An meinen Freund Alxinger

[283] Linz im Heumond 1787.


Nihil mihi nunc seito tam deesse, quam hominem eum, quocum omnia, quae me cura aliqua afficiunt, vna communicem, qui me amet, qui sapiat, quicum ego colloquar, nihil fingam, nihil dissimulem, nihil obtegam.

Cicero.


Kein Gut, und wenn es auch das summum bonum ist,

Wird nach Verdienst geehrt, so lang man es geniesst:

Erst, wenn es uns den Rücken kehrte,

Erst dann schätzt man's nach seinem wahren Werthe.
[284]

Vergieb mir (falls dein Ohr, o Theuerster! den Witz,

Der, Flammen gleich, aus deinem Munde lodert,

Auch von den Lippen andrer fodert)

Wenn meines Briefes Frontispitz

Vermuthlich dich durch diesen längstbekannten

Gemeinsatz gähnen macht, der in den Folianten

Der steifen Moralistenschaar

Schon hundertmal der Motten Speise war!

Alt ist das Sprüchlein zwar, und tüchtig

Genug durchdroschen, Freund! doch seit mir das Geschick

Jüngst, wie ich hoffen will, nur deines Umgangs Glück,

Nicht auch dein Herz entzog, ward es mir neu und wichtig.


Ich fühle nun, geliebter Pylades!

Mit banger Sehnsucht fühl' ich es,

Was du mir warst, und bist, wie sehr ich dich vermisse.[285]

Oft seit dem letzten unsrer Küsse

Gedenk' ich, wenn mein Blick beym Glanz des Hesperus

Mit stillem Neid zu euch den stolzen Isterfluss

Hinunter eilen sieht, der frohen Abendstunden,

Die beym sokratischen Pokal

Halb ernst, halb lächelnd uns entschwunden.

Bald wurde feyerlich vor unserm Tribunal

Das Schicksal eines Reims entschieden:

Bald rächten lachend wir an dummen Verseschmieden

Des Musengotts beschimpfte Majestät:

Bald gab ein plumper Musaget

Und unsrer kritischen Tagschreiberzunft verstecktes

Gefühl zum Spott uns Stoff, bis endlich unverhofft

Die schwarze Mitternacht zu Bett uns rief. O noctes

Caenaeque Deum! ruf' ich oft

Mit unserem Horaz inbrünstig auf, und eile

Nach meiner Stube hin, wo ich die lange Weile,

Die manchmal unversehns mich armen Robinson

Auf meiner kleinen wüsten Insel[286]

Zu unterjochen sucht, durch Maro's Heldenton,

Horazens muntern Witz und Naso's Klaggewinsel,

Durch Swifts verwägnen Muth und Popens Energie,

Durch eine schlaue Blasphemie

Des leidigen Voltärs, durch Wielands zauberreiche

Urbanität von Zeit zu Zeit verscheuche.


O Freund, wie öd' und leer scheint mir mein Aufenthalt,

Wo keiner Muse Lied erschallet, wo man, kalt

Für Wollust feinrer Art, für geistiges Vergnügen,

Nur thierische Begierden kennt,

Bloss für des Pöbels Freuden brennt,

Die Herz und Geist in dumpfen Taumel wiegen,

Nur stäts dem Ombregott und seiner Kebsfraun Schaar,

Der allvermögenden Spadille,

Der flugs, wie Proteus, sich verwandelnden Manille

Und ihrem jüngern Schwesternpaar,

Der Balta und der Ponto, fröhnet,

Und dieser Götzen Lob von allen Lippen tönet!
[287]

Oft nah' ich mich, von Eifer angefacht,

Apolls verschmähten Dienst zu rächen, einem Tempel

Des schnöden Ombregotts: doch muthlos leider! macht

Mich manches Märtyrers Exempel;

Denn weh dir, wenn du nur mit einem freyern Wort

Die Allmacht der papiernen Götter

An diesem hochgeweihten Ort

Zu profaniren wagst! weh dir verruchtem Spötter!

Ein solches Sakrilegium

Wird nicht so leicht verziehn: ein lautes Crucifige

Ertönt durch's ganze Heiligthum,

Und, wer kein Waghals ist, sucht gern den Weg zur Stiege.


Entwaffnet von dem kühnen Muth

Des Götzendienerschwarms, verwandelt meine Wuth

Sich allgemach in bittre Klagen:[288]

Ach! lass in meiner Noth, o Herr! mich nicht verzagen,

Fang' ich mit David inniglich

Zu psalmodiren an, und denke, Freund! an dich.


Wenn nun, wie's einem Freund von biedrer Art gebühret,

Die Stimme meines Flehns dich rühret,

So komm, bevor der Hauch der Sommerlüfte flieht!

Vertausch' auf kurze Zeit Wiens lärmende Quiriten

Mit einem stillen Eremiten,

Der dir so sehnsuchtsvoll, so froh entgegensieht!

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 283-289.
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