Rübezahl macht Mäuse aus Ducaten.

[234] Vor vielen Jahren sol ein Handelsmann mit vielem Tuche auffs Gebürge gekommen seyn / solches loß zuschlagen / und denen zuverkauffen / die es begehren[234] würden. Wie er unterwegens mit solchen Gedancken schwanger gegangen / und auff seinen Profit gedacht /denn er flugs draus machen wolte / so ferne sich nur ein Kauffmann ereignete: Siehe / da kömt gleich der unerkante Rübezahl / und fraget was er zu kauffe habe? Wie ihme die Antwort aber wird / daß es Gewandt sey / und den Preiß vernimt / läst er ihme 50. Ellen abmessen / und zahlt auch auff der Stelle dafür /bey anderthalb hundert Thaler an lauter Ducaten: welche der Handelsmann in seinen mit sich genommenen Kober streichet / und seines Weges förder reiset: Sich glückseelig preisende / daß er auff der Landstrassen so eine herrliche Messe gehalten / als er vielleicht auff keinem Jahrmarckte thun möchte. Aber solches Frolocken war zur Traurigkeit endlich hinauß gelauffen /wie er nach Hause gekommen / seinen Kober eröffnet / und das Geld zu seinem Schatz hat legen wollen: Denn da hat er keine Ducaten[235] gefunden / sondern es waren lauter Mäuse darauß gelauffen / daß der Kerl dafür erschrocken / über laut geschrien / und davon gelauffen ist. Aber / du magst sagen / wie / zum Veltens Kranckt! sind denn die Mäuse in den Kober gekommen? Wenn ich hierauff antworten sol / so gestehe ich / daß ich gleichesfalls so wenig davon wisse /als von folgender Mäuse Historien: Nemlich / es erzahlte mir etwan vor vier Jahren ein vornehmer Magister, bey Königsberg her / allhier mein sehr guter Freund / daß in seinem Patriâ auff einer breiten und grossen See die Fischer ihre Netze ins Wasser stellen sollen: Zu welchen sie hernach etwan umb den andern oder dritten Tag sich erstlich wieder hin machen / und zusehen / was sie abwesend gefangen haben. Bey solchen ihren Netzen aber / die sie / oder ihre etliche /hin und wieder in der See verstellen / sol ein ieglicher eine hohe Stange stecken / die weit aus dem Wasser hervor gucket / oben aber auff der[236] Stange sol man Strohwippen oder Wische stecken und knüpffen /damit man solche Zeichen desto eher in der ferne erblicken möge. Wenn nun aber solche Fischer nach Verlauff etlicher Tage zu ihren Netzen hinan gefahren / so sollen sie oben im angehefften Stroh offte viel kleine Mäußlein finden. Wie zum Guckguck! kommen allhier die Mäuse her? Kommen sie etwa aus der See? Wie man denn lieset beym Unzero de Sale, Bancirillo seu Comment. Salmuthiano, und andern Naturkündigern / daß Mäuse in den Schiffen / drinnen Saltz gefahren wird / oder welche auff dem saltzigen Meer fahren / sollen gezeuget werden? Aber was hat jene Bewandnüß hiermit zuthun? Indeme dieses Wasser süß und nicht saltzig ist. Daß die Mäuse zwar Spiesse können hinauff klettern / ob sie gleich nicht rauch / sondern glatt seynd / ist ausser allem Zweiffel / indeme mans zum öfftern erfahren hat: Aber hiemit ist noch erstlich die Bekümmernüß[237] weiter fort zusetzen / wie und woher die Mäuse unten an solche Spiesse erstlich ankommen mögen. Schwimmen sie etwa vom Ufer oder Lande über das Wasser hin? Welches gleichfalls von dem Ungezieffer kan verrichtet werden / indeme ich es selber mit Verwunderung gesehen habe / zu Netzlingen aufm uralten Schlosse / da eine Mauß gantz über den Graben schwam: Aber so sind dieses erstlich nicht grosse und erwachsene Mäuse /welche die Fischer im Stroh ertappen sollen / sondern eine junge Bucht / und kleines schwaches Zeug: Zum andern so scheinet es auch unmüglich zu seyn / wenn es auch gleich grosse Mäuse weren / in deme solche Stangen sehr weit ins Wasser hinein vom Ufer eingestecket werden: Also daß es unvermuthlich scheinet /daß den weiten Weg hin solch junges Mäusewerck schwimmen solte oder könte. Doch wil ich mit diesem Grunde jene Historia nicht umgestossen haben / da zu Mayntz über den[238] breiten Rheinstrom die Mäuse Hauffenweise zum Bischoff Hattonem hinüber geschwommen seyn / und ihn im Thurme auffgefressen haben: Sintemal solches ein Wunderwerck GOttes gewesen /ungeachtet / ob es gleich der Jesuit Serarius nicht für warhafftig erkennen wollen / sondern vielmehr aus berührtem fundamento, unter andern verworffen. Aber gesetzt / doch nicht zugegeben / daß die Mäußgen da hinan schwimmen: So frage ich drauff / was sie allda machten oder verlohrn hetten? Schauen sie sich etwa umb / wie die Corizæi ob andere grosse Mäuse nachkommen / die sie dahin getrieben? Oder steigen sie auff dergleichen Speculas und Warthen /gleichsam triumphierende / daß sie entweder den Katzen entkommen: Oder daß sie nunmehr die Helffte ihres Weges fast verrichtet: Oder suchen sie / nach erlittener Mütigkeit / Außruhung auff den Stangen / wie von den Störchen und andern[239] Vögeln geschwatzet wird / daß sie in grosser Menge auff die Schiffe fallen sollen / drüber sie nach dem Außgange des Sommers gegen dem Herbste von uns zu fliegen / gesonnen seyn / wenn sie sich ins warme Land begeben wollen. Doch was hievon zu halten sey / sol der begierige Leser häuffig und gründlich zu erwarten haben / in einem besondern Tractat, welchen ich nenne: Des Storchs unn Schwalben Winter-Qvartier. Oder klettert das Lumpenzeug derentwegen die Spiesse hinauff /damit es gleichsam als auff einem Mast-Baum / frisch Land erkundigen möge / dahin es weiter schwimmen wolte? Aber solche Muthmassungen sind alle vergeblich / wenn man auch gleich zugeben wolte / daß solche Mäußgen im selbigen Wasser veneriret würden: Sintemahl es gar zu klein ist / und gäntzlich keine Kräffte hat / an solchen Spieß hinauff zukommen / ich geschweige in der See weiter zuschwimmen. Aber[240] gleichwol wo kömt denn endlich das Geschmeisse her / möchte ich wohl wissen? nehmen etwa die Fischer solches Stroh auff den Scheunen und Ställen / drinnen die Mause vorher gehecket / und drauff ihre Brüt verlassen / welche hernach vollends von der Sonnen Wärme hervor kömt / und absolviret wird? aber so fehlet dieser Grund auch: sintemal die Leute frisch Stroh zu solchen Wischen gebrauchen. Und gesatzt /daß es alt Stroh were / so müsten auff solche Weise allenthalben auch auff dem Lande überflüssig und zusehend Mäuse gezeuget werden / welches doch nicht erfahren worden. Oder kommen sie etwan aus dem Spiesse / wie jener Philosophus erweisen wolte / daß aus dem Spieß ein Soldat / und wiederumb aus den Soldaten ein Spieß könte werden. Sed ex qvovis ligno non fit Mercurius. Oder regen sie etwa vom Himmel /wie man Meteorologicis von den Fröschen[241] lieset /daß solche mannichsmahl gar klein im Regen herunter gefallen? Aber solches wil die Zeit nicht zugeben: Sintemahl berichtet wird / daß solche Mäuselein bey gutem Wetter / da gar keine Nässe vorgefallen / generiret werden. Woher kommen sie aber gleichwohl /einmahl sind sie richtig da? Da siehe du zu: so antworte ich billich mit Herrn D. Luthero nach dem Beschlusse des unergründeten Worts Dudaim. Vielleicht steigen sonderliche Dünste aus dem Wasser in die Höhe / welche sich oben im Stroh setzen / und dasselbe zur Mäuse Zucht beqvemen / wenn die Sonne starck hinein würcket.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Dritter und gantz Nagel-neuer Historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1673, S. 234-242.
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