Sieben und Zwanzigstes Kapitel.

[431] Wie Bruder Jahn Panurgen lustigen Rath giebt.


Beym Sanct Rigomé! Panurg, mein holder Freund, sprach Bruder Jahn, ich rath dir nichts was ich nicht selbst thät, wenn ich wie du wär. Nur dieß Eine nimm wohl in acht, daß du fein dicht und unabläßlich Feuer giebst! Wo du dazwischen ruhest, bist du verloren, armer Schelm, und geht dirs wie den Ammen: wenn sie die Kinder nicht fleissig stillen, bleibt ihnen die Milch aus. Wenn du die Mentul nicht allzeit übst, bleibt ihr die Milch auch aus, und dient dir nur noch zum Brunzerl, und der Sack nur noch zum Seckel. Deß warn ich dich, mein Freund! Ich habs an Manchen erlebt, die's nimmer konnten wann sie gewollt, weil sies zuvor nicht exercirt, da sie gekonnt. Denn durch den Nichtbrauch gehn alle Privilegien verloren, so spricht der Schreiber. Darum, mein Sohn, halt du den kleinen Bürgersmann da drunten, dieß niedre Bauerngrob, die Troglodyten und Latzidyten 3 in steter Arbeit und leid du nicht daß sie wie faule Edelleut nur müssig von ihren Renten zehren.

Jo nixdi! Bruder, sprach Panurg; ich will dir folgen liebs Cujonel; du mein links Hödel gehst rund raus, hast mich ohn Wenn und Aber und Umschweif all meiner Angst die mir noch bang macht', enthoben. Er halt dich Gott dafür noch allzeit steif und straff zum Dienst. Wohlan! auf dein Wort will ich freyn, und das ohnfehlbar. Werd auch immer auf hübsche Zöpflein bey mir halten, so oft du mich besuchen kommst, und sollst der Schwesterschaft Schirmvogt seyn. So weit der Predigt erster Theil. – Merk auf das Varennische Glocken-Orakel, sprach Bruder Jahn, was sagen sie? – Ich hörs gar wohl, antwort Panurg, es klingt mein Six! prophetischer als die Dodonischen Jupiters-Kessel. Horch: Nimm Frau, nimm Frau, nimm,[432] nimm, nimm, wer Frau nimmt, nimmt, ihm wohl bekommt, kommt, kommt, nimm, nimm. Ich werd auch nehmen, das schwör ich dir, all Element ermahnen mich ja, dieß Wort sei dir eine eherne Mauer.

Anlangend aber den zweyten Punkt, so scheinst du mir allerley Zweifel, ja Mistraun in meine Paternität zu setzen, als ob mir der steife Garten-Gott nicht allzu hold wär. Ich bitt dich zum schönsten, thu mir die einige Lieb und glaub: daß ich ihn allzeit zu Befehl, all überall auf Wort und Wink gelehrig, dienstbar, resolut, fix und alert hab, es braucht nichts weiter als daß ich ihm den Riemen, (ich mein den Hosen-Nestel) abzäum, ihm den Raub weis und oi! oi! Pursch! ruf. Und wenn mein künftig Weib aufs Venus-Spiel erseßner wär als Messalina, oder als die Marquisinn von Onicestre in England: glaub du mir, mein Tröster ist doch rüstiger. Zwar weiß ich gar wohl was Salomo, als ein gelahrter und kundiger Mann, auch nach ihm Aristoteles sagt: Weibs-Brunst ist an sich unersättlich. Doch soll man wissen: auch mein Beschlag ist von gleichem Schrot und unermüdlich. Bring mir hie nicht etwann zum Muster die Fabeln von den Hurenhengsten Herkules, Proculus Cäsar und Mahom, der sich im Koran rühmt, er hätt in seinen Geilen die Zeugungskraft von sechzig Bengels. Er hats gelogen, der geile Bock! Red mir auch nicht von dem durch Theophrastus, Plinius und Athenäus so beschrieenen Indianer, der es mit Hülf eines sichern Kräutleins über siebzig Mal des Tags prästirt'. Ich glaubs nicht, die Zahl ist untergeschoben. Thu mir die Lieb, glaubs auch nicht. Aber, dieß glaub, (so glaubst du nur was wahr ist): mein Natural, Sankt Ithyphal, Messer Cotal von Albing da, dieß ist der wahre Primo del mondo. Horch auf, Cujödel: hast du je die Kutt des Mönchen von Castres gesehen? Sobald man sie wo in ein Haus bracht, seys öffentlich oder heimlich, flugs geriethen durch ihre erschreckliche Kraft alle Wohn- und Miethleut drinn, Vieh und Menschen, Mann und Weib,[433] ja Ratzen und Katzen in Brunst und Rammel. Nun schwör ichs dirs, in meinem Latz hab ich noch weit abnormere Forsch vordem verspürt. Ich red hie gar nicht von Haus noch Klaus, Markt oder Predigt, sondern: als ich dir eines Tags zu Sainct Maixant in die Bud kam, da die Passion gespielet wird, sah ich, wie plötzlich durch dessen geheime Tugend-Kraft das ganze Volk, soviel darinn war, Spieler und Zuschauer durcheinander in so furchtbare Anfechtung kam, daß allda weder Mensch noch Engel, Teufel noch Teufelsmutter war, die nicht stracks hätten rammeln mögen. Der Einhelfer ließ sein Buch im Stich; Der den Sanct Michel präsentirt' schoß mit der Flugmaschin herunter; die Teufel fuhren aus der Höll und holten all die armen Weiblein; selbst Luzifer riß seine Kett entzwey. Kurz ich, als ich den Zäpel sah, trollt mich sacht aus dem Tempel 'naus, und mocht ihm weiter gar nicht zuschaun, nach dem Beyspiel Cato des Censors, als er das Floralien-Fest um seinethalben verstöret sah.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 431-434.
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