Drey und Vierzigstes Kapitel.

[134] Wie Gargantua auf des Pikrocholus Vortrab stieß, und wie der Mönch den Hauptmann Vorneweg umbracht, darauf von den Feinden gefangen ward.


Pikrocholus kam auf den Bericht derer die dem Gemetzel in welchem Kuttler entkuttelt ward, entronnen waren, vor schwerem Zorn schier ausser sich, als er vernahm wie die Teufel sein Volk überfallen hätten, und hielt Conseil die ganze Nacht, darinn Frühträubel und Staarenstör beschlossen, sein Heer wär mächtig gnug, daß er damit alle Teufel der Höll, wenn sie kämen, ins Bockshorn jagen könnte. Welches Pikrochol zwar gänzlich nicht glaubt', doch auch darein kein Mißtraun setzt'. Schickt' also unter Commando des Grafen Vorneweg sechzehnhundert Reiter aus, das Land zu erforschen, allesamt auf leichten Pferden zum Scharmützel, mit Weihbrunn alle wohl eingesprengt, und, als Feldzeichen, jeder von ihnen mit einer Pfaffen-Stol beschärpet auf alle Fäll, wenn die Teufel kämen, beyde durch Kraft des Gregorichs-Wassers als der Stolen, sie auszutreiben und zu verscheuchen. Selbige ritten also vor, bis Vauguyon, bis an das Siechenhaus, trafen aber nirgend auch nur eine redende Seele an, derhalb sie wieder auf der Höh zurücke ritten, und bey Couldray im Hirtenhäuslein und Schoppen die fünf Pilger fanden, welche sie weidlich verschnürt und geknebelt für Spionen mit sich führten, alles Schwörens, Klagens und Flehens so sie erhuben, ungeachtet. Von da gen Seuillé hinunter reitend wurden sie vom Gargantua gehört, und sprach zu seinen Leuten: Gesellen, hie kommt ein Trupp heran, und sind an Zahl weit über zehnmal mehr denn wir. Sollen wir einhaun? – Teufel was sonst? antwort der Mönch; schätzt ihr die Leut nach der Zahl, und nicht nach Tugend und Tapferkeit? Ruft drauf: Ho Teufel, haut ein! haut ein! Welches als die Feind vernahmen, meinten sie nicht anders es wären wahrhafte Teufel, und fingen an mit verhängtem Zaum davon zu streichen, bis auf den Vorneweg, der seinen Speer einlegt' und im vollen[135] Ritt dem Mönch hart auf die Brust rannt. Aber sowie er auf die erschreckliche Kutt anprallt', bog sich das Eisen um, wie wenn ihr mit einem dünnen Wachsstock wider einen Amboß schlüget. Darauf gab ihm der Mönch mit seinem Kreuzstock zwischen Hals und Halskraus aufs Akromienbein ein so mörderlichs, daß er ihn ganz verdutzt, und aller Besinnung und Bewegung beraubt unter die Füß seines Gaules streckte.

Und wie er die Stolen sah, die er als Schärp umhätt, sprach er zu dem Gargantua: Es sind eitel Priester, das ist nur erst ein Anfang zum Mönch: beym heiligen Jahn! ich aber bin ein ganzer Mönch: ich will sie euch wie die Mucken plätzen. Jagt' damit im gestreckten Galop hinterdrein bis er die Letzten ertappt', und senset sie der Kreuz und Quer wie Rocken zusammen. Unterdessen frug Gymnast den Gargantua ob sie ihnen nachsetzen sollten. Aber Gargantua sprach: Mit nichten. Denn nach rechter Kriegsart soll man niemals den Feind zur Verzweiflung treiben; weil solche Noth ihm die Kraft nur mehrt und den Muth erfrischt, der schon erloschen und kleinlaut war: auch für gehetzte hällige Leut kein besser Heil ist, als keine Hoffnung des Heils zu wissen. Wie viel Victorien sind den Siegern von den Besiegten schon aus den Händen entrungen worden, wenn sie sich nicht mit Billigkeit begnügen wollten, sondern bis zur Internezion und zum letzten Mann ihre Feind haben aufreiben wollen, daß auch nicht Einer überblieb der die Zeitung brächt. Thu allzeit deinem Feind Thür und Thor auf, und bau ihm eh eine güldene Brucken, daß er nur fortkomm. – Aber, sprach Gymnast, sie haben den Mönch. – Den Mönch? Ey, haben sie den? antwort Gargantua, nun auf Ehr! Es soll ihr eigener Schade seyn. Aber daß wir auf alle Fäll gleich zuspringen können, lasset uns noch nicht von hinnen, sondern still hie harren: denn ich glaub itzt deutlich zu sehen weß Geistes unsre Feind sind, und daß sie auf gut Glück vielmehr denn mit Verstand gebahren. – Während diese nun unter den Nußbäumen hielten, jagt' der Mönch immer vorauf, und schlug ohn Gnad todt alles was er antraf, bis er einen Reiter ereilt', der einen von den armen Pilgern hinter dem Sattel mit sich[136] führt' und wollt ihm eben den Garaus machen; da schrie der Pilger: Ha Herr Prior! mein Freund, Herr Prior, helft mir! ich bitt euch! Welches als die Feind erörtern, ritten sie zurück, und wie sie niemanden als den Mönch da sahen der diesen Spuk macht', beluden sie ihn mit Hieben wie einen Esel mit Holz; aber er spürt' gar nix davon, zumal was auf die Kutten fiel, so eine harte Haut hätt er. Drauf gaben sie ihn zween Schützen aufzuheben, drehten die Pferd um, und als sie sahen daß niemand wieder sie ankam, meinten sie Gargantua wär mit seinem Geschwader davon geflohen. Rannten demnach so rasch sie konnten auf die Nöß zu, ihnen nach; und ließen dort den Mönch allein mit seinen beiden Wächtern, den Schützen. Gargantua aber hört' das Getümmel und Pferdegewiehr, und sprach zu den Seinen: Ihr Gesellen, ich hör die Spur unsrer Feind und erkenn auch schon Etlich aus dem Schwarm, der wider uns ansprengt. Lasset uns hie zusammenschränken, die Straß in Reih und Glied einnehmen: so wolln wir sie empfangen ihnen zum Schaden, und uns zur Ehr.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 134-137.
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