8.[8] 29

Zum Achten folget nunmehr Thüringen / woselbsten von zween Bergen Wolffgang Heiderus nachfolgende Sachen bringet: Gegen[8] Norden hinderwerts nicht weit von Franckenhausen wird auff einem hohen Berge noch eins und das andere Stück von dem Kieffhusischen Schloß gesehen / welches der Iulius Cæsar30 in unserm Thüringen / wie Hartz-Burg am Hartz Walde; Ilenburg in Oesterlande; Lüneburg in Sachsen; Homburg und Bomelburg in Hessen; das Ilische Schloß in Westphalen sol haben bauen lassen.31 Aber dieses ist alles den alten Historien zuwider / und wird in keiner alten Chronica etwas davon berichtet. Vber den Rhein ist Julius Cæsar zwar zweymals kommen / daß er unsern Vorfahren ein Schrecken beybrächte / aber er hat wenig Tage verharret / und ist auch weiter und tieffer in Teutschland nicht hinein gedrungen.32 Es finden sich andere /welche fürgeben / daß Drusus des Augusti Stiff-Sohn und der Liviæ Drusillæ auß dem Tyberio Nerone rechter Sohn dieses Schloß in die Höhe geführet habe / und es zum Gedächtnüß seiner gehaltenen Siege confusionem oder Vmbstossung genennet / als dieweil in seinen Kriegen er das Thüringische Reich fast ümbgekehret / und mit einer schändlichen Verwüstung gleichsam in den Staub geleget hatte / daher es die Teutschen hernachmaln in ihrer Mundart genennet haben Kieffhusen / welches andern Städten in Teutsch-Land mehr wiederfahren. Also was den Römern hiesse Augusta Vindelicorum, das ist uns itzt Augspurg;[9] Welches Parthanum Parthen-Kirche: welches Vallatum, Kellnbach; welches Medullum, Mellingen; welches Atilia, Aldenburg / welches Abusina, Abendsberg: welches Eppona, Eppenburg: welches Beranum, Bernaul / welches Vitodurum, Winterthür etc. Etliche thun auch noch dieses hinzu / daß der Drusus sein Vieh und Weide auff den benachbarten Hügeln gehabt / woselbsten die Stadt Kelbra33 von der Vieh-Zucht oder der Kälber / auff diese Ahrt benant und gebauet ist.34 Ebenmässig / daß er auch seine Fischteiche in den Heringischen Aeckern gehabt: Wie dennoch das Städlein und der Ort also benahmet wird. Welches aber vielmehr auß Schertz also mag gesaget / als ernsthafftig geglaubet werden. etc. In diesem Kieff-Hausischen Berge / auff welchem auch etwa noch / wie gesaget / etwas vom alten Schlosse zu sehen ist / soll / wie unsere Leute erzehlen / doch weiß ich nicht in was für Schlufflöchern und Hölen Käyser Fridericus35 sitzen / schlaffen / mit dem Kopffe nicken / mit den Augen zwinckern / und mit der einen Hand den Kopff halten / so lange biß er dermaleins sein Reich wiederumb zu rechte zu bringen / auffwachen werde: Doch weiß keiner zusagen / wann solches geschehen möchte.36 Dieses Gedichte ist gantz lächerlich / und jenem (denn man kan es auch[10] wol ein Gedichte nennen) nicht unähnlich / da der Olaus Magnus Gothus ein Ertz-Bischoff zu Vpsal saget / daß in Finmarcken / welches ein Theil von Norwegen ist / an dem Meer in einem Felsen-Loche sieben Männer gefunden werden / in Römischer Kleidung / welche alda von vielen hundert Jahren her schlaffen / in unzerrissenen Kleidern und unverwesenen Leibern.37 Wie einen von solchen / etwa vor diesem ein verwegener Mensch hat wollen plündern und außziehen / da sollen seine Arme verdorret seyn: Dannenhero sich biß auff diesen heutigen Tag keiner mehr an sie vergreiffen wil / damit ihnen nicht dergleichen begegene.38 Eben auff diesen Schlag sollen auch bey den Ephesern unter des Decii Verfolgung sieben Brüder in einer Höle sich verkrochen haben / und alda eingeschlaffen seyn / auch nicht ehe erwachet / als nach verlauffenen zweyhundert Jahren. Ihre Nahmen sollen seyn Malchus, Maximianus, Martinianus, Dionysius, Iohannes, Serapio und Constantinus. Geschehen soll es aber seyn ümb das Jahr Christi 4 47. nach Vermeldung des Sigeberti: Aber es mag der Glaube bey ihm beruhen. Was des Käysers Friderici Schlaff betrifft / so ist solcher warhafftig recht erdichtet. Friederich der Erste mit dem Zunahmen [11] Barbarossa ist im Fluß Seira entweder ersoffen / oder sonsten an einer Leber-Schwachheit gestorben. Friederich der Ander ist theils durch Gifft / theils durch seinen unächten Sohne Manfredo, wie es das Ansehen hatte / daß er wieder auffkommen würde / mit einem Küssen / so er ihm auffs Maul geworffen / erstickt / und zwar in Apulia auff dem Florentiner Schlosse: zu Panorm aber / liegt er begraben. Friederich der Dritte ein Oesterreicher (denn jenen zehlet man nicht unter die Käyser / welcher dem Ludovico Bavaro entgegen gesetzt wird) ist an Beschwerung der Füsse und Durchläuffe / wegen unmässig gegessener Pfeben / in Oesterreich zu Lintz gestorben; wo er auch bey seinen Vorfahren begraben. Vnd ist also gar nichts dran / daß ein Friederich auß Kieffhaussen wieder aufferstehen solle / es sey denn umb selbe Zeit /wann der Teuffel als ein Lügener und Todschläger auß der Käyserlichen Frey-Stadt Aach / auß dem Maurthurme / darinnen er verbannet / zu uns ledig und leer kommen wird: Wann der Teuffel von Aach kommen wird: Mit welchem Sprichwort wir ingemein solche Sachen belegen / welche niemahln geschehen können; Als wie die Lateiner zusagen pflegen: Si ovis lupum ceperit: Si locusta bovem pepererit. etc. Biß hieher Heiderus vom[12] Kieffhäusischen Berge. Darauff nunmehr zum andern auch erfolgen kan / was eben dieser auff das vorige ergehen läst: Nemlich Hörsel-Berge.39 Es mag denn nun warhafftig / oder abergläubisch erdichtet seyn. Nemlich / man lieset in den Thüringischen Zeit-Büchern / daß vor weilen in Engeland eine Königin mit Namen Resvviga eine Wittibe / welche ihren Ehemann / (von welchem sie auß einem sehr niedrigen Stande zu einer hohen Ehren-Stuffe durch die Heyraht ist versetzet worden) so inbrünstig nicht alleine im Leben / sondern auch nach seinem Tode geliebet habe / und theils mit stetigem Gebete / theils mit Fasten und Almosengeben sich beslissen die verstorbene Seele auß dem Feg-Feur im Himmel zu bringen.40 Wie sie mit solchen Sachen ümbgehet / da wird sie / ich weiß nicht / obs durch einen Traum / oder sonsten durch ein Gesichte mag geschehen seyn / erinnert / daß ihr verstorbener Herr der König im Thüringischen Hörselberge / als worinne das Fege-Feur were / verborgen stecke / und vor seine Sünde büsse. Es sol aber dieser Hörsel-Berg / wie unsere Historien vermelden / dannenhero seinen Nahmen bekommen haben / weil die Beywohner zum öfftern daselbsten ein elendes Geheule / unsinniges Geschrey / unterschiedliche Stimmen / Eisen- und geschleppeter Ketten-Klang gehöret haben / da einer den andern[13] deßwegen also angeredet: Hier der Seelen Berg / welche Wörter hernachmaln in ein Wort zusammen sind geschmoltzen worden / und auff unsere Sprache also der Berg dannenhero sol Hörsel berg genandt worden seyn.41

Diese Königin aber / von welcher wir vor her redeten / damit sie ihrem Ehegatten destonäher käme / für seine Sünde gnug thäte / und ihm zur Seeligkeit verhelffe / sol nach bekommener Erinnerung sich mit ihren Gespielen oder Zoffen in unsere Landschafft begeben haben / und beym gedachten Berge das nechste Dorff bauen lassen: Auch wie in den benachbarten Oertern das Gespenste sich hin und wieder sehen liesse / soll sie im selbigen Dorffe eine Kirche aufgerichtet haben / und solche Satans-Stette benahmet:42 Welche noch biß auff diesen heutigen Tag Sattel-Stet heist.43 Wie nun dieses andächtige Weib durch ihr häuffiges Bemühen den Mann solle zum Himmel verholffen haben / seynd ihre Mägdlein / welche wir mit den Egyptiern Nonnen nennen / samt ihrem Gerähte /welches so sonderlich viel war / nach Eisenach gegangen: Als welche Stadt vorzeiten trefflich berühmt gewesen / da sie auch sich auff den Peters-Berg nieder gelassen haben. Vnd dieses ist die erste Geschicht / und Gerüchte / wodurch der Hörselberg zu erst ist in Beruff genommen[14] gekommen / worzu wir noch ein anders setzen wollen: An dessen Warhafftigkeit und Glauben keiner zweiffeln wird / welcher es selber wird angesehen und gehöret haben / was wir bald vorbringen wollen: Es mag denn nun solches phantastisches Werck oder Teuffels Verblendungen herkommen wo sie wollen. In unserm Thüringen / welches /wie Italien mit dem Meer / alhier mit lauter Wald unten und oben ümbzingelt wird; werden zum öfftern / doch zwar sonderlich ümb die heiligen Weynächten und Fastnachten / nicht allein auffm Felde / welches gemeiniglich geschehen pfleget; sondern auch in den Städten und Dörffern selbsten / eine ziemliche Menge Gespänster / Betrügnüssen und Teuffels Gauckeleyen gesehen; unter welchen so wohl lebendiger als todter Leute Gesichter in grosser Anzahl offte erkandt werden; welche bißweilen wie eine Schwatrone Reuter / bißweilen wie ein Tron Mußquetirer sich erzeigen / indem sie also hin und wieder streiffen und marchiren. Vnd dieses Ding ist traun / wie wir oben schon bedeuret / nicht erlogen / sondern ausser allen Zweiffel richtig. Es soll aber vor dieses Teuffels Heer ein ansehnlicher alter und grauer Mann / welchen sie den getreuen Eckhard44 nennen / herziehen / und mit einem Stecken / welchen er hin und her beweget / forne an marchiren / und das heran nahende Volck /welches sich nach unsere[15] angebohrne Ahrt allezeit lüstern und begierig erzeiget / vermahnen / daß sie möchten etwas auß dem Wege weichen / oder abseits treten / oder gar nach Hause gehen / damit sie ihm nicht durch ihre Künheit oder Vnbesonnenheit ein unnöhtiges Unglück übern Hals zögen. Nach ihn sol allerhand Teuffels-Geschmeisse in grossen Troppen folgen / allerhand Gestalt haben / gar greulich und scheußlich außsehen / in dem etlichen die Köpffe abgehauen; etliche das Gesichte (mit den Plinischen Monstris oder Ebentheuren) auff der Brust tragen / etliche die Hände und Arme verlohren haben: Etliche auff einem Fusse herein hincken: etliche die Beine auff die Schultern geleget haben / und dennoch geschwinde fort lauffen. Es sollen auch welche drunter seyn / die wie Ixion an grosse Räder gebunden seynd / und solche ohne Vnterlaß herumb weltzen. Man höret darunter recht Jäger-Geschrey / und Hörner blasen / Gebelle der Hunde / und viele Gestalten der Hasen / so auffgejaget werden. Es gruntzen Schweine drunter und brüllen Löwen etc. Dieser Gespönster Auffenthalt soll seyn der Hörselberg / dessen Vorhoff / so er mit Besen gekehret / und der Sand gleich gemachet wird / so sol man dennoch den andern Tag unterschiedener Thieren Fußstapffen drinnen befinden. Solte einer dieses für Fabulos und erdichtet halten / der wird sich zuerinnern wissen / daß alle Erscheinungen[16] der Gespenster nicht vergebens seyn; sondern daß der böse Geist / welcher in der Warheit nicht bestanden ist / allerhand Gestalt könne annehmen / und sich auch bißweilen in einen Engel des Liechts verkleiden.

Zu dem vorbesagten wil ich noch zweyerley hinzu thun; Erstlich daß dieser Gespenster Kriegs-Heer nicht allein bey uns oben in Thüringen solche Possen machen / sondern auch in der Graffschafft Mansfeld beym Hartz-Walde / in Francken / Schwaben / ja auch andere Oerter herumb schweiffen sollen. Zum andern gibt man auch für / daß der treue Eckhard nicht alleine vor dieses Hörselbergische Kriegs-Heer auffziehe / sondern auch daß er ein Thürhüter oder Schliesser des Venus-Berges sey / bey dessen Thüren er sitze / und dieselbe abwehre / die hinein gehen wollen / damit sie nicht daselbst ewig bleiben müssen / wie der ungluckselige Tannhäuser45 / von welchem unsere Vorfahren viel zu schwatzen gewust haben. Vnd zwar ist auch solches nicht vergebens und nichtig / wann man nicht so wol die Wörter / als die Meynung oder Sache an sich selbston ansihet. Sintemahl dieser Tannhäuser / wie er auß diesem Venus-Berge / von welchem doch niemand weiß / wo er sey / durch ein enges Ritzlein herauß gedrungen / und zum Römischen Pabst Urbanum gekommen / und demühtig vor seine[17] Krieges-Bübereyen vor ihm auff die Knie gefallen / ümb Vrlaub anhaltende / er dennoch gar traurige abschlägige Antwort erhalten / indem der Römische Pabst gesaget / daß derselbe Stecken / den er damahls in der Hand hatte / viel eher blühen würde / als der Tann-Häuser Vergebung seiner Sünden überkommen. Darauff sol der Tann-Häuser weggegangen seyn / und sich auß Verzweyffelung in den Venus-Berg verkrochen haben / bey sich vieleicht erwegende / was bey dem Virgilio stehet:


Flectere si nequeo superos, Acheronta movebo!

Wil Gott nicht helffen / so mag der Teuffel helffen!


Nicht lange hernach sol dieser Stecken geblühet haben als Aarons Ruhte. Man hat auch hierauff allenthalben den Tann-Häuser suchen lassen / daß man ihme diese fröliche Botschafft brächte / aber man hat leyder den armen Kerl nicht finden können / da er nicht alleine auß seiner eigenen Schuld / als des unbescheidenen Pabsts Vnbesonnenheit in dieses Veneris ihre Bestallung / doch weiß ich nicht / was es für ein Teuffelischer Huren-Winckel seyn mag / begeben / und alda einquartiret ist. Biß hieher der gelehrte Mann Heiderus.[18]

Kornmann schreibet davon also. Es haben unsere Voralten Teutschen / was sie schreiben haben wollen und außgehen lassen / nur in Reim und Verß verfasset / sind gut zu singen / besser zu mercken und auß zu lernen / begriffen mit kurtzen Worten / viel haben nicht weit ümbschweiffende Rede / welche auß Befehl unser alten König und Käyser von den Helden Teutsches Landes beschrieben sind worden auff Poetische Ahrt / und das sind unserer Vor-Väter der alten Teutschen Chronicken / wie da bezeuget Aventinus im er sten Buch vom Vrsprunge der alten Teutschen.46 Bey welchem wir auch finden von dem Edlen Tann-Häuser / daß er sey in Frau Venus-Berg gezogen / und darinnen geblieben / wie solches nachfolgendes Lied darthut.


1.

Von wil ich aber heben an /

Von Tannhäuser wollen wir singen /

Und was er Wunders hat gethan /

Mit Frau Venussinnen.


2.

Der Tannhäuser war ein Ritter gut /

Er wolt groß Wunder schauen /

Da zog er in Frau Venus-Berg /

Zu andern schönen Frauen.[19]


3.

Herr Tannhäuser ihr seyd mir lieb /

Daran solt ihr gedencken /

Ihr habet mir einen Eyd geschworen /

Ihr wolt nicht von mir wancken.


4.

Frau Venus ich habe es nicht gethan /

Ich wil das widersprechen /

Wann niemand spricht das mehr / denn ihr /

Gott helff mir zu den Rechten.


5.

Herr Tannhäuser wie saget ihr mir /

Ihr sollet bey uns bleiben /

Ich geb euch meiner Gespielen ein /

Zu einem ehelichen Weibe.


6.

Nehme ich dann ein ander Weib /

Als ich hab in meinem Sinne /

So muß ich in der Höllen Gluth /

Da ewiglich verbrennen.


7.

Du sagest mir viel von der Höllengluht /

Du hast es doch nicht befunden /

Gedenck an meinen rohten Mund /

Der lacht zu allen Stunden.


8.

Was hilfft mich euer rohter Mund /

Er ist mir gar unmehre /

Nun gib mir Vrlaub Frau Venus zart /

Durch aller Frauen Ehre.[20]


9.

Herr Tannhäuser wolt ihr Urlaub han /

Ich wil euch keinen geben /

Nun bleibet Edler Tannhäuser zart /

Vnd frischet euer Leben.


10.

Mein Leben ist worden kranck /

Ich kan nicht länger bleiben /

Gebt mir Vrlaub Fraue zart /

Von eurem stoltzen Leibe.


11.

Herr Tannhäuser nicht sprecht also /

Ihr seyd nicht wol bey Sinnen /

Nun last uns in ein Kammer gahn /

Vnd spielen der heimlichen Minnen.


12.

Euer Minne ist mir worden leid /

Ich hab in meinem Sinne

O Venus Edle Jungfrau zart /

Ihr seyd ein Teuffelinne.


13.

Tannhäuser wie sprecht ihr also /

Bestehet ihr mich zuschelten?

Solt ihr noch länger bey uns seyn /

Des Worts müst ihr entgelten.


14.

Tannhäuser wolt ihr Vrlaub han /

Nemt Vrlaub von den Greisen /

Vnd wo ihr in dem Land ümbfahrt /

Mein Lob das solt ihr preisen.[21]


15.

Der Tannhäuser zog wieder auß den Berg /

In Jammer und in Reuen /

Ich wil gen Rom in die Stadt

All auff den Pabst vertrauen /


16.

Nun fahr ich frölich auff die Bahn /

Gott muß es immer walten /

Zu einem Pabst der heist Vrban /

Ober mich wolt behalten.


17.

Herr Pabst Geistlicher Vatter mein /

Ich klag euch meine Sünde /

Die ich mein Tag begangen hab /

Als ich euch wil verkünden.


18.

Ich bin gewest ein gantzes Jahr /

Bey Venus einer Frauen /

Nun wil ich Beicht und Buß empfahn /

Ob ich möcht Gott anschauen.


19.

Der Pabst hat einen Stecken weiß /

Der ward vom dürren Zweig /

Wann dieser Stecken Blätter trägt

So sind dir deine Sünde verziehen.


20.

Solt ich leben nicht mehr denn ein Jahr /

Ein Jahr auff dieser Erden /

So wolt ich Reu und Buß empfahn /

Vnd Gottes Gnad erwerben.[22]


21.

Da zog er wieder auß der Stadt

In Jammer und in Leiden /

Maria Mutter reine Magd /

Muß ich mich von dir scheiden.


22.

So zieh ich wieder in den Berg /

Ewiglich und ohn Ende /

Zu Venus meiner Frauen zart /

Wo mich Gott wil senden.


23.

Seyd wilkommen Tannhäuser gut /

Ich hab euch lang entboren /

Seyd wilkommen mein liebster Herr

Vnd Held / mein Außerkohren.


24.

Darnach wol auff den dritten Tag /

Der Stecken hub an zu grünen /

Da sand man Botten in alle Land /

Wohin der Tannhäuser were kommen.


25.

Da ward er wieder in den Berg

Darinnen solt er nun bleiben /

So lang biß an den Jüngsten Tag /

Wo ihn Gott wil hinweisen.


26.

Das sol nimmer kein Priester thun /

Dem Menschen Mißtrost geben /

Wil er denn Buß und Reu empfahn /

Seine Sünde seynd ihm vergeben.[23]


Was ferner den Eckhard betrift / gibt auch Beyfal David Vechner / mit folgenden Worten / zu teutsch also lautend.47 Ein wunder seltzam Dinges ist / was Agricola (da er das Sprichwort erkläret / Du bist der treue Eckhart / du warnest jedermann) erzehlet von dem Fastnachts-Heer (so der gemeine Mann das wütende Herr48 zu nennen pfleget) welches vorzeiten alle Jahr auff den Fastnacht-Donnerstag hat pflegen zu ziehen durch Eißleben und andere Oerter derselben Graffschafft / unter dem Commando eines alten Mannes / welcher sich den treuen Eckhard genennet hat. Im übrigen was das Sprichwort des Iohannis Agricolæ betrifft / so wird solches bey diesem Autore erkläret und außgeleget.49


Du bist der treue Eckhard /

Du warnest jedermann.


Die Gedächtnüß des treuen Eckharts50 ist von alten Jahren her bey den Teutschen blieben / von wegen seiner ehrbahren Frömmigkeit. Das Buch der Helden saget / und es stimmet ein mit den gewissen Historien / wie Diederich von Bern gelebet hat / zu den Zeiten Zenonis und Augustuli, im Jahr nach Christi Geburth ungefährlich fünffhundert; Dieser Diederich / von dem die Teutschen Lieder singen / hat mit seinem liebsten Diener[24] dem alten Hiltebrand erwürget Odoacrum zu Ravenna im Lamperter Krieg / und regieret in Italien länger denn dreissig Jahr. Er hat sein Reich wider den Käyser zu bekräfftigen / Freundschafft gemacht mit dem König zu Francken / dessen Tochter er zum Ehweib genommen / und hat allen seinen Fürsten auch Weiber vom Teutschen Geblüt gefreyet. Darnach hat er Sicilien und Dalmacien gewonnen / und mit Macht inne gehabt / daher das Lied erwachsen ist; Wie der Berner König / Fasold / Ecken und Eberrock erschlagen hat. Dann diese drey waren Herren in Sicilien. Vmb diese Zeit hat auch der König Artus gelebet / wie ich an einem andern Ort wil sagē. Im gleichen auch König Gybich / des Tochter Grymhild den Rosengarten zugerichtet hat / zu Wormbs am Rhein / etwan Burgun geheissen / in welchem Rosen-Garten der Berner viel Helden erschlug in einem Turnier. Bald nach dieser Zeit ist gewesen der treue Eckhart / ein Held von Brisach / Herr in Elsaß und Brißgau / vom Geschlächte der Harlinge. Dieweil aber in Lamparten oder Lombardeyen / die Francken gewaltig worden / griffen sie umb sich / und erschlugen die jungen Harlinge / derer Vormund Eckhard war / das thät aber Ermentfried. Der Eckhard wolt seinen Herrn / deren Vormund er war; Treu beweisen / und schuff und bracht so viel zu wege / daß[25] er mit anderer Helden Hülffe / den Ermentfried wieder erwürgete / und ümb dieser That willen / ist er also hoch biß an unsere Zeit / länger denn tausend Jahr gerühmet worden / und er ist auch solches Lobs unn Ruhms fast wol würdig / und ich wolte / daß viel Teutscher weren / denen man solches Lob mit Ehren möchte nachsagen. Wo findet man jetzt jemand / der sich als ein Vormund frembder Kinder also hart annehme: Ja der Vormund nimpt also viel / daß der Achtermund nichts überkömt. Also gar ist Treu und Frömmigkeit bey den Teutschen / die zu unsern Zeiten sind / erloschen / daß wann unsere Vor-Eltern itzt von Todten uffstünden / würden sie sich ihrer Nachkommen schämen / wie ich dann zuvor auch gesaget habe. Im Sprichwort / Es wird geschehen wann der Teuffel von Aach kömt / habe ich Meldung gethan / wie der Teuffel nach dem Abfall von der reinen Lehre des Evangelii / allerley Spiegelfechten und Betrug herfürgebracht hat / als mit dem Venus- und Hörsel-Berge. Nun haben die Teutschen in demselben Betrug ihres treuen Eckharts nicht vergessen / von dem sie sagen / er sitze vor dem Venusberge / und warne alle Leute / sie sollen nicht in den Berg gehen. Es ist eine Fabel /wie der Tannhäuser in dem Venusberge gewesen sey / und habe darnach dem Pabst Urbano zu Rom gebeichtet. Pabst [26] Urbanus hat einen Stecken in der Hand gehabt / und gesaget / so wenig als der Stecken könte grünen / also wenig möge Tannhäuser Vergebung seiner Sünden erlangen und seelig werden / da ist Tannhäuser verzweiffelt / unn wieder in den Berg gangen / und ist noch darinnen. Bald hernach empfähet Pabst Urbanus eine Offenbahrung / wie er sol dem Tannhäuser seine Sünde vergeben / denn der Stecken beginne zublühen / darumb schickete der Pabst auß in alle Lande / und hieß den Tannhäuser suchen / aber man konte ihn nirgend finden. Dieweil nun der Tannhäuser also mit Leib und Seel verdorben ist / sagen die Teutschen / der treue Eckhart sitze vor dem Berge / und warne die Leut / sie sollen nit hinein gehen / es möchte jnen sonst ergehen wie dem Tannhäuser.51 Ich habe neben andern gehöret von dem Würdigen Herrn Johann Kennerer Pfarrherrn zu Mannsfeld52 / seines Alters über 80. Jahr / dz zu Eißleben und im gantzē Lande zu Mansfeld das wütende Heer (also habē sies genennet) für über gezogen sey / alle Jahr auff den Fastnacht Donnerstag / unn die Leute sind zu gelauffen / unn haben darauf gewartet / nit anders / als solte ein grosser und mächtiger Käyser oder König fürüber ziehen. Vor dem Hauffē ist ein alter Mann hergangen mit einem weissen Stabe / der hat sich selbst den treuen Eckhart geheissen / dieser alte Mann[27] hat die Leute heissen auß dem Wege weichen / hat auch etliche Leute gar heissen heimgehen / sie würden sonst Schaden nehmen. Nach diesem Mann haben etliche geritten / etliche gegangen / und sind Leute gesehen worden / die neulich an den Orten gestorben waren / auch der eins theils noch lebeten. Einer hat geritten auff einem Pferd mit zweyen Füssen; der ander ist auff einem Rade gebunden gelegen / und das Rad ist von ihm selbst ümbgelauffen: der dritte hat einen Schenckel über die Achsel genommen / und hat gleiche sehr gelauffen. Ein ander hat keinen Kopff gehabt / und der Stück ohne massen. In Francken ist es noch neulich geschehen; zu Heydelberg hat mans offt im Jahr gesehen / wie man mich berichtet hat. Wir brauchen dieses Worts / wenn jemand einen andern treulich für Schaden warnet / und wir wollen es nachrühmen / so sagen wir / du thust wie der treue Eckhard / der warnet auch jedermann vor Schaden. Biß hieher Agricola; zu welchem auß Vberfluß noch kan hinzu gefüget werden Martinus Zeilerus53 vom Ursprunge des treuen Eckhards54 / den man von Hegrar dem Könige in Beyern hergeführet / der zur Zeit des Trojanischen Kriegs solle gelebet / und ihn die Alten gemahlet haben / als sässe er vor der Höllen Thür / und lehrete die Leute / wie sie sich verhalten sollen: Daher er der [28] Troische Hecart hernach Troje Heccart / und ferner der treue Eckhart55 genant worden / so unter die Fabeln zu rechnen. Ferner solte auch wol sich hieher schicken /wegen Vbereinstimmung des Nahmens Eckhart mit der Hand-Eckercken56 / von welcher gelesen wird bey dem Bodino.57 Im Hertzogthumb Cleven / nahe bey der Burg Elten / wurden im 1535. Jahre auff der Landstrassen beydes Reuter und Fußgänger sehr geschlagen / und die Wagen ümbgeworffen / und da sahe man anders nichts als eine Hand / welche man Eckercken nennet. Endlich fing man eine Hexin / welche sich Sibylla Dinskops nante / die daselbst herumb wohnete: Vnd nachdem dieselbe verbrennet worden / hat man dergleichen Gefahr auff der Strassen nicht mehr gesehen. Endlich / was des Eckhards wütendes Heer betrifft; so ist es nicht seltzam / daß die bösen Geister in solchen Geberden zum öfftern auch anders wo sich antreffen lassen: Wie solches bezeuget der Autor58 der Hundestägigen Erquickstunden: Diese Geister erscheinen bißweilen in grosser Anzahl (als wann sie in der Ordnung / als Soldaten auß den Bergen herfur kröchen) treiben in den Feldern wunderbahrliche und seltzame Händel und Possen / mit dantzen / springen und ungewöhnlichen Geberden / geben von sich einen Klang / als wann sie Soldaten[29] daten unter einen Obristen weren / und gegen einander scharmutziren wolten / darauff denn auf einen harten Klang / als wann es ein Glocken-Klang / oder des Obristen Losung were / eilen sie wieder in guter Ordnung nach ihren Berg zu / und verschwinden.59

Quelle:
Praetorius, Johannes: Blockes-Berges Verrichtung. Leipzig, Frankfurt 1669, S. 8-30.
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