Zwölfter Auftritt


[347] Voriger. Lischen tritt furchtsam ein.


LISCHEN. Was befehlen Euer Gnaden?

RAPPELKOPF immer barsch. Ich hab etwas zu reden mit Ihr.

LISCHEN erschrickt. Mit mir? Beiseite. Nun das wird eine schöne Konversation werden. Was er schon für Augen macht!

RAPPELKOPF beiseite. Ich werd alle möglichen Feinheiten gebrauchen. Roh. Da geh Sie her! Lischen nähert sich verzagt.[347] Rappelkopf betrachtet sie verächtlich vom Kopf bis zu den Füßen. Infame Person!

LISCHEN. Aber Euer Gnaden –

RAPPELKOPF. Was Gnaden – nichts Gnaden – schweig Sie still und antwort Sie.

LISCHEN. Das kann ich ja nicht zugleich.

RAPPELKOPF. Sie kann alles. Es gibt keinen Betrug, der Ihr nicht möglich wäre. Sie ist eine Mosaik aus allen Falschheiten zusammengesetzt. Beiseite. Ich muß mich zurückhalten, damit ich nur nicht unhöflich mit ihr bin.

LISCHEN empört. Aber wer wird sich denn solche Impertinenzen sagen lassen?

RAPPELKOPF heftig. Sie, Sie wird s' sich sagen lassen. Und wird keinen Laut von sich geben. Was hat Sie für eine Betrügerei vorgehabt? Sie will mich bestehlen?

LISCHEN. Nein!

RAPPELKOPF. Was denn?

LISCHEN. Ich will mich empfehlen.


Will fort.


RAPPELKOPF nimmt ein ungeladenes Jagdgewehr. Nicht von der Stelle, oder ich schieß Sie nieder!

LISCHEN schreit. Hülfe, Hülfe!

RAPPELKOPF. Nicht mucksen! Antwort! Warum hat Sie so verdächtig herumgesehen? Was ist im Werk?

LISCHEN. Himmel, wenn es losgeht!

RAPPELKOPF. Nutzt nichts! losgehn muß etwas, entweder Ihr Maul oder die Flinten.

LISCHEN. Ach, was soll ich denn mein Leben riskieren! Kniet nieder. Lieber gnädiger Herr, ich will alles bekennen.

RAPPELKOPF. Endlich kommts an den Tag. Himmel, tu dich auf!

LISCHEN. Ich habe gelauscht, ob das Fräulein nicht aus dem Alpental zurückkömmt, die gnädge Frau hat mich ausgezankt, weil ich nicht bei ihr geblieben bin, da sie ihren Liebhaber erwartet, der heute ankommt. Die gnädige Frau ist mit ihr einverstanden, doch weil sie mich so mißhandelt hat, so verrate ich sie.

RAPPELKOPF. Entsetzlicher Betrug! O falsche Niobe! Und[348] Sie niedrigdenkende Person, Sie wagt es, Ihre Frau zu verraten – der Sie so viel Dank schuldig ist? O Menschen, Menschen! Ausgeartetes Geschlecht! Aus meinen Augen geh Sie mir, Sie undankbare Kreatur, ich will nie mehr etwas von Ihr wissen.

LISCHEN. Aber was hätt ich denn tun sollen?

RAPPELKOPF. Schweigen hätt Sie sollen.

LISCHEN. Aber Euer Gnaden hätten mich ja erschossen.

RAPPELKOPF. Ist nicht wahr. Es ist nicht geladen. Betrug für Betrug.

LISCHEN. So, also hätt ich diese Angst umsonst ausgestanden? Das ist abscheulich.

RAPPELKOPF. Nein, nicht umsonst. Du Krokodil von einem Stubenmädel – du sollst eine Menge dafür haben: meine Verachtung, meinen Haß, meinen Schimpf, meine Verfolgung und deinen Lohn. Wirft ihr einen Beutel vor die Füße. Nimms und geh aus meinem Haus. Mach dich zahlhaft, oder ich zahl dich auf eine andre Art aus. So nimms, warum nimmst du es denn nicht?

LISCHEN. Oh, ich werds schon nehmen. Denkt nach. Gnädger Herr!

RAPPELKOPF. Was denkst denn nach, du Viper? Nimms und ruf mir deine Frau.

LISCHEN schnell auf die Gartentür deutend. Dort ist sie ja!

RAPPELKOPF schießt schnell gegen die Gartentür. Wo ist sie? Wo? Her mit ihr.

LISCHEN hebt schnell den Beutel auf. Das ist ein alter Narr! Läuft schnell ab.

RAPPELKOPF sieht ihr nach. Hat ihn schon! O ihr Welten, stürzt zusammen, dieses weibliche Insekt wagt es, mich zum besten zu halten! O Rappelkopf! Wie falsch diese Menschen mit mir sind, und ich bin so gut mit ihnen! Ha! Dort kommt mein Weib, entsetzlicher Anblick – meine Haar sträuben sich empor, ich muß aussehen wie eine Stachelschwein.[349]


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 347-350.
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