Viertes Kapitel.

[44] Wie Pantagruel seinem Vater Gargantua antwortet und ihm allerhand schöne und rare Sachen schickt.


Nach Lesung des Briefs besprach sich Pantagruel mit dem Fürschneider Malicorn von allerley, und blieb mit ihm so lang zusammen, bis Panurg ihm in die Red einfallend frug: Und wann trinket ihr? Wann trinken wir? Wann trinkt der Herr Fürschneider? Heißt dieß nicht satt parlamentirt für'n Durst? – Wohl gesprochen! antwort Pantagruel; laßt hie im Wirtshaus nebenan, zum reitenden Satyr, den Imbiß rüsten. – Unterdessen setzt' er sich und schrieb dem Boten die Depesch an den Gargantua wie folgt:


Grundgütiger Vater!


Wie bei jedem unverhofften, unvorgesehenen Ereigniß in diesem flüchtigen Erden-Leben unsre Sinne und thierische Geister gewaltsamer und lähmender erschüttert werden, (ja oft so sehr, daß drob der Leib die Seel im Stich läßt, selbst wenn dergleichen plötzliche Zeitung uns wohlgefällig und erwünscht wär) als wenn man sie zuvorbedacht und erwartet hätt: so hat mich auch die unvermuthete Erscheinung Eures Fürschneiders Malicorn höchlich erschüttert und bestürzet. Maasen ich weder Eurer Diener Einen zu sehen, noch von Euch Zeitung vor Beendigung unsrer Reis zu hören vermeint, und in der süssen Erinnerung an Eure hohe Majestät, wie sie im innersten Kämmerlein meines Hirns geschrieben, ja fest eingeprägt steht, gern verharret; mir öfters selbige in ihrer wahren und wirklichen Gestalt leibhaft fürbildend.

Weil Ihr aber durch Wohlthat Eures gnädigen Schreibens mir nun zuvorgekommen seyd und durch Beglaubigung Eures Boten mein Gemüth mit Zeitung von Euerm und Eures ganzen Königshauses Glück und Wohlseyn neu erquickt habt; thut mir itzt noth, was ich zeither freywillig thät, vorerst den höchsten Erhalter zu preisen daß Er Euch durch Seine göttliche Güt so lang bey so vollkommnem Wohlsein sparet: zweytens Euch nun und immerdar zu[45] danken für diese Eure heisse und herzinnige Lieb zu mir, Euern treuergebnen Sohn und unnützen Diener. Ein Römer namens Furnius, sprach eines Tags zum Cäsar Augustus, als er von ihm für seinen Vater, der auf Seiten des Marc- Anton gedient, Gnad und Verzeihung erhalten: Indem Du heut dies Glück mir schenkest, hast Du mich so mit Schmach bedeckt, daß ich in Leben und Tod, aus Ohnmacht der Dankbarkeit, nothwendig muß als undankbar erfunden werden. Also mag dann auch ich wohl sagen: der Ueberschwang Eurer Vaterlieb treibt mich in solche Eng und Nothdurft, daß ich werd undankbar leben und sterben müssen. Wofern mich dieser Schuld nicht die Meinung der Stoiker entbindet, die uns lehrt daß in der Wohltat drey Stück enthalten: das erst des Gebers, das zweyt des Empfängers, das dritt des Vergelters; und daß der Empfänger dem Geber die Wohltat gar wohl vergölt, wenn er sie gern annähm von ihm, und unvergänglich in treuem Gedächtniß aufbewahrt': wie gegentheils auch der Empfänger, der die Wohlthat vergäß und gering hielt, der undankbarste Mensch der Welt wär.

Ich also, überhäuft von den unendlichen Verpflichtungen die ich all Eurer grenzenlosen Huld verdank, und viel zu schwach, deren geringsten Theil zu vergelten, werd mich zum mindesten vor Schimpf dadurch verwahren, daß meinem Geist das Gedächtniß derselben nimmer entweichen, und meine Zung ohne Unterlaß bekennen und betheuern soll, Euch würdigen Dank dafür zu zollen, geh über mein Vermögen und Kraft.

Im Uebrigen, so heg ich dieß Vertrauen zur Erbarmung und dem Beystand unsers Herren, daß das End von dieser unsrer Fahrt dem guten Anfang wohl entsprechen, und alles fröhlig und gesund vollbracht wird werden. Werd auch nicht ermangeln den ganzen Verlauf der Reis in Commentarien und Tagebücher einzutragen, damit Ihr einst den treulichen Bericht davon bey unsrer Heimkunft lesen möget.

Ich hab hie einen Scythischen Taranden funden, ein fremdes Thier, und wunderbar weil es die Farb des Felles und des Haares verändert nach Unterschied der nächsten Ding. Laßt Euch denselben wohlgefallen. Er ist so handlich und leicht zu füttern, als ein Lamm. Ich send Euch deßgleichen drey junge Einhörn, kirrer und zahmer denn kleine[46] Kätzlein. Ich hab schon mit dem Boten gesprochen und ihm die Art und Weis gezeigt wie man sie halten muß. Sie weiden nicht von der Erd: ihr langes Horn an der Stirn verhinderts, und ist noth daß sie von Obstbäumen oder schicklichen Rauffen fressen, oder auch aus der Hand, Getraid, Kraut, Aepfel, Birnen, Gersten, Dinkel, kurz alle Arten Frücht und Gemüs. Mich wundert wie unsre alten Scribenten sie für so wild, unbändig und gefährlich ausschreyn, und daß man nimmer eins lebendig gesehen hätt. Geliebts Euch, mögt Ihr leicht an ihnen das Gegentheil erproben, und sehen, daß es die artigsten Thier der Welt sind, wenn man nur nicht sie böslich reizet.

Send Euch deßgleichen Achilles Leben und Thaten in schönen künstlichen Tapeten, und versprech euch fest, was ich auf unsrer ganzen Fahrt an Thieren, Pflanzen, Vögeln, Steinen nur Neues finden und kriegen möcht, mit unsers Herrgotts Hülf Euch alles mitzubringen, als Dem ich Euch in Seinen heiligen Schutz befehl.

Aus Medamothi; diesen Fünfzehnten Junii. Panurg, Bruder Jahn, Epistemon, Xenomanes, Gymnastes, Rhizotomus, Karpalim, Eusthenes grüssen, nebst unterthänigem Handkuß zu hundertfältigen Zinsen Euch wieder.

Euer

gehorsamer Sohn und Diener

Pantagruel.


Derweil Pantagruel obigen Brief schrieb, ward Malicorn von Allen festirt, gegrüßt, geherzt, gehalst, umärmelt, ja schier erdruckt: Gott ists bewußt wie schön man thät; aus allen Ecken flogen ihm Recomandos entgegen. Nachdem der Brief beschlossen war, banketiret' Pantagruel mit dem Fürschneider und verehrt' ihm eine schwere güldene Kett achthundert Thaler werth, an welcher je das siebente Glied mit großen Demanten, Rubinen, Smaragden, Türkisen und Perlen wechselweis besetzt war. Jedem seiner Schiffsleut ließ er fünfhundert Sonnenthaler reichen. Seinem Vater Gargantua schickt' er den Taranden geschmückt mit einer goldbroschierten Decken von Atlaß, nebst den Teppichen mit des Achilles Leben und Thaten, und den drey Einhörnern, bewaldrappt mit frisirtem Goldbrokat. So fuhren sie ab[47] von Medamothi, Malicorn heim zum Gargantua, Pantagruel des weitern Wegs; da er sich dann auf hohem Meer vom Epistemon die ihm durch den Boten überbrachten Bücher vorlesen ließ; von welchen ich, weil er sie artig und lustig fand, euch gern die Abschrift liefern werd, wenn ihr devotest darum einkommt.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 44-48.
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