Grundriß eines Gedichtes auf die Sündfluth an Amalien

[122] Was seh ich über mir, die Wolcken fliehen fort,

Die Luft wird klar und schnell voll Strahlen, Blitz und Feuer,

Es donnert, hört! erstaunt! Der Himmel thut sich auf,

Der Ewige erscheint auf seinem grauen Throne:

Ein schreckliches Gewölck, das brennend über ihn,

Sein grauses Richthaus wölbt, steht um ihn her wie Mauren,

Das unzählbare Volck des Reichs der Ewigkeit

Liegt vor dem strengen Stuhl voll Ehrfurcht auf dem Boden,

Die tiefste Stille herrscht. Des Richters Ausspruch schalt,

Der, wenn sein Haupt sich regt, die Feste selbst erschüttert,

Sein Mund verdamt die grund verderbte Welt.

Nunmehr giebt er Befehl den Dienern seiner Rache;

Ein neuer Schlag bestärcket den Befehl,

Und dreymal schläget er mit seinem eisern Scepter

Die gantz verworffne Erd, und ihr zerschelter Grund

Muß bis zum heissen Kern erschüttern und zerbersten.

Des Abgrund Brunnen thun auf sein Geheiß sich auf,

Und stossen überall die tief verborgnen Wasser

Aus ihrem Schlund hervor, Süd, West, Ost, Nord tobt, stürmt

Auf das erregte Meer voll Wuth von allen Seiten,

Rührt aus der Tiefe selbst die stillen Wasser vor,

Wältzt über allen Strand gantz ungeheure Wellen,

Und überschwemt die Welt. Sein donnernd starcker Arm

Führt durch die weite Luft indessen gantze Meere,

Nun stürtzt er sie herab mit Feuer untermengt;

Es braust ein steter Guß durch die pechschwartzen Lüfte,

Die steigend zornge Fluth durchströmet alles Land,

Mord, Zeter, Ach und Weh steigt schon von allen Gräntzen.

Das jammervolle Volck, das heulend Rettung sucht,

Ringt, schlägt die Hände nun verzweiflungsvoll zusammen,

Und läuft, vergeblich doch, auf steile Berge zu:[123]

Die Fische liegen nun auf hohen Ulmen Bäumen

Wo sonst die Taub allein ihr leichtes Nest gebaut.

Der scheuen Gemsen Heer, das auf Gebürgen klettert,

Schwam in der tiefen Fluth. Die prächtig grossen Städte

Bedeckte jetzt ein Meer, das ohne Ufer war.

Es flogen durch die Welt des Höchsten Zornes Diener

Und stürtzten überall die Völcker in die See;

Kein Retten ist nunmehr, was lebet, muß verderben,

Die Arche nur allein schwimt triumphirend her

Auf schaumerfüllter Fluth. Die schützend guten Geister

Begleiten deren Farth, und schweben rings umher;

Der fromme Noah läßt dem Herrn ein Dancklied schallen.

Quelle:
Freundschaftliche Lieder von I. J. Pyra und S. G. Lange, Heilbronn 1885, S. 122-124.
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