Zwey und Funfzigstes Kapitel.

[157] Wie Gargantua für den Mönch die Abtey Thelem erbauen ließ.


Blieb itzt allein der Mönch noch zu bedenken übrig, den Gargantua zum Abt von Seuillé machen wollt: aber er schlug es aus. Dann wollt er ihm die Abtey zu Bourguel schenken, oder auch die zu Sainct Florent, welche ihm selbst die liebste wär, oder auch beyde, wenn er sie gern hätt: aber der Mönch gestand ihm frey daß er von Mönchen[157] weder Vogt noch Vormund seyn möcht. Denn, sprach er, wie sollt ich Andre regieren, der ich mich selbst nit regieren kann? Wenn es euch aber bedeucht als hätt ich euch angenehme Dienst geleistet oder möcht sie in Zukunft noch leisten, so vergönnet mir eine Abtey nach meinem eigenem Sinn zu stiften. Die Bitt gefiel dem Gargantua und bot ihm sein ganzes Land Thelem am Loir-Fluß, zween Meilen vom grossen Forst von Port Huault belegen dazu an. Da bat er den Gargantua, daß sein Orden das Widerspiel aller andern seyn dürft. So muß man, sprach Gargantua, erstlich schon keine Mauern darum ziehen; denn alle andern Abteyen sind erschrecklich vermauert. – Freylich, spricht der Mönch, und von Rechtswegen. Wo Mauern sind, da ist hinten und vorn nur Murren und Knurren, Trauern, Versauern, Neid, einer macht wider den andern Meut. – Ferner, weil es in etlichen Klöstern dieser Welt Brauch ist, daß wenn ein Weibsbild (ich mein ein frommes und sittsames) hineinkommt, man die Spur ihnen nachfegt da sie getreten sind, so ward geordnet, daß wenn von ungefähr etwann ein geistlicher Bruder oder Schwester dorthin käm, man hinwieder ihnen säuberlichst alle Schritt und Tritt nachfegen sollte. Und weil in den Stiftern dieser Welt alles nach Stunden eingetheilt, verschränkt und clausuliret ist, so ward beschlossen daß da weder Uhr noch Zeiger seyn sollt, sondern ein jedes Geschäft nach Schick und Gelegenheit verrichtet würde. Denn, sprach Gargantua, der einzige Zeitverlust, den er wüßt, wär das Stunden-Zählen. Was hätt man davon? Und wär die größte Narrheit der Welt sich nach dem Schall einer Glocken zu richten, statt nach des Geistes Stimm und Sinn.

Item, weil man derzeit niemand ins Kloster stieß als blinde, lahme, hokrige, häßliche, mißgeschaffne, unreimische, thörigte, verhexte, vertrackte Weiber, deßgleichen nur die verkrüppelten, blöden, lendenlahmen, hauslästigen Männer: – (Ad vocem! fiel der Mönch hie ein: Ein Weib, das[158] weder schön noch fromm ist, wozu nutzt es? – Ins Kloster zu stecken, antwort Gargantua. – Recht, sprach der Mönch, und Hemden zu machen:) so ward verfügt daß man da niemand als schöne, wohlgestalte, wohlgeartete Frauen, und niemand als schöne, wohlgestaltete, wohlgeartete Männer aufnähm. Item, weil Männer in Frauenklöster nicht anders als heimlich kommen könnten, oder im Sturm, ward decretirt, daß da kein Weib seyn sollt, es wär denn ein Mann dabey, noch auch ein Mann wo nicht ein Weib wär. Item, weil so Männer als Weiber, einmal ins Kloster aufgenommen, nach ihrem Probjahr lebenslang darinn zu verharren gezwungen werden, ward festgesetzt daß jeder Mann und jedes Weib da aufgenommen, wanns ihnen gut däucht' frey und gänzlich wieder heraus marschiren dürften. Item, weil die Ordensleut gemeinlich drey Gelübd thun, nämlich Keuschheit, Armuth und Gehorsam: so ward versehen, daß man allda in Ehren möcht beweibt seyn, daß ein jeder reich wär, und in Freyheit leben sollte. Anlangend das rechtmässige Alter, nahm man die Frauen mit zehn bis funfzehn, die Männer mit zwölf bis achtzehn Jahren.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 157-159.
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