Siebenter Auftritt


[391] Voriger. Lischen.


LISCHEN. Die gnädige Frau läßt fragen, ob Euer Gnaden eine Tasse Tee befehlen.

RAPPELKOPF. Ich danke. Für sich. Die werd ich auch in die Kur nehmen. Laut. Was macht meine Schwester?

LISCHEN. Sie ist sehr betrübt.

RAPPELKOPF. Weswegen?

LISCHEN. Unseres gnädigen Herrn wegen.

RAPPELKOPF. Wegen mir?

LISCHEN. Ah, wegen Ihnen nicht.

RAPPELKOPF faßt sich. Ja so. Für sich. Die kennt mich auch nicht. Laut. Und was macht meine Nichte?

LISCHEN. Sie spricht mit ihrem Bräutigam.

RAPPELKOPF für sich. Himmel und Hölle! Faßt sich. Laut. Was ist denn das für ein Mensch?

LISCHEN. Ein sehr liebenswürdiger Mensch.

RAPPELKOPF. Was heißt das, macht er Ihr auch die Cour?

LISCHEN. Nun, das wäre der Wahre, er wagt es ja kaum, ein anderes Mädchen anzusehen. Das wird ein handfester Pantoffelritter werden. Ich glaube, er hat mir bloß darum noch keinen Heller zum Geschenke gemacht, damit er nur meine Hand nicht berühren darf. Er und mein Fräulein taugen ganz zusammen, und es ist himmelschreiend, daß der gnädge Herr seine Einwilligung nicht gibt.

RAPPELKOPF rasch. Da hat er recht, wenn er sie nicht gibt. Der junge Mensch hat keine Achtung vor ihn.

LISCHEN. Ei bewahre, er schätzt ihn weit mehr – verzeihen Euer Gnaden, wenn ich so von Ihren Herrn Schwager spreche – aber weit mehr, als er es verdient.

RAPPELKOPF für sich. Es ist, als ob sie sich alle verschworen hätten wider mich. Geduld, verlasse mich nicht! Laut. Ich will Ihr etwas schenken, aber sag Sie mir in der größten Geschwindigkeit alle üblen Eigenschaften Ihres Herrn.

LISCHEN. In einer Geschwindigkeit, das ist ohnmöglich, gnädger Herr.[391]

RAPPELKOPF. Warum nicht?

LISCHEN. Weil, wenn ich jetzt diesen Augenblick anfange, ich morgen früh noch nicht fertig bin.

RAPPELKOPF. Wo ich nur die Geduld hernehme, das alles anzuhören!

LISCHEN. Es ist schon genug, daß er ein Menschenfeind ist. Ich begreife gar nicht, wie man bei einem so großen Vermögen, einer gutmütigen Frau, einer wohlerzogenen Tochter und einem so hübschen Stubenmädchen ein Menschenfeind sein kann.


Lied


Ach, die Welt ist gar so freundlich

Und das Leben ist so schön.

Darum soll der Mensch nicht feindlich

Seinem Glück entgegenstehn.

Alles sucht sich zu gefallen,

Liebend ist die Welt vereint,

Und das Häßlichste von allen

Ist gewiß ein Menschenfeind.

Heitrer Sinn nur kann beglücken,

Nur die Freude hebt die Brust,

Nur die Liebe bringt Entzücken,

Und der Haß zerstört die Lust.

Doch wenn alle sich erfreun

Und der Stern des Frohsinns scheint,

Sitzt im düstern Wald allein

Drauß der finstre Menschenfeind.

Sieht man nur die goldne Sonne,

Wenn sie auf am Himmel steigt,

Wie sie schon mit holder Wonne

Allen Wesen ist geneigt:

Dann kann man die Welt nicht hassen,

Die 's im Grund nicht böse meint,

Man muß nur die Lieb nicht lassen,

Wird man nie zum Menschenfeind.


Ab.[392]


RAPPELKOPF allein. Schrecklich! Muß ich mich auch noch ansingen lassen! Das sind Beleidigungen nach den Noten, und ich darf den Takt nicht dazu schlagen. Und alles bleibt auf einem Wort! Wer kommt?


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 391-393.
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