Ein und Zwanzigstes Kapitel.

[94] Des Sturmes Fortsetzung, nebst einem kurzen Gespräch von See-Testamenten.


Jetzt zu testiren, sprach Epistemon, jetzt, da wir, wenn wir nicht scheitern wollen, uns selbst ermannen und unsrer[94] Mannschaft beyspringen müssen, scheint mir wahrlich so übel am Ort und ungereimt, als die Gefreyten und Günstling Cäsars bey ihrem Einzug in Gallien thäten. Die verloren auch ihre Zeit mit Testament- und Codizillmachen, jammerten über ihr Schicksal, greinten um ihre Weiber und Freund in Rom, daß sie von ihnen getrennt seyn mußten, anstatt daß sie in alle Weg die Waffen ergreifen und ihrem Feind dem Ariovist begegnen sollten. Es ist die Narrheit des Kärrners der, als ihm sein Karren in einem Neubruch umgefallen, auf seinen Knie'n den Herkules um Hülf anrief, doch weder seine Ochsen antrieb, noch eine Hand an die Räder legt', ihn aufzurichten. Was hilft es euch allhie ein Testament zu machen? Entweder entkommen wir dieser Noth, oder ersaufen. Entkommen wir, so hilfts euch nichts; denn Testament treten erst mit des Testators Tod in Kraft und Ansehn. Ersaufen wir aber, ersäufts dann nicht zugleich mit uns? Wer wirds zum Executor tragen.

Irgend eine fromme Well, antwort Panurg, wird es ans Land speyn, wie den Ulysses; irgend ein Prinzeßlein wird bey schönem Wetter spazieren gehn, wirds finden, herrlich exequiren, und mir am Meeresstrand irgend ein kostbar Cenotaphium setzen lassen, wie Dido ihrem Mann Sichäus; Aeneas dem Deiphobus am Trojanischen Ufer bey Rhöteum; Andromache dem Hektor in Buthrotum; Aristoteles dem Hermias und Eubulus; die Athenienser dem Poeten Euripides; die Römer dem Drusus in Germanien, und ihrem Kaiser Alexander Severus in Gallien; Argentarius dem Kallaischer; Xenokritus der Lysidice; Timares seinem Sohn Teleutagoras, Eupolis und Aristodice ihrem Sohn Theotimus; Kallimachus dem Sopolis, des Dioclides Sohn; Onestes dem Timocles; Catull seinem Bruder; Statius seinem Vater; Germain von Brie dem Bretanischen Schiffer Hervé.[95]

Rappelts bey dir? sprach Bruder Jahn: hilf hie in fünfmalhunderttausend Billionen Schieböck voll Teufel Namen! Hilf! Daß dir der Krebs zum Schnautzbart schlag und drey Stab Pest-Schlier obendrein, da laß dir Hos und Latz draus machen. Sitzt unser Schiff fest? heiliger Gott! wie bringen wir's flott? Alle Teufel sind auch in dem Wasser auf Einen Schub los. Es kommt von uns kein Schwanz davon, oder ich geb mich allen Teufeln.

Da vernahm man einen Angstruf von Pantagruel; er rief laut und sprach: Herr, hilf uns! wir verderben. Doch geh es nicht nach unserm Rath, sondern dein heiliger Wille geschehe. – Gott und die hochgelobte Frau sey mit uns Allen! sprach Panurg; holo! hola! ich ersauf, ich ersauf. Bebebebebuu, bebebu; In manus. Ach wahrer Gott! nur einen Delphin schick mir zu, der mich an's Land trägt wie ein schönes kleines Arionlein: ich will auch die Harf recht artig spielen, wenn sie nicht aus dem Leim ist gangen.

Allen Teufeln ergeb ich mich, sprach Bruder Jahn – (Gott sey bey uns! murmelt Panurg in die Zähn) – wo ich hinkomm', und dir nicht augenscheinlich beweis daß dein Gemächt am Loch eines alten Hornkalbs und bockshornigen Heul-Hahnreys hängt. Gnau, gnau, gnau, gnau! Itzt schier dich her, alt Heulkalb! ins drey Teufels Namen, der dir in's Dach schlag; hie! hilf! Na wirds bald, Meerkalb? Pfui! pfui! wie er ausschaut der häßliche Greiner. Und du weißt auch keinen bessern Rath, mein liebs Gezerrlein? 'raus mit dir, laß dich mal bürsten wider'n Strich. Beatus vir qui non abiit. Dies weiß ich alles aussewendig. Komm her, laß die Legend mal sehn vom heiligen Monsieur Nicolas:


Horrida tempestas montem turbavit acutum.


Tempest' war ein arger Knaben-Wipper auf dem Collegio Montagu. Wenn die Schulmeister darum verdammt sind daß sie die armen kleinen Kinder, und die unschuldigen Schüler[96] wippen, so ist er, meiner höchsten Seel itzt auf Ixions Rad und wippt den Stutzhund der drinn Braten wendet. Wenn sie aber mit Kinder-Wippen seelig werden, so muß er über'n ...

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 94-97.
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