Vorrede

Wohlan, es sey!

Auch ich will's wagen,

Was ich in Tagen

Der Wonne, frey

Vom Joch der Sorgen,

Und fern vom Zwang,

Dem grauen Morgen

Entgegensang,

Dem Vaterlande

In diesem Bande

Trotz allem Dräun[3]

Der Zoilaster

Und Kritikaster

Getrost zu weihn.


Zieht hin, ihr Spiele

Der Jugendzeit,

Wo, unentweiht

Vom Weltgewühle,

An Klio's Arm

Mir fern vom Schwarm

Der Sauertöpfe

Manch Lied gedieh!

Zieht hin, Geschöpfe

Der Phantasie,

Die im Genusse

Der frohsten Musse

Mein Geist gebar!

Zieht hin in Frieden![4]

Die holde Schaar

Der Pieriden

Mög' auf der Bahn

Zum hochgeweihten

Parnass hinan

Euch sanft geleiten!


Verzagt nicht gleich,

Ihr meine Lieder,

Wenn hin und wieder

Im deutschen Reich

Sich Journalisten

Kühn wider euch

Zur Fehde rüsten!

Oft ist ihr Muth

Nur Kinderwuth,

Und halten Männer,

Die man als Kenner[5]

Des Schönen ehrt,

Euch lieb und werth,

So lasst die frechen

Pedanten schreyn,

Die insgemein

Nur Sylben stechen!


Doch solltet ihr

Mit Pfefferdüten

Und Zuckerhüten,

Wie Löschpapier

Je, klein zerstückelt,

Um Häringe

Herumgewickelt,

Als Flüchtlinge,

Gleich hundert andern,

Das Land durchwandern,

Nähm' euch das Heer[6]

Der lockern Schneider

Zum Mass für Kleider,

Ja fänd' ich leider!

Euch ungefähr

In Käseläden

Bey Leichenreden,

Busspredigten

Und Fasts Scharteken,

Bey kritischen

Bibliotheken

Und Zeitungen

Zu meiner Schande,

O so verweilt

In diesem Stande

Der Schmach nicht! eilt

Im schnellsten Trabe

Nur bald zu Grabe,

Und sträubt euch nicht;[7]

Ein schlecht Gedicht

Bringt seine Schwächen

Durch Widersprechen

Nur mehr an's Licht.


Wenn aber (schüchtern

Hoff' ich's) die Welt

Beglücktern Dichtern

Mich zugesellt,

Wenn ihr zu Zeiten

Durch eure Kunst,

Ihr sanften Saiten,

Bey wackern Leuten

Mir Beyfall, Gunst

Und Lieb' erringet,

Wenn's euch gelinget,

Ihr Liederchen,

Schwermüthigen[8]

Ihr Leid zu mindern,

Wenn ihr, geschätzt

Von schönen Kindern,

Lehrt und ergetzt,

Und mir hiernieden

Die kurze Frist

Mit Lust versüsst,

So seyd zufrieden

Mit diesem Lohn,

Wenn euch auch schon

Des Nachruhms Adel

Ein Recensent

Dreist aberkennt,

Und euch den Tadel

Der Enkel dräut!

O mir gedeiht

Ein Bisschen Ehre

Bey Lebenszeit[9]

Mehr, als die leere

Unsterblichkeit.

Was hilft im Grabe

Der Nachruhm mir,

Wenn ich dafür

Kein Ohr mehr habe?

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 3-10.
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