Erster Auftritt


[377] Thronsaal im Eispalaste des Astragalus, mit hohen Säulen geziert, die silberartig erglänzen. Im Vordergrunde ein hoher Thron von pittoreskem Aussehen, als wäre er aus unregelmäßigem Eis geformt. Auf ihm Astragalus als Alpenkönig. Eine lange lichtblaue weißgestickte Tunika, weiten griechischen Mantel. Weißen Bart, auf dem Haupte eine smaragdene Krone. Vor ihm knien im Kreise ideal gekleidete Alpengeister. Weiße kurze Tunika, mit grünen Folioblättern garniert.

Chor.


Hehr zu schauen auf dem Throne

Bist du, Fürst der Alpenflur,

Denn dich schmückt der Tugend Krone,

Du vertilgst des Lasters Spur.

ASTRAGALUS steht auf und spricht.

Auf des Thrones eisgen Stufen

Horcht ich gern nach eurem Chor.

Doch laßt uns den Fremdling rufen,

Denn die Zeit tritt mahnend vor.

ALPANOR.

Lange steht er schon bereitet

In der Halle vor dem Saal.

Auch ist er schon angekleidet,

Wie dein Wink es uns befahl.

ASTRAGALUS.

Höhnt ihn aus, wenn er erscheint.


Rappelkopf in einem drapfarben Reiseüberrock, gleichen Kamaschen mit silbernen Knöpfen, schwarzem Haar, etwas hoher Stirne, wird hereingebracht.


EIN ALPENGEIST.

Fürst, hier ist der Menschenfeind.


Alle lachen.


RAPPELKOPF.

Nun? Was ist da Spassigs dran?[377]

ALPANOR.

Weißt du wohl, warum sie lachen?

Unter einem Menschenfeind

Dachten sie sich einen Drachen,

Der als grimmer Ries erscheint.

Und nun sehn sie einen Zwergen,

Wer soll 's Lachen da verbergen?

Von dem Unsinn mußt du lassen,

Freund, das ist ja ganz verkehrt.

Du willst alle andern hassen?

Und bist selber nicht viel wert.

RAPPELKOPF. Versteht sich. Du wirst mir sagen, was ich zu tun hab. Für sich. Verdammtes Hexenvolk!

ASTRAGALUS. Du bist die Wette mit mir eingegangen, du wollest dein Gemüt in edleres verkehren, wenn du die Fehler deines jetzigen erkennst.

RAPPELKOPF. Das hab ich gsagt im Angesichte von vier Zeugen: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Nun gib mir Überzeugung, oder laß mir Ruh in meinem Wald.

ASTRAGALUS. So hör mich an. Damit du kannst in solchem Seelenspiegel schauen, so will ich deinen Geist aus deinem Leib entführen und ihn in eines neuerschaffnen Körpers Haus verbannen.

RAPPELKOPF. Das will sagen, mein Geist wird von einer Bouteille in die andere hinübergefüllt, das ist schon nichts, da kann schon eine Spitzbüberei geschehen, bei dieser Füllung muß ich dabei sein. Da kann er ausrauchen, oder verwechselt werden. Ich traue niemand mehr.

ASTRAGALUS. Er wird es nicht. Ich schwör es bei des Chimborassos einsgekröntem Haupte. Du wirst dein Denken, Wollen, Handeln, Fühlen genau in eines andern Bild erblicken.

RAPPELKOPF. Und was gschieht dann mit mir, geh ich so ohne Seel herum, oder bekomm ich wo eine andere zu leihen?

ASTRAGALUS. Du wirst als Bruder deiner Frau erscheinen.

RAPPELKOPF. Diese Verwandtschaft hätt ich mir nie träumen lassen.[378]

ASTRAGALUS. Doch ganz die Kraft der eigenen Gesinnungen behalten.

RAPPELKOPF. Das heißt, ich werde aussehn wie mein Schwager und denken, was ich will.

ASTRAGALUS. So ists. Dadurch kannst du dich überzeugen, wie gegen dich dein Weib, dein Kind und der von dir gehaßte Maler denken. Doch daß du auch an deinem Ebenbild den höchsten Anteil nimmst und dich in ihm genau ergründest und betrachtest, so hängt dein künftig Schicksal ganz von dem freien Handeln dieses Doppelgängers ab. Und was zu deinem Nutzen oder Nachteil wird durch ihn in deinem Haus geschehn, das wird, wenn er verschwindet, unveränderlich dir bleiben.

RAPPELKOPF. Also wenn er mir mein Haus verkauft, kann ich nachher auf der Straße wohnen? Ah, das ist eine schöne Einquartierung.

ASTRAGALUS. Auch ist dein Leben selbst an seines festgebunden, und wenn er es verliert, solang er statt dir lebt, stirbst du mit ihm und wirst durch ihn erkranken auch, wenn es der Zufall fügt, daß ihm ein bös Geschick Gesundheit raubt.

RAPPELKOPF. Zwei Menschen und nur ein Leben! Jetzt fangt sogar die Natur zum ökonomisiern an. Da hats der Tod kommod, der nimmt s' gleich Paar und Paar. Nun gut, so laß denn sehen, was deine Taschenspielerei vermag. Der Prozeß ist eingeleitet. Ein unendlich verwickelter Fall, der wird in hundert Jahren nicht aus. Also was gschieht denn jetzt? Hab ich noch meinen Geist, oder hat ihn schon ein anderer? Bin ich schon mein Schwager, oder bin ich noch der Schwager meines Schwagers?

ASTRAGALUS. Es wird dich jeder für den Bruder deines Weibs erkennen. Darum hab ich in deinem Äußern dich gestaltet so wie ihn. Ihr Alpengeister, führt ihn fort und bringt ihn an des Berges Fuß. Dort werdet ihr ein leichtberädert Fahrwerk finden, zwei rüstge Maultier vorgespannt, mit Staub bedeckt, als kämen sie von weiter Reise aus dem Land der welschen Glut. Sie bringen schnell ihn vor sein[379] Schloß, dort werde seinem Übermut Beschämung, Überzeugung, Strafe.

RAPPELKOPF. Nun gut, so will ich dies Asyl der Falschheit noch einmal betreten. Ich geh und übergeb dir meinen Geist, von dem ich weiß, daß er so wenig Fehler hat, als die Donau Linienschiffe trägt, als Eicheln auf dem Kirschbaum wachsen und blondes Haar in deinem grauen Bart.


Ab mit den Alpengeistern, nur Alpanor bleibt zurück.


ASTRAGALUS. Sein Starrsinn ists, der mich zu festen Hoffnungen berechtigt, denn hat er sich erkannt, wird ihn mit gleicher Heftigkeit der Trieb zur Besserung erfassen, als seine kräftge Phantasie den Wahn des Hasses jetzt umklammert hält. Alpanor! Hast du den Bruder seines Weibs zurückgehalten, daß er nicht heute morgens schon von seiner Reise in des Menschenfeindes Schloß eintrifft?

ALPANOR. Es geschieht in diesem Augenblick. Der Alpengeist Linarius leitet seiner Pferde Zügel und setzt ihn aus in einer wüsten Felsengegend, so lang, bis, großer Alpenkönig, du die Ankunft ihm erlaubst.

ASTRAGALUS.

Und ich will scheinbar mich in ihn verwandeln


Er verwandelt sich in Rappelkopfs Gestalt in seiner ersten Kleidung.


Und so durch Trug zu seinem Besten handeln.

Wie auf des Schlosses Dache die metallne Spitze

Das Haus bewahret vor der Wut der Blitze,

Will ich den Haß, den er sich gen die Welt erlaubt,

Herniederleiten auf sein eignes Haupt.

Dort mag die Donnerwolke sich entleeren

Und Glut durch Glut hellflammend sich verzehren,

Bis aus der Asche wird zum neuen Leben

Die Liebe gleich dem Phönix sich erheben.


Beide ab.[380]


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 377-381.
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