Sechs und Vierzigstes Kapitel.

[498] Wie Pantagruel und Panurg das Orakel der göttlichen Boutelge zu besuchen sich entschließen.


Aber einen ganz andern Punkt bedenkt ihr nicht, und just da steckt der Knoten. Er hat mir die Boutelg wieder eingehändigt. Was heißt das? was will das sagen? – Vielleicht, antwortet' Pantagruel, daß euer Weib betrunken seyn wird? – Im Gegentheil, versetzt' Panurg, denn sie war leer. Ich schwör euch bey dem Rückenbein des heiligen Fiacre von Brie: unser Morosophus Triboullet der Würdige (nicht Wirbliche) weist mich damit an die Boutelge! Und hier erneu ich mein erst Gelübd und schwör in eurer Gegenwart von frischem beym Styx und beym Acheron, weder Brill an der Mütz noch Latz an der Hos zu tragen, bis ich mir das Wort der göttlichen Boutelg zu meinem Fürhaben eingeholt. Ich hab einen klugen Mann zum Freund, der weiß genau Ort, Land und Gau wo ihr Orakel und Tempel ist: er wird uns sicher hin geleiten. Laßt uns zusammen hin, ich fleh euch, schlagt mirs nicht ab. Ich werd euch auch ein wahrer Damis, ein Achates und treuer Gesell auf dem ganzen Weg seyn. Ich hab euch seit lang schon als Freund des Wanderns erkannt, und daß ihr gern alle Tag was neues sehen und lernen mögt. Wir werden wunder würdige Ding sehn, traut meinem Wort.

Ganz gern, versetzt' Pantagruel, allein bevor wir diese weite Fahrt voll Wagniß, voll augenscheinlicher Gefahren – was für Gefahren? fiel Panurg ein. Die Gefahren laufen vor mir auf sieben Meilen in die Rund, wo ich auch seyn mag; wie, wo der Fürst kommt, die Obrigkeit abtritt, wie vor der Sonnen die Nacht entweicht, und wie vor Sanct Martins Leichnam zu Quande die Seuchen und die Krankheiten flohen. – Eh, sag ich, fuhr Pantagruel fort, wir uns auf diese Reis begeben, muß dieß und jenes berichtigt seyn. Erst lasset[499] uns den Triboullet wieder gen Blois heim senden. (Wie auch zur Stund geschah, und verehrt' ihm Pantagruel ein Goldbrokat-Kleid mit Frisur.) Zweytens bedürfen wir guten Rath und Urlaub vom König meinen Vater. Ferner müssen wir eine Sibyll uns zum Dolmetsch und Wegweiser suchen. Darauf antwortet Panurg, sein Freund Xenomanes wär hiezu tauglich, und überdieß gedächt er auch durch das Laternen-Land zu reisen und sich allda mit einer weisen ersprießlichen Latern zu versehn, die ihnen für diesen Weg das seyn sollt, was die Sibyll Aeneen war auf seinem Gang in Elysium. – Dieß Gespräch hört' Karpalim noch im Abgehn mit dem Triboullet, und rief ihm nach: Daß dich! Panurg, Herr Quittmacher, nimm dir in Calais den Lord Debitis! er ist good Knecht, hält auf sein Debitoribus, und steckt sein Licht brav unter'n Scheffel; so hast du den Lichtknecht und die Latern.

Nach meiner Rechnung, sprach Pantagruel, werden wir eben nicht Grillen fangen unterweg, dieß spür ich schon. Ist mir nur leid daß ich nicht fertig Laternisch sprech. – Ich, antwort Panurg, sprechs für euch All, ich verstehs wie meine Muttersprach, ist mir geläufig wie's A. B. C.:


Brißmarg dalgotbric nubstzne zos

Isquebfz prusq; albok crinqs zacbac

Misbe dilbarlkz morp nipp stancz bos.

Strombtz, Panurge walmap quost grufz bac.


Itzt rath, Epistemon, was dieß heißt. Epistemon antwort: es sind Namen von irrenden Teufeln, von fahrenden Teufeln, von kriechenden Teufeln. – Wahrgesprochen, mein[500] schöner Freund, versetzt' Panurg: es ist die Hof-Laternensprach; ich will dir unterweg darüber ein schönes Wörterbüchel machen, das sollt du so geschwind zerreissen wie ein Paar neue Schuh; eh einer ein Amen spricht weißt du's aussewendig. Was ich gesagt hab, lautet aus der Laternensprach verdolmetscht also:


All Unheil hätt ich zu bestahn

Als Freyersmann, mir gings nit wohl;

Gefreyte Leut sind besser dran:

Panurg ists, und ich weiß es wohl.


Bleibt also, sprach Pantagruel, nur übrig daß wir den Willen des Königs, meines Vaters hierüber hören, und seine Erlaubniß dazu erbitten.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 498-501.
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