Fünf und Dreyssigstes Kapitel.

[128] Wie Pantagruel am Grimm-Eiland, dem alten Stammsitz der Würst ankam.


Die Rojer vom Laternen-Schiff zogen den Physeter im Schlepptau auf den Strand der nahen Insel Grimm-Eiland, ihn zu anatomiren und das Nierenfett auszuschneiden das, wie sie sagten, zu Curirung einer gewissen Krankheit die sie Geldmangel nannten, ganz besonders heilsam und unentbehrlich wär. Pantagruel frug nicht darnach; denn mehr dergleichen schier eben so groß, ja wohl noch ungeheurer hätt er im Gallischen Ocean gesehn. Dennoch geruhet' er ein wenig am Grimm-Eiland vor Anker zu gehn, Etlichen seiner Leut zu Lab' und Trocknung, die der garstige Physeter ganz bethaut und besaut hätt, in einer kleinen stillen Bucht gen Mittag gar schön und lustig belegen bey einem Dickigt hoher Bäum, daraus ein Bächlein süssen Wassers herrlich und silberhell herfür quoll. Da schlug man unter schönen Zelten die Küchen auf, und schont' kein Holz. Nachdem sich jedermann beliebig umgekleidet, zog Bruder Jahn das Glöcklein. Auf dieß Zeichen wurden die Tafeln gedeckt, und schnell besetzt.

Derweil nun dort Pantagruel mit seinen Leuten fröhlig schmauste, sah er, als eben der Nachtisch kam, etliche kleine kirre Würstlein auf einen hohen Baum beym Schenktisch klimmen und klettern, mäusleinstill. Frug also den Xenomanes: Was für Thier sind dieß? in Meinung es wären Eichkätzlein, Wiesel, Hermelin oder Marder. – Ey das sind Würst, antwortet' ihm Xenomanes, denn hie ist eben das Grimm-Eiland, davon ich euch heut fruh erzählt'. Seit langen Zeiten ist zwischen ihnen und dem Fastnacht, ihrem alten bösen Feind, der blutige Krieg; und glaub ich fast, die Kanonad auf den Physeter hat sie erschreckt und alarmirt, ob etwann nur gedachter Feind mit seinen Truppen im Anzug wär, sie überfallen, oder die Insel plündern wollt, wie er schon mehrmals, vergebens und mit schlechtem Gewinn probiert hat; denn es stund ihm allzeit die große Vorsicht und Wachsamkeit der Würst im Weg, die, (wie einst Dido zu des Aeneas Gefährten sprach als sie sich ohn ihr[129] Wissen und Urlaub in Karthago salviren wollten,) die Bosheit und die Nachbarschaft ihrer Feind in einem fort auf ihrer Huth und wachsam zu seyn zwang. – Ey, sprach Pantagruel, schöner Freund, wenn ihr ein redlich Mittel wißt, wie wir dem Krieg ein Ende machen und sie mitsamen versöhnen möchten, so zeigt mirs an: werd mich dafür von Herzen gern verwenden, auch nichts sparen soviel an mir ist, die strittigen Punkt auf beyden Seiten zu schlichten und zu ermässigen.

Ist vor der Hand unmöglich, antwort Xenomanes; schon vor vier Jahren als ich hier und durch Duckdich kam, ließ ich mirs angelegen seyn zwischen ihnen Frieden zu stiften, oder doch langen Waffenstillstand zum wenigsten. Und könnten längst die besten Freund und Nachbarn seyn, wenn sie sich ihres Eigensinns in einem einigen Artikel an beyden Theilen begeben hätten. Der Fastnacht wollt die wilden Schlackwürst und die gebirgischen Salsuzen ihre alten guten Gevattern und Bundsgenossen platterdings nicht mit in den Friedenstractat aufnehmen. Die Würst verlangten daß man ihnen die Festung Heringstonnenheim in ihre Gewalt gäb, wie sie schon die Sulzenburg befehligen: und daß daraus, ich weiß nicht was für altes stinkiges Banditen- und Raubgesindel so sie innhätt, verjagt sollt werden. Dieß wollt man nicht eingehn: die Bedingungen schienen dem andern Theil zu hart, und kam es also unter ihnen zu keinem Vergleich. Wiewohl von da ab ihre Fehd ein wenig milder und minder hitzig als zuvor geführet ward. Doch seit dem Bannfluch des National-Conzilii in Chesil, der sie ganz zerledert, intimirt und verlöffelt, auch den Fastnacht für einen ruppigen, kreuzlahmen Schelm und Stockfisch erklärt hat wo er mit ihnen den kleinsten Vergleich oder Umgang pflög, sind sie so krötenbitterbös, kreuzspinnefeind, furchtbar erzörnt und obstinat in ihren Herzen auf einander, daß nichts mehr anschlägt. Eher könntet ihr Katz und Mäus, Hund und Hasen zu Freunden machen.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 128-130.
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