Geheime Nachricht von D.J. Swifts letztem Willen.

[95] Mylord!


Ich bin seither nicht im stande gewesen, Ihnen die verlangte Nachricht von einigen besonderen Umständen des swiftischen Testaments zu geben. Nunmehr habe ich Gelegenheit gefunden, von allem nähere Nachricht einzuziehen, und ich hoffe, Ihre Neugier dadurch befriedigen zu können.

Es ist allerdings wahr, daß unser Swift zwölftausend Pfund Sterling zur Errichtung eines neuen Tollhauses ausgesetzt hat. Die Nachricht von diesem löblichen Vorhaben war schon vor seinem Tode bekannt. Aber die meisten machten sich, wie auch Sie, Mylord, selbst gethan haben, unrichtige Begriffe von dieser mildreichen Stiftung. Sie glaubten, dieses Geld sei zur Verwahrung und zum Unterhalte physikalischer Nerven bestimmt, welche klug sein würden, wenn ihr Körper nicht ungesund und ihr Geblüt nicht verderbt wäre. Allein hierin betrog sich unsere ganze Stadt.

Swift, dessen Charakter Sie wohl gekannt haben müssen, beschäftigte sich in seinem Leben niemals mit dieser Art leiblicher Narren, welche er vielmehr der Vorsorge des Magistrats und den Händen der Ärzte und Barbierer überließ. Seine Bemühung war von einem viel weiteren Umfange und weit edler.

Die moralischen Narren lagen ihm am Herzen – Narren, welche oftmals bei gesundem Körper dennoch die gefährlichsten und ansteckendsten Krankheiten haben.

Seine Dienstfertigkeit erstreckte sich über ganz Großbritannien, und er hatte Lords und Schreiber in seiner Kur. Durch eine vieljährige Erfahrung war ihm bekannt, daß es mit der moralischen Narrheit eben die Beschaffenheit habe, wie mit dem Podagra, von dem vornehme Leute am meisten geplagt sind, Leute geringern Standes aber nur selten oder doch wenigstens nicht heftig befallen werden.

Vor etlichen Jahren that man ihm so vorteilhafte Vorschläge, daß er sich zu Westminster niederlassen und seine Kuren daselbst treiben sollte. Er hat es aber allemal auszuschlagen gesucht, weil er glaubte, er sei dieser weitläufigen Arbeit nicht gewachsen und die Narren daselbst seien viel zu zahlreich, als daß er sie in die Kur nehmen könnte. In[96] Dublin gefiel es ihm am besten, weil daselbst so viel Narren waren, als er bestreiten konnte. Indessen war er doch so billig, daß er Westminster und London von Haus aus mit, Rezepten versorgte ...

Das Kodizill, welches man versiegelt in seinem Pult gefunden, enthält die Namen derjenigen Personen, welche Swift vor anderen für würdig hält, in seinem neuen Tollhause zu wohnen. Er hat das Parlament ersucht, sein Testament zur Vollziehung zu bringen. Man ist jetzt damit beschäftigt ... (Hier folgen in der Rabenerschen Satire die Namen der Lords, Philosophen etc., die Swift angeblich bedacht). Am Schlusse heißt es unter anderem:

Vor allen andern, die in mein Tollhaus gehören, sollen die Irländer den Vorzug haben. Nach ihnen folgen unmittelbar die Briten. Für die Deutschen soll man einen besondern Flügel bauen, und die Sachsen sollen (als unsre alten Landsleute) zuerst untergebracht werden ...

Der Riß zu dem Seitengebäude ist schon gemacht, welches für die Deutschen bestimmt ist. Um sich bei diesem Volke ein größeres Vertrauen zu erwerben, hat man ihn von einem Franzosen verfertigen lassen, und die Aufführung des Baues soll auch an einen Franzosen verdungen – kurz, alles französisch werden. Ich habe hier etliche Deutsche gesprochen, welche darüber sehr vergnügt sind. Die Vorsorge des Parlaments geht noch weiter. Es ist ein Projekt gemacht worden, wodurch, man im stande zu sein hofft, eine große Anzahl dieses Volks unterzubringen ... Diejenigen (deutschen) Gelehrten, welche das Ansehen haben wollten, weit klüger zu sein als andere, tragen zehn und mehr Reichsthaler zu dieser Stiftung bei ... Die Namen dieser Subskribenten sollen gedruckt werden, und niemand soll alsdann bei schwerer Strafe befugt sein, an ihrer Klugheit im geringsten zu zweifeln ... Die größten Narren werden zwar am meisten dazu beisteuern, um recht klug zu scheinen, aber es thut nichts. Es ist doch wenigstens dazu gut, daß sie auf solche Art ihre Kollegen ernähren helfen. Man giebt sich von seiten Frankreichs viel Mühe, daß die dasigen Narren auch aufgenommen sein möchten ... [aber] unsere Nation ist durch gegenwärtigen Krieg ziemlichermaßen erschöpft und daher nicht im stande, eine so ungeheure Menge französischer Narren zu unterhalten.


Dublin am 10./21. März 1746.


Richard d'Urfey Esquire.[97]

Quelle:
Rabeners Werke. Halle a.d.S. [1888], S. 95-98.
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