Des Authors Prologus.

[177] Sehr treffliche und mannhaftige Degen, edle freye gestrenge Herren und all ihr andern die ihr euch gern jedweder Anmuth und Tugend befleisigt: ihr laset, aset und ermaaset unlängst die grosse unschätzbare Chronik des ungeheuren Riesen Gargantua, und habt als wahre Gläubige daran so steif und fest geglaubt als an ein heiligs Evangelium oder unfehlbaren Bibeltext; auch manchmal euch die Zeit damit nebst den ehrsamen Frauen und Fräulein vertrieben, wann ihr ihnen, just müssig, daraus fein lange und schöne Geschichten erzähltet. Derhalben gebühret euch denn groß Lob und ein unsterblichs Ehrengedächtniß. Und wenn es meinem Willen nachging, sollt sich ein Jeder seiner besondern Geschäft entschlagen, um sein Gewerb nichts kümmern, all sein sieben Sachen gar aus dem Sinn thun, um lediglich hierinn zu leben mit äusserlich ganz unzerstreuten gesamelten Sinnen, bis mans zuletzt auswendig wüßt. Daß, wenn die Kunst zu Drucken etwann durch Zufall abkäm, oder künftig die Bücher all zu Grunde gingen, ein Jeder es seinen Kindern haarklein einlernen möcht und von Hand zu Hand auf Erben und Nachfahren weiter pflanzen, wie eine heilige Kabbala. Denn es ist weit mehr Furcht darinn als sich ein ganzer Haufen grober Hachen und Grindköpf träumen läßt, die von diesen kleinen Fröhligkeiten viel[177] weniger verstehn als Raclet vom Institut. Ich hab wohl manche hohe, gebietende Herrn gekannt die, wenn sie auf die grosse Thierhatz oder Entenbaitz ausritten und sich begab daß sich das Wild nicht auf dem Bruch betreten ließ, oder der Falk irr ward und ihnen der Vogel vor ihren Augen entging, waren sie wohl wie ihr leicht einseht, unwirsch genug: doch ihre Hülf und Zuflucht gegen Erkältung einstweilen war dann die Recapitulation der unschätzbaren Thaten unsers Gargantua. Andre sind auf der Welt (und dieß sind keine Flausen) die vom Zahnweh hart geplagt ihr ganz Vermögen ohn allen Nutzen an die Aerzt und Baader schon verschwendet hatten; sie haben kein kräftiger Mittel erfunden als vorernannte unsre Chronik säuberlich zwischen zween warmen Läpplein auf die schmerzhafte Stell gelegt, mit etwas Güldenpulver besinapt. Aber was soll ich erst von den armen Gichtbrüchigen und Venerischen sagen? O wie oftmals haben wir sie gesehen wenn man sie eben gesalbt und über und über eingeschmiert hätt daß ihnen die Gesichter wie Schlösser an einem Fleisch-Scharren leuchteten, und die Zähn im Halse klappten wie ein Spinett oder Orgelklavier wenn man drauf spielt, und ihnen der Schaum vorm Mund stand wie einem Eber den der Brack im Garne zaust! Was thätens dann? Ihr einziger Trost war, eine Seit aus obigem Buch verlesen hören. Und haben ihrer darunter gesehen die sich zu hundert Pipen voll steinalter Teufel verschworen haben, wo sie aus Lesung dieses Buchs nicht merkliche Schmerzenslinderung schöpften wenn man sie eben in Limbo hielt. Nicht mehr noch minder als die Weiber in Kindesnöthen, wann man ihnen das Leben der heiligen Margret vorliest. Ist dieß ein Kleines? Zeiget mir in welcher Facultät, Sprach oder Wissenschaft ihr wollt das Buch, das solche Tugend, Eigenschaft oder Fürzug hätt, und ich zahl die Darm-Schwemm. Nein, nein, ihr Herrn, es ist unvergleichlich, ohn Beyspiel, hat seines Gleichen nicht. Ich behaupts bis zum Feuer [178] exclusive. Und die es etwann leugnen wollten, soll man für Lästrer, Prädestinirer, Betrüger und Leutebescheisser halten. Zwar find man schon noch in etlichen Büchern vom hohen Pferd, gewisse verborgne Proprietäten und Eigenschaften, darunter zu rechnen: Stürzebecher, der rasende Roland, Robert der Teufel, Fierabras, Wilhelm ohn Furcht, Huon von Bourdeaulx, Monteville, Matabrune: aber sie kommen diesem nicht bey, von dem wir hie reden. Auch hat die Welt durch unumstößliche Erfahrung den großen Gewinn und Nutzen erkannt, der ihr aus dieser Gargantua's-Chronik erwachsen ist: denn die Buchdrucker haben in zween Monden mehr davon verkauft als man neun Jahr lang wird Bibeln kaufen. Derhalb ich dann (als euer unterthäniger Sklav) auf Mehrung eurer Kurzweil bedacht, anitzo euch ein ander Buch von gleichem Schrot und Muster darbring, nur daß es noch etwas manierlicher und glaubhafter ausfallen wird denn jenes. Denn denkt nur nicht (wo ihr nicht gar mit Vorsatz irren wollt) ich spräch davon wie die Juden vom Gesetz. Bin unter solchem Stern nicht geboren: und ist mir noch nimmer arrivirt daß ich je gelogen oder ichtes das nicht streng wahr wär, betheuert hätt. Agentes et consentientes, ist zu sagen: wer kein Gewissen hat, der hat gar nix. Ich bericht davon wir ein lustiger Onokrotalus, wollt sagen wie ein Podromus der verliebten Martyr, und Noth-Notarius ihrer Liebesnoth. Ich schreib wie Sankt Johann von der Apokalyps, quod vidimus testamur: nämlich, von den erschrecklichen Heldenthaten und Ebentheuern Pantagruels, dem ich seit ich die Kinderschuh vertreten hab bis diese Stund um Lohn gedienet; da ich dann mit seinem[179] Urlaub einen Rutsch in mein Küh-Land auf Besuch gemacht hab, mich umzuschauen wer noch etwann von meinen Leuten das Leben hätt. Drum, diesem Fürwort ein End zu machen: gleichwie ich mich zu meinem Theil mit Leib und Seel, mit Darm und Dung in hunderttausend Spraukorb voll ansehnlicher Teufel wünsch wo auch nur ein einig Wort in der ganzen Geschicht erlogen ist: so baitz Euch wieder Sankt Tönigs Feuer, Sankt Asmus Haspel zerwirr euch die Därm, der Klamm, der Wolf schlag euch zu Leib, Blutscheiß, und Fiekbohn, rickrack zu! so dicht wie Haar an einer Kuh gepfeffert mit Quecksilber fahr euch in den Hintern immerdar, und müsset wie Sodom und Gomorrha in Feuer und Schwefel zum Abgrund gehn, wo ihr nicht festiglich alles glaubet was ich in gegenwärtiger Chronik euch nach der Reih berichten werd.


Zehn-Reim

[180] des Authors fröhligem Geist zu Ehren neu gestellet.


Fünfhundert Zehn-Reim, tausend Dreh-

Und Wirbelsang-Rouladen

Anmuthig wohl gerathen

Von Marot oder Saingelais,

Ohn Säumen baar erlegt in Näh

Und Beyseyn der Dryaden,

Hymniden Dreaden,

Bezahlten nicht, noch Pantalais

Mit ganzen Ballen von Balladen

Den muntern klugen Rabelais.[181]

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 177-182.
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