Zwey und Vierzigstes Kapitel.

[146] Wie Pantagruel mit der Wurst-Königinn Niphleseth parlamentirt.


Wie sich das Unthier nun entfernt, und beyde Kriegsheer schweigend stunden, begehrt' Pantagruel mit der Dam Niphleseth zu parlamentiren; (so hieß man die Königinn der Würst,) die unweit der Fahnen in ihrer Kutsch saß. Ward ihm auch frey gewährt; die Dam stieg aus, grüßt' den Pantagruel freundlich, und sah ihn gern.

Pantagruel beschwert' sich über diesen Krieg; derhalb sie höflich sich entschuldigt', anführend daß ein falsch Gerücht an diesem Irrthum schuld wär, weil ihr ihre Späher gemeldet hätten daß ihr alter Erbfeind Fastnacht gelandet wär, und zum Zeitvertreib den Physetern das Wasser beschaute.

Bat ihn hierauf den Fehler ihnen großmüthigst zu verzeihn, hinsichtlich man doch in Würsten eher Dreck denn Gall fänd, unter dem Beding daß Sie und alle Niphleseths nach ihr auf ewige Zeiten, dieß ganze Reich und Eiland von Ihm und Seinen Leibeserben zu Lehn und Mundburt tragen wollten, in allen Stücken Ihm folgsam seyn, Freund seiner Freund, Feind seiner Feind; auch zu Bekenntniß solcher Lehnspflicht ihm jährlich achtundsiebzigtausend Royal-Würst senden, daß sie ihm an seiner Tafel sechs Monat lang bey der Vorkost den Dienst versehen. Wie auch geschah und Tags darauf ernannte Wurst-Zahl ungesäumt dem guten Gargantua auf sechs grossen Brigantinen verabfolgt ward, unter Geleit der jungen Niphleseth, Infantinn ihres Königreichs.[146]

Der edle Gargantua schickt' sie wieder dem grossen König von Paris zum Präsent: allein sowohl vom Wechsel der Luft, als auch aus Mangel an Senf, dem natürlichen Wurst-Erwecker und Lebensbalsam, starben fast all', und wurden, mit Gunst und auf Befehl des grossen Königs haufenweis an einen Ort in Paris begraben, der heut noch die Wurstpflasterstraß heißt. Auf Vorstellung der Damen am Hof des Königs ward die junge Niphleseth erhalten und standesmässig tractirt. Thät nach der Zeit auch eine gute reiche Heyrath, und gebahr viel schöne Kinder, da Gott für Lob sey.

Pantagruel dankt' der Königinn liebreich, erließ ihr alle Schuld, verbat sich ihr Anerbieten und verehrt' ihr ein artigs Prager Messerlein. Frug sie darauf neugierig wegen der Erscheinung des Ungeheuers. Sie antwort ihm, dieß wär das Urbild Karnevals ihres Schutzpatrons in Kriegszeiten, ersten Stifters und Ahnherrn der gesammten Wurst-Raß. Darum glich er auch einem Schwein, weil Würst vom Schwein abkünftig wären. Pantagruel frug sie, zu was End, oder nach welcher Cur-Method er so viel Senf zur Erd geworfen. Die Königin antwortet' ihm, Senf wär ihr Himmels-Elixir und heiliger Graal; sowie man nur davon ein wenig in die Wunden der zu Boden geschmetterten Würst thät, über ein kleines heilten die Verstümmelten und die Todten erstünden.

Weitere Reden pflog Pantagruel keine mit der Königinn, und begab sich auf sein Schiff zurück. Deßgleichen auch die andern guten Gesellen mit ihrer Sau und Waffen.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 146-147.
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