Drey und Dreyssigstes Kapitel.

[317] Von des Pantagruels Krankheit, und welchergestalt er curiert ward.


Nicht lange Zeit darauf erkrankt' der gute Pantagruel, und befiel ihn ein so gewaltiges Magendrücken, daß er weder essen noch trinken konnt. Und, wie ein Unglück nimmer allein kommt, schlug auch noch ein hitziger Seich dazu, der ihn mehr qüalt' als man denken sollte. Seine Leibärzt aber sprangen ihm treulich bey, und gaben ihm so viele diuretische Specis und Lenitiva einzunehmen, bis er endlich sein Uebel abschlug. Sein Harn war so hitzig, daß er seitdem bis diesen Tag noch nicht verkühlt ist, wie ihr in Frankreich an mehren Orten noch sehn könnt, je nachdem er den Lauf nahm; und nennt man es die heissen Bäder als:

Zu Coderets,

Zu Limous,[317]

Zu Dast,

Zu Balleruc,

Zu Neric,

Zu Bourbonnensy, und anderwärts.

In Welschland:

Zu Monte Grot,

Zu Appone,

Zu Santo Petro di Padua,

Zu Sanct Helena,

Zu Casa Nuova,

Zu Santo Bartolomeo.

In der Grafschaft Boulogne:

Zu La Porrette, und tausend andern Orten mehr.

Und wunder mich baß wie ein ganzer Haufen thörigter Aerzt und Philosophen sich für die lange Weil drum zanken und streiten können, woher die Hitz sothaner Wasser wohl kommen möcht, ob vom Salpeter, Schwefel, Borax, oder Alaun der etwann im Berg stäk? Denn es sind doch nur faule Fisch und Kindereyen, und wär ihnen besser ein Distel im Arß, da wisch dich dran, als daß sie so ihr Zeit und Weil mit Schwätzen um ein Ding verthun, davon sie doch die Ursach nicht wissen. Denn der Bescheid drauf ist ganz leicht, und darfs nicht weiter viel Grübelns drüber. Ermelde Bäder sind darum heiß, weil sie von einem heissen Seich des guten Pantagruel kommen sind.

Itzt, daß ich euch nun weiter erzähl wie er von seinem Hauptmalheur curiret ward, laß ich bei Seit wie er in einem gelinden Purganz einnahm: vier Zentner colophonisch Scammonium, hundertachtunddreyssig Karrnlasten Cassia, eilftausendneunhundert Pfund Rhabarber, des andern Gesöffs nicht zu gedenken: denn ihr müßt wissen daß auf den Rath der Aerzt verfügt ward, ihm das was ihn im Magen druckt', herauszulangen. Zu dem End trieb man aus Kupfer siebzehn große Thurnknöpf, grösser als der zu Rom auf des[318] Virgilus Obelisken, und waren dergestalt gemacht, daß man sie in der Mitten konnt durch ein Charnier auseinanderschlagen. In einen dieser stieg ein Lakai von ihm mit einer brennenden Fackel und einer Latern, und so verschlang ihn Pantagruel wie eine kleine Pill. In fünf andre fünf starke Knecht, ein jeder mit einer Spitzhau um den Hals. In drey andre wiederum drey Bauern mit Schaufeln um die Häls. In sieben andre stiegen sieben Ballenbinder, jeder mit einem Korb am Hals, und wurden also wie Pillen verschluckt. Sobald sie nun im Magen waren, druckt' ein Jeder an seinem Charnier und krochen aus ihren Hütten herfür, der mit der Latern vorauf. Da fielen sie tiefer denn einer halben Meil in einen erschrecklichen Abgrund hinunter, fauler und giftiger als Mephitis oder der Camarinische Pfuhl, ja selbst als der Sorbonische Stink-See von welchem Strabo geschrieben hat. Und hätten sie sich nicht Magen, Brust und Weinpot (alias Nüschel geheissen) aufs best verantidotirt gehabt, sie wären in diesem gräulichen Brodem all miteinander erstickt und verkommen. Hu! welch ein Weihrauch! Welch Gedüft für die galanten Jüngferlein zur Parfümirung der Nasen-Lärvel! Darauf kamen sie tastend und schnopernd, der fäcalischen Materi und faulen Humoribus näher, und stiessen zu letzt auf einen Berg Endelich von eitel Schund: da schlugen dann die Pionirer mit ihren Hacken frisch ein, und schürftens los; die Andern luden es mit ihren Schaufeln in die Körb, und wie nun alles wohl ausgefegt und gesäubert war, schlupft' jeder wieder in seinen Knopf. Pantagruel, als dieß vollbracht war, zwang sich zum Kotzen, und gab sie also leicht wieder von sich; denn sie druckten ihn just nicht mehr in seinem Hals als euch etwann ein Furz in euerm. Und stiegen allda ganz wohlgemuth aus ihren Pillen zu Tag: mir däucht', ich säh die Griechen aus ihrem Gaul in Troja schlupfen. Und durch dieß Mittel ward er dann gänzlich wieder gesund, und zu vorigem Wohlseyn hergestellt. Auch von den kupfernen Pillen könnt ihr itzund noch ein' in Orleans sehen auf dem Münster zum heiligen Kreuz.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 317-319.
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