Ein und Sechzigstes Kapitel.

[196] Wie Gaster Mittel und Weg erfand Korn zu gewinnen und aufzuheben.


Nach Abzug dieser Teufels-Gastrolater gab Pantagruel auf unsers edeln Meisters Gaster Kunst-Studien genauer Achtung. Ihr wißt daß durch Naturordnung Ihm Brod, samt dessen Zubehör, zur Nahrung und Unterhalt angewiesen, auch Ihm dazu vom Himmel noch der Segen mitgetheilt ist, daß es Ihm zur Erwerbung und Verwahrung des Brodes an nichts fehlen soll. Das Erst also was Er erfand, war Schmiedekunst und Ackerbau, das Feld zu bestellen zu dem End, daß es Ihm Korn brächt. Dann erfand Er die Kriegskunst und die Waffen, Korn zu schützen; Arzeney und Sternkunst nebst der nöthigen Mathematik, das Korn viel hundert Jahr lang sicher vor Wind und Wetter, wilden Thieren, und Diebstahl zu verwahren. Er fand die Wasser-Wind-Handmühlen, tausend andre Schrotwerk Korn zu mahlen, draus Mehl zu machen: die Bärmen, den Teig zu säuern; das Salz, ihm Schmack zu geben; (denn Er wußt wohl daß nichts auf Erden den Menschen so leicht Krankheit zuzieht, als ungesäuertes, ungesalzenes Brod zu essen), das Feuer zum Backen; Uhren und Sonnenweiser, die Zeit darnach zu messen, bis das Brod, dieß Korn-Kind, ausbück.

Es begab sich daß etwann Korn in einem Land wo ausging: da erfand Er Künst und Mittel es aus einer Gegend in die andre zu verführen. Er, durch besondre Invention, vermengt' zwo Arten Lastthier, Esel und Mähren zu einer dritten Raß, die wir Mäuler nennen, und stärkere Thier, weit minder zärtlich, und dauerhafter zur Arbeit als die andern sind. Er erfand die Wagen und Karren, es leichter zu führen. Wenn Meer oder Ström den Paß versperrten, erfand Er Kähn, Galeeren, Nachen zum Erstaunen der Element! um über Meer, über Flüss und Ström zu segeln und von barbarischen, unbekannten, weit entlegnen Nationen Korn zu beschaffen und einzuholen.

Begab sich daß Ihn seit manchem Jahr der Regen bey seinem Ackerbau zur rechten Zeit und Stund im Stich ließ; wodurch Ihm das Korn in der Erd erstarb und umkam.[197] Andre Jahr hats wieder unmässig geregnet, das Korn ersoff; andre Jahr hats der Hagel erschlagen, der Wind entkernt, das Wetter zerknickt. Er also schon vor unsrer Ankunft hätt Künst und Mittel erfunden den Regen aus den Wolken herunter zu locken blos mittelst Pflückung eines schlechten, wiewohl nicht vielen Leuten bekannten Wiesenkräutleins, das Er uns wies: und hielt ichs für dasselbige Kräutlein, wovon der Jovis-Priester weiland, wenn er in Zeiten grosser Dürr ein einig Zweiglein in den Hagnischen Brunnen auf dem Lycäer-Berg in Arkadien warf, damit die Dünst erregt', aus welchen Dünsten dicke Wolken wurden, die dann in Regen niedergehend, den ganzen Gau nach Wunsch erfrischten. Er erfand die Künst und Mittel in der Luft den Regen zu fesseln und anzuhalten, und ihn aufs Meer zu ziehn. Erfand die Künst und Mittel den Hagel zu vernichtigen, die Wind zu dämpfen, das Wetter abzuleiten nach Art der Methanenser in Trözene.

Ein neu Malheur begab sich: Dieb' und Strauchhähn stahlen ihm Korn und Brod vom Felde weg. Er erfand die Kunst, zu sichrer Aufbewahrung und Verschluß desselben Städte, Schlösser, und feste Burgen zu erbaun. Begab sich dann, wenn er das Brod im Feld sucht' und es da nicht fand, daß man ihm sagt' es wär in den Städten, den Schlössern, den Burgen eingeschlossen, die Leut drinn schirmtens und hüthetens schärfer als der Drach die Hesperischen Aepfel. Da erfand Er euch Künst und Mittel Schlösser und Burgen einzurennen, darniederzuwerfen mit Kriegsmaschinen, Ballisten, Widdern, Katapulten und Wurfgeschütz, wovon er uns Figuren wies, wiewohl sie eben nicht sonderlich vom Ingenierbau-Jüngerchor Vitruvii verstanden worden, wie uns Messere Philebert Delorme Groß-Architekt des Königs Megisti wohl gestanden hat. Und wie dieselben, durch der Belägerten schlaue Tück und tückische Schlauheit eludiret ihm unnütz worden; da erfand Er vor kurzem noch Kanonen, Karthaunen, Serpentinen, Culverinen, Basilisken, die schossen Ballen von Eisen, Bley,[198] Erz. schwerer als grosse Amböß, mittelst einer Mischung erschrecklichen Pulvers; daß davor selbst die Natur erzittert und sich durch Kunst für besiegt erklärt hat. Der Oxydraker Sitt, die ihre Feind in offnem Feld mit Donner, Blitz, Hagel und Wetterstrahlen jählings erlegten und niederstreckten, war ihm ein Kinderspiel dagegen. Denn weit erschrecklicher, fürchterlicher und teuflischer ist, mehr Leut zerschellt, bricht, reißt, erschlägt, mehr Menschen-Sinnen betäubt, mehr Mauer stürzt darnieder ein einiger Basilisken-Schlag, als hundert Donner nimmermehr.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 196-199.
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