / die er Drudeles genannt.

5. Mich. Saxo in Alphabet: Historic: p. 688. Im Jahre 1592. hat ein Bürger in der Stadt Emmerich / im Lande zu Cleve / am Rheine gelegen / Johann Gerlich genannt / einen grossen[171] Baum im Bergischen Busche getaufft / heimgeführt / unnd für seiner Thür zerschneiden lassen. Wie nun ein Stück herunter geschnitten / erscheinet diß Wunder / daß man in der Mitte des Baums hat stehen sehen / beyde grosse Kriegs-Heer / Haupt-Leute / Fendrich / Trommelschläger / Doppelsoldener / Hackenschützn / Mußcatirer / die in der Ordnung gestanden / wie in einer Schlacht: Da nun hierzu ein groß Volck sich versammlet / und mit Verwunderung diß Zeichen beschauet / hat der Bürger den Baum noch einmahl entzwey schneiden lassen / da ist gleiches Zeichen abermahl erschienen: Also hat der Rath ein Theil / auffs Rathhauß führen / und zum Gedächtniß beylegen lassen / das ander Theil hat der Bürger ins Frater- oder Bruderhauß geleget. Was das nu bedeutet / hat das Land Jülich / Cleve / und Berga / Steyer / Crabaten / sampt ümbliegenden Oertern wohl erfahren / dann wie das Sprichwort lautet: Deus & natura nil faciunt frustrá. Epitomen oder Außzug Franckreichischer / Hock- unnd Nieder-Teutschlandes Händel / zu Cölln gedruckt: Anno 92. A. 3.

6. Für allen Dingen gehöret zu dieses Capittel die Mandragora, quasi Mannträgerin oder Alraun / welche Semihomo genannt wird[172] vom Columellâ de Cultu hortorum, apud Erythræum in Jud. Virg. p. 480. Unnd davon ich viel Dings vorgebracht habe part. 1. und 2. meiner Weynacht Fratzen: Doch ist damit dennoch die Sache nicht aus: Sondern es lässet sich noch wohl ferner davon anhören Barthol. Cent. 2. Observ. Anat. c. 51. p. 317. etc. Von der Außputzung des Allrauns. Von dem Allraun redet man viel / daß durch die Erzehlungen der Alten und Jungen bewahret ist: Wie er nemblich wegen der Menschlichen Aehnligkeit statliche Wirckungen habe / seinem Besitzer die Glückseligkeit / und den unfruchtbaren Frauenspersonen die Fruchtbarkeit zu wege bringe. Deßwegen begehrte Jacobs Frau Rahel im 1. Buch Mose am 30. Cap. hefftig einen Apffel Allraun / denn Lemnius de Herb. Bib. c. z. hält dafür / daß er mit seiner Schlafferregenden und kühlenden Krafft die Hitzigen / und dessentwegen zu der Empfängniß untüchtigen Gebähr-Mutter / in den warmen Ländern und Frauens-Personen mässigen könne. Die Wurtzel aber des Allrauns ist mit ihrem Abwertserstrecktem zwey zinckigem Ast einem Menschen und desselben zweyen Schenckeln in etwas ähnlich / aber der obere Stamm gleichet dem Menschen gantz nicht.[173] Es werden aber allerley Wurtzeln also zubereitet / daß sie die Menschliche Gestalt vorbilden. Man gräbet die Stiek-Wurtz mit Haber bestecket in die Erde / biß die Blätter ausschlagen / welche getreuget / den Haupt-Haaren ähnlich sehen. Die Art dieser Zubereitung deutet Matthiolus in cap. 71. l. 4. Diosc. an. In die noch grünenden Wurtzeln des Schilff-Rohrs / des Hunds-Kürbs / und anderer Pflantzen / schnitzeln die Betrieger so wohl Manns- als Frauen-Bilder / und stecken in dieselbige Oerter / da sie das Haar wollen haben / Gersten und Hirsen-Körner. Darnach machen sie eine Grube / und bedecken selbige / so lange mit wenigen Sande / biß erwehnte Körner Wurtzeln schiessen /welches auffs höchste innerhalb 20. Tagen geschiehet. Hierauff nehmen sie es wieder auff und beschneiden die aus den Körnern angewachsene Wurtzeln mit einem scharffen Messerlein / beraten sie auch also / daß sie die Gestalt der Haupt-Barten und anderer Haare des Leibes abbilden. Matthiolus hat diese Art der Auffputzung des Allrauns zu Rom von einem Landstreicher gelernet / welcher selbige den leichtglaubigen vor grosses Geld verkauffet. Es sind zwey von dieser Art zu Neapolis in der Kunst-Kammer des Imperati verhanden / welche gar[174] wohl einen Menschen darstellen / und von den Wurtzeln des Allrauns / Hunds-Kürbs und des Habers gemacht sind / in denen die Kunst vollführet / was die Natur unterlassen. Nemlich hat ein junger Kauffmann eine neue Art nach Coppenhagen gebracht / dessentwegen ich den Leser will gewarnet haben / damit er nicht durch diese und andere Fratzen / welche bey unsern Beuteln anhalten / betrogen werden. Er wiese uns einen Allraun / der ihm durch die Post von Hamburg zugeschicket / und wie er berichtete / im Schweytzerlande unter dem Galgen außgegraben war. Unser gemeiner Mann ist in gleicher Meynung / daß nemblich unter dem Gerichte / aus dem Harn eines erhangenen Menschen / ein solcher kleiner Mensch entstehe / welches sie ein Draffne-Ducke nennen. Dieses meldete der Kauffmann auch von dem seinigen / und setzte es auf grosses Geld / der Kopff war rund / mit vier Erhöhungen bildete er die Augen / Nase und den Mund für / die Haare hiengen ihm längst über dem Rücken herab. Der übrige Leib bestand aus Knochen / Mäußlein und Gelencken irgend eines Thieres. Es war in Warheit keine Allraunen-Wurtzel / noch eine Natürliche Zusammenfügung: Denn wie kan ein Thier aus einer Pflantzen entstehen / das[175] darzu noch Knochen habe. Uber das kunte man sehen / daß der Kopff auß einer Eichen-Wurtzel gemacht / unnd an dem Strumpff angeleimet war. Damit man aber dieses nicht in acht nehme / band er ihm ein Kragen von Haar zusammen gewicklet umb den Halß. Die angesetzten Haare bestunden auß auffgetreugten Zäserlein der Wurtzeln / denn auff dem Rucken waren sie loß / unnd kunten nach Belieben abgenommen und wieder auffgesetzet werden. Der übrige Leib war irgend eines Thierleins / dieweil man warhafftige Knochen / Mäußlein und Eingleichungen sehen kunte. Von den vertreugten Mäußlein hatten sie ein Pücklein abgeschnitten / welches / wie man zu mehrer Bekräfftigung dabey erzehlte / eine Fraw von der schweren Noth solte befreyet haben. Als ich die Sache mit meinem Vatter / den in der Kräuter Wissenschafft und der Zerglieder-Kunst höchst erfahrnen D. Fuirenium etwas genauer betrachtete / kam es uns für / als ob es ein auffgetreugter / und in die auffgerichtete Menschliche Gestalt auffgedöhnter Frosch were: Denn das Brüstlein raget an einem Frosch kurtz und breit herfür / er hat an den Händen nur 4. Finger / und an den Füßen 4. Zähen /welche an einem Frosch länger sind: Allhier aber waren sie verkürtzet und stumpffe[176] darzu / als wir mit dem Bein-Cörper des Frosches eine Vergleichung anstelleten / war der Unterbauch Beyderseits längligter / und das Scham-Gebein ragte herfür. Also entfiel dem Kaufmann nach entdecktem Betrug seine Hofnung. Unlängst sahe ich bey meinem Bruder D. Casp. Bartholino dem Jüngern / noch eine andere Gestalt des Allrauns / der weit warhafftiger schien / als der erste / darzu auch der Natur der wachsenden Pflantzen viel ähnlicher war. Es besitzet solchen als eine hohe Sache einer von den Rothgiessern auff der Sammet-Mühle des Großachtbahren Herrn Heinrich Müllers / und dieweil ihm selbigen seine Mutter gegeben hat / schätzte er ihn dem Golde gleich. Das Haupt ist unaußgebildet und länglich / hat die Wahrzeichen der Augen und des Mundes / die zusammen gewachsenen Haupt-Haare sahen der außgetreugten Wolle der Pflantzen ähnlich. Ich vermeynte es sey die Wurtzel von dem Wasser-Fahrenkraut / die von dem Podonęo l. 5. Pempt. 3. c. 2. abgebildet ist / mit welcher es eine grosse Gleichnüß hat. Von diesem Knorren des Haupts erstrecket sich abwerts eine dichte und dicke Wurtzel / welche der Strumpff des Leibes abbildet / unnd endlich in zwey abhängende Schenckel getheilet wird: Aber die Gegend der[177] Scham bekleidet oben erwehntes vollichtes Wesen das sonderlich ist / daß ein Röckelein gleich einem Netz den gantzen Leib umbgiebet / welches denen auß einer Pflantzen abgesonderten Zäserlein ähnlich / an den Halß also angewachsen ist / daß man nicht merckē kan / ob es durch die Kunst daran gesetzet sey? Dieses gantze Werck ist auß dem Geschlecht der wachsenden Creaturen zusammen gesetzt / und scheinet im ersten Anblick / als ob es also gewachsen were. So fern man es nicht vor eine Allraune-Wurtzel halten soll / so ist es doch traun eine frembde Wurtzel / und das Netz nicht ungleich / dem Sack des von Clusio l. 1. Exot. c. 2. beschrieben Sacktragenden Dattelbaum / zu diesem End ich selbigen auch / dieweil er bey uns gantz ungewöhnlich ist / allhier zu entwerffen für gut erachtet. Die erste Figur zeiget die Wurtzel / so oberhalb knorricht / unterhalb in zwey mit dem verkehrten Buchstaben gezeichnete Sprößlen abgetheilet ist / nebenst dem hintertheil des Netzes. Die andere Figur stellet für augen das fordere von den Leib abgerissene Theil des Netzes. Hactenus ille. Dessen Figuren du d.l. suchen must: Und zum Schlusse noch dieses füglich hinzu thun kanst / aus Rauens memor. 106. p. 91. Was von der Alraunwurtz wunderbahren Ursprung vorgegeben wird / (wenn es anders[178] in Wahrheit also) ist männiglich bekant / daß nemblich dieselbe unter dem Hochgerichte auff der Erden in Gestalt eines lebendigen unnd schwartzen Knableins wachse / und wenn es heraus gezogen / wegen des ungewöhnlichen Tageslicht ein hellen Schrey von sich lasse / so denen so es hören / entweder den gewissen plötzlichen Todt / oder grosse Unsinnigkeit bringe. Und ist das Volck in der Meynung / es werde solches Männlein aus dem Chrysam so der justificirte Sünder in der Tauffe empfangen / gebohren / seine Krafft ist das Geld und Reichthumb wunderbahrlicher Weise zu vermehren / andere zur Liebe zu bewegen / unn dergleichen Würckungen / und wird die weise / wie man es mit einem Hunde heraus ziehen soll / nach des gemeinen Manns Vorgeben / von Boissardo im Tractat. von Wahrsagungen / am Ende beschrieben. Sonsten nennet Matth. Hammerus in Virid. Histor. p.m. 48. einen Allraun auch ein Geldmännlein: Vide part. 2. meiner Weynacht-Fratzen.

Schließlich sind folgende Wörter noch zu admiriren / des Herrn Ristii aus seinem Mertzens-Gespräche / von der alleredelsten Thorheit der gantzen Welt /p. 208 etc. Mein Herr Palatin gedencket hiebey der Allraunen / sagte Strephon / helt er aber nicht mit mir dafür / daß dieses[179] auch eine von den allergrössesten Thorheiten sey / wenn man für eine solche Wurtzel /wie die Allraune ist / so viel Geldes bezahlet? Es ist freylich eine schlechte Klugheit / versetzete der Rüstige / wenn man ein solches gemachtes Bild auff das theureste an sich kauffet / wie ich denn dergleichen Leute wol gekennet habe / die sich glückselich geschätzet / daß sie für andern eine Allraunwurtzel vermittelst statlicher bezahlung an sich bringen mügen. Was helt doch aber der Herr Palatin / fragte Chariander / von solchen Allraunen / solte wohl etwas dran seyn / daß man sie / dem gemeinen Ruffe nach unter dem Galgen außgraben / sauber halten / bekleiden / in ein kleines Bettlein legen / auch wochendlich baden müste / und daß der jenige / der sie besitzet / wohl einigen Nutzen von ihnen solte zu gewarten haben? Daß dieses von vielen Jahren hero / von manchem Menschen sey geglaubet worden / anwortete der Rüstige / ist unleugbahr. Ich habe selber ein Allräunichen / welches so groß und lang ist / daß ich deßgleichen nie gesehen. Es ist aber seine länge fast ein gantzer Fuß / oder eine halbe Elle / das Bild / welches ein Männlein præsentiret / hat ein gar scheußliches Gesichte / tieffe hohle Augen / eine grosse Nase / eine pucklichte Stirn / auff dem Haupte / lange / grobe Haare / die ihme[180] biß auf die Schenckel herunter hengen / der eine Arm ist ihme gantz krumm an den Leib / oder vielmehr die Rieben eingebogen / oder gleichsam angewachsen / der ander stehet ein wenig von den Rieben ab / die Lenden / Schenckel und Füsse / sind einer gantz unformlichen Proportion, und in Summa / das gantze Bild ist also beschaffen / daß viel Leute / sonderlich die etwas abergleubisch sind / einen grossen Abscheu haben / selbiges auch nur anzusehen / und bin ich der Meynung / daß dieses Bild oder Allraun wohl ein paar hundert Jahr mag alt seyn. Es liegt in einem kleinen höltzernen Sarge / das außwendig roth angestrichen. In dem Sarge ist eine kleine bunte Decke und Hauptpolsterlein / worauff das Bilde ruhet. Auff der innwendigen Seiten des Sargdeckels / ist ein schwartzes Creutz gemahlet. Oben auf dem Deckel aber ist nach gar altfränckischer Manier ein Galge gezeignet / in welchem ein Dieb henget / worunter etwas herfür wächset / welches ohne zweiffel die Allraun-Wurtzel seyn soll / wie denn die Alten davon gedichtet haben / daß auß dem Harn oder Saamen /welchen der am Galgen hengende Dieb von sich liesse / eine solche Wurtzel würde gezeuget / die hernach mit Lebens-Gefahr / (demnach die Wurtzel ein sehr starckes / ja tödliches Geschrey von sich liesse /)[181] von dannen muste heraus gezogen werden; Kan ich also nicht nur bey der Wurtzel oder dem Bilde / das ich in Händen habe / sondern auch bey dem Sarge etlicher massen abnehmen / was die Alten für Närrische Einbildung von diesem Dinge gehabt haben; Glaube sonst festiglich / daß dieses Gedichte von den Allraunen nicht neu / sondern für vielen hundert / ja wol tausend / und mehr Jahren schon mag seyn im Schwange gangen / wie denn solches der Name zum Theil bezeuget / denn das Wort ein Ruhn / oder Allruhn / ist ein Uhraltes Teutsches Wort / unnd sind die jenige / welche bey den alten Teutschen zukünfftige Dinge verkündiget / Ruhnen genennet worden. Diese haben auch ihre eigene Sprache gehabt / welche die Ruhnische (gewißlich eine recht herrliche Sprache /) geheissen: Wovon der hochgelahrte unnd unvergleichliche Dänische Medicus und Professor, D. Olaus Worm / Lobseliger Gedächtniß / sein schönes Buch geschrieben / so da handelt de Lite, raturâ Runicâ, welches in Wahrheit wohl zu lesen / wie denn auch unser hochgeliebter Mit-Gesellschaffter / der Edle und wohlbenahmte Herr Candorin unterschiedliche Sachen von den alten Rühnen und der Rühnischen Sprache hat verzeichnet / wie solches seine unter andern / noch neulich herauß[182] gegebene Adel runa sattsamb bezeuget / wobey zu mercken / daß das Wort Rühnen / so viel heisset als einem heimlich etwas verkündigen /wie denn annoch unsere Teutsche pflegen zu sagen: Er hat ihme etwas heimliches ins Ohr geraunet. Ingleichen: Wer raunet / der leugt. Daher ist die Rede entstanden / daß die Allräunichen / den Leuten / die ihrer wohl pflegeten / etwas heimliches / das zu ihrer Wohlfarth und sonderlichen Gedeyen gereichete / pflegten einzublasen / nicht anders / als wenn es kleine Hauß-Götter wären / derer die alten Teutschen / annoch im Heydenthumm / sich wol mügen gebrauchet habē / und hat dieser Aberglaube also immerhin / biß auff unsere Zeit gewehret / welchen man auch nicht leichtlich gantz und gar wird außrotten können. Dieser Bericht unseres Palatins / sagte Herr Strephon / ist nicht uneben anzuhören gewesen / aber / was helt er endlich denn dafür / was das Alräunichen für eine Creatur oder Wurtzel sey / es muß doch gleichwohl einigen Nutzen haben / dieweil mancher es gern /wenn er es nur bekommen kan / mit einem guten Stücke Geldes an sich kauffet? Was wollte es für Nutzen haben / sagte hierauff der Rüstige / ich versichere den Herrn / wenn der Phantastische Aberglaube nicht dabey wäre / man würde sich mit dem lincken Auge[183] nicht einmahl darnach umsehen. Daß dem gemeinen Manne mit fabelhafften und abergläubischen Dingen viel gedienet sey / ist kund und offenbahr / wenn nun solche thörichte Leute / von den Thyriackskrämern / Seiffenballen oder Leusesalbe verkaufferen und dergleichen Landstreichern sich haben überredē lassen / daß diese Wurtzel / die unter dem Galgen / mit so grosser Lebens-Gefahr / durch einen schwartzen Hund scilicet habe müssen außgerissen werden / so grosse Tugenden an sich habe / daß sie die unbehrhafften Weiber fruchtber / auch die jenigen / die sie alle Sonnabende mit Wein unn Wasser baden / sauber einwickeln und heimlich halten / glückselich / reich und vermügen mache / dabenebenst verhindere / daß uns gantz und gar keine Zauberey schädlich seyn könne; So haben sie gerne alles dafür gegeben / was sie nur auffbringen können / zumahln sie vermeinten / daß sie ihr Geld nimmer besser anlegen könnten / als wenn sie ein solches Allraun ins Hauß brächtē / von welchem sie alle ihre zeitliche Wohlfahrt zu empfangen hätten / wie denn er hochgelehrte Doctor Petrus Andreas Matthiolus bezeuget / daß ein Theriacks-Schreyer / der zu Rom schwerlich kranck gelegen / und in seiner Cur genesen / ihme solche Büberey selber offenbahret / auch etliche dergleichen geschnitzte Wurtzeln fürgezeiget / und dabenebenst gesaget / daß er[184] bißweilen den Reichen / eine alleine für 30. Ducaten habe verkauffet. Eben dieser Leutebescheisser / hatte wohlgedachtem Herrn Matthiolo auch erzehlet /wie sie diese Bildergen / aus etlichen Wurtzeln zurichteten: Sie nehmen nemmlich Brionien-Wurtz oder Rohrwurtzeln / dieselbe schnitten sie / dieweil sie noch frisch / in eines Menschengestalt / steckten Gerstē- oder Hirsenkörnlein an die Stellen / dar sie wollen Haare haben; Darnach verscharren sie die geschnitzete Wurtzel in Sand / biß aus den gemeldetē Körnern / Zäserlein wachsen / welches gemeiniglich in 3. Wochen geschiehet. Alsdenn graben sie es wider aus / beschaben die angewachsene Zäserlein / mit einem scharffen Messer / unn machen sie also fein subtil, als wären es Hare / an dem Häupte / Bart und Schaam / damit werden denn die einfeltigen Leute betrogen; Dagegen denē Lügenhafften Verkäuffern dieser Brionien oder Rohrwurtzeln die Daschen gefüllet / etc.

Schlißl. wird der Mensche zwar ein foliū oder Blat genant unn mit demselbigen verglichen: Vide Ursinū in Anal. facr. p.m. 288. it. mit einem Baume. Vide Pietat. Frenzelianā. unn Mich. Pabst im Artzn. und Wunderb. part. 1. p. 201. Aber daß er dennoch auf Bäume wachsen solle / wie der Schertz ist / und gemalet wird / von JUNGFERN und Jungesellen / daß man selbige von Bäumen abschüttele / solches ist eine Narrentheidunge.[185] Wolte aber ja einer Pflantz-Leute haben: So seynd es nicht alleine die Gelahrten: Als davon vor wenig Jahren Hr. M. Rothius, mein wehrter Freund und gewesener Competitor, seinen Panegyricum Magisterialem titulirete / Arbores Sapientiæ, etc. Noch die Bauers-Leute und Gärtner / welche sich mit pflantzen und seen gehaben; Und daher so wohl Pflantz- als Ackers-Leute mögen benahmet werden: Nicht minder als die Nautæ Seeleute / und die von Natur darzu gebohrnen Engelländer ins gemein / gute Seehunde heissen / etc. Sondern in gemein alle Leute: Dahin denn gehöret / Arbor hæreticorum, Consangvinitatis; Und der Herr Christus auch ϑεάνθρωτος, ille, virga Jessæ florens besungen wird. Dahin denn auch gehöret die Redens-Art des Apostels Pauli Coloss. 2. v. 7. seyd gewurtzelt und gebauet in Christo JEsu / etc. item Rom 11. v. 17. etc. Von denen Zweigen und Einpfropffung / in den wilden unn rechten Oelbaum / das ist der Heyden und der Jüden / welcher Ort sich aus dermassen wohl hieher schicket: Darzu gehöret: Wie der Baum fället / so wird er liegen / item, das Gleichniß von guten und bösen Baume: Und was der fürtreffliche Redner Paulus insonderheit redet. 1. Cor. 15. v. 42. etc. Es wird geseet verweßlich / und wird aufferstehen unverweßlich.[186] Es wird geseet in Unehre / und wird aufferstehen in Herrligkeit: Es wird geseet in Schwachheit / und wird auferstehen in Krafft: Es wird geseet ein Natürlicher Leib / und wird aufferstehen ein Geistlicher Leib. Item anderswo: Paulus pflantzt / Apollo begeust / GOtt gibt das Gedeyen: etc. Weiter wie durch die Blume / Menschen angedeutet werden / vide mein groß Historisches Traumbuch: in Indice. Nehmlich es wird ein jeder Mensch gar artig einem Baume / Gewächse / etc. verglichen / so wohl in vitâ Naturæ, als Gratiæ und Gloriæ.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Anthropodemus plutonicus. Das ist eine neue Welt-beschreibung [...] 1–2, Magdeburg 1666/67, S. 166-187.
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