Neun und Dreyssigstes Kapitel.

[138] Wie Bruder Jahn sich mit den Köchen wider die Würst zum Krieg verband.


Als Bruder Jahn diese wüthigen Würst so herzhaft anmarschiren sahe, sprach er zum Pantagruel: das wird einen guten Finkenkrieg geben, ich spür's schon. O des stolzen Ruhms, o des unsterblichen Ehrennamens, den dieser Sieg uns einbringen wird! Ich wollt, ihr sähet diesem Treffen aus euerm Schiff geruhig zu, und liesset mich mit meinen Leuten die Sach ausmachen. – Was für Leut? frug Pantagruel. – Brevier-Materi! antwortet' Bruder Jahn; warum ward Potiphar, der Oberkuchler des Pharao, derselbe der den Joseph kauft', dem Joseph, wenn er sonst gewollt hätt, die schönsten Hörner hätt andrehn mögen, warum ward er wohl Oberfeldmarschall der ganzen Aegyptischen Reiterey? Warum ward Nabusardan, König Nebucadnezars Kuchel-Vogt, vor allen Generälen erwählt die[138] Stadt Jerusalem zu belägern und zu zerstören? – Ich merk schon, sprach Pantagruel. – Potz Trou-Madam! rief Bruder Jahn, ich wollt wohl schwören: weil sie zuvor viel Würst erlegt, oder Leut die man nicht höher zu ästimiren pflegt als Würst, die zu bekämpfen, dämpfen, zwingen und klein zu metzeln Köch bey weitem ohn allen Vergleich bastanter und geschickter sind als alle Kriegsknecht, Söldner, Kämpen und Reisigen der ganzen Welt.

Ihr, sprach Pantagruel, erfrischt mir hiemit das Gedächtniß an das, was unter Cicero's kurzweiligen und drolligen Reden geschrieben stehet. Zu der Zeit des Römischen Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejus, war er in seinem Herzen mehr auf Seiten der Pompejanischen Partey, obschon ihn Cäsar öfters einlud und viele Gunst erwies. Einmal vernahm er daß die Pompejaner in einem Treffen grossen Verlust an Leuten erlitten. Er wollt also ihr Lager sehen. In ihrem Lager fand er die Kraft gering, den Muth noch kleiner, und viel Unordnung. Hieraus ersehend daß alles schief und bergunter gehn würd, wie auch nachmals geschahe, fing er mit scharfen und beissenden Stichelreden bald Diesen bald Jenen an aufzuziehn und zu verspotten, wie er sich dann sehr meisterlich auf den Styl verstund. Da sagten ein Paar Hauptleut die sich ein lustigs Ansehn geben wollten, als muthige gefaßte Leut: Seht ihr nicht wie viel Adler wir noch haben? – (dieß war dazumal die Römische Standart im Krieg.) – Das wär, antwortet' Cicero, ganz gut und paßlich wenn ihr Krieg mit Azeln hättet. – Weil wir also mit Würsten uns zu schlagen haben, schließt ihr daß dieß ein Küchenkrieg sey, und wollt euch mit den Köchen verbinden. Thut wie ihr denkt. Ich werd hie warten, und der Fanfaren End mit ansehn.

Itzt sporenstreichs sprang Bruder Jahn in die Küchen-Zelt und sprach gar munter und liebreich zu den Köchen: Kinder! heut helf ich euch allen zu Ruhm und Sieg: heut sollen Thaten durch euch geschehn, wie unsre Zeit noch nicht erlebt hat. Potz Bauch auf Bauch! sind tapfre Köch nicht mehr geachtet? Auf! haut mir diese Huren-Würst in Stücken. Ich will eu'r Hauptmann seyn. Getrunken, Freund![139] Sassa, Couragi! – Recht so! Herr Hauptmann! riefen die Köch; wir sind zu euerm holden Dienst. Unter euerm Commando wolln wir leben und sterben. – Leben, sprach Jahn, passirt: nicht sterben; das ist Wurst-Sach. Wohlan, itzt macht euch fertig, marsch! Nabusardan soll eure Losung seyn.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 138-140.
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