Scena V

[9] Cleander, Fidele.


CLEANDER. Im Göldenen Maulaffen hat der Herr seine Stube?

FIDELE. Ich weiß nicht anders.

CLEANDER. Wo solch galant Frauenzimmer sein soll?

FIDELE. Wenn's nach der Galanterie gehen sollte, so könnten sie mit guten Fug unter fürstlichen Damen gerechnet werden.

CLEANDER. Wer sind aber ihre Eltern?

FIDELE. Sie haben nur noch eine einzige Mutter. Ihr Vater hat schon vor etlichen Jahren das Zeitliche gesegnet.[9]

CLEANDER. Was ist derselbe gewesen?

FIDELE. Weiß ich's doch fast selber nicht, er ist, deucht mich, ein Handelsmann gewesen.

CLEANDER. Womit hat er gehandelt?

FIDELE. Er hat, halt ich, mit Flintensteinen, item Schwefelhölzerchen und Tobakspfeifen gehandelt.

CLEANDER. Ich habe mir sagen lassen, es sollen sehr artige Mädchen sein?

FIDELE. Sie sind nun so, wem sie wohlgefallen.

CLEANDER. Auf was Art könnte man wohl bei denselben Adresse haben?

FIDELE. Zu solcher Adresse kann der Herr gar leicht gelangen.

CLEANDER. Wie aber?

FIDELE. Er darf nur ein paar Kannen spanischen oder alacanten Wein durch einen Jungen hinschicken und darbei sagen lassen: Es wäre ein guter Freund in einen bewußten Weinkeller ankommen, der hätte von einen Doktor aus Schlesine Kommission an Jungfer Charlotten. (So heißet die eine.) Sobald sie diese Stadt Schlesine wird nennen hören, wird sie Verlangen tragen, mit selbigen bekannt zu werden.

CLEANDER. Was gebe ich aber dadurch zu verstehen?

FIDELE. Monsieur höre nur: Es sind ohngefähr vier Jahr, so wollte mein Hausfrauenzimmer, Jungfer Charlottchen, einen Doctor Medicinae haben. Der war gebürtig aus Schlesine, er hatte auch allbereit (ihren Vorgeben nach) das Jawort, bis auf seiner Eltern Konsens, schon von sich gegeben, alleine er wurde schleunigst nach Hause berufen, und wird nun noch täglich dessen Wiederkunft erwartet.

CLEANDER. Die Invention gehet ganz gut an, allein des Doktors Namen muß ich wissen.

FIDELE. Sein Name war Feinland.

CLEANDER. Feinland?

FIDELE. Ich weiß nicht anders.

CLEANDER. Aber warum soll ich Wein hinschicken? Sie möchten solches vor eine Affronte aufnehmen.[10]

FIDELE. Dafür bin ich gut; sie werden Monsieur solchen nicht wieder zurückschicken.

CLEANDER. Man siehet, wie es gehet, das Plißinische Frauenzimmer ist bisweilen sehr empfindlich.

FIDELE. Dafür stehe ich. Monsieur höre nur: Ich war neulicher Zeit auch mit einen guten Freunde in einen bewußten Weinkeller, so schickte derselbe in Regard meiner zwei Kannen von den allerbesten alacanten Weine zu sie, ließ dabei seinen Gehorsam vermelden und auch zugleich sagen, in einer Viertelstunde wollte er zu sie kommen und mit denenselben die Flasche Wein austrinken. Allein wie wir kamen, so war die Flasche leer, und wollte er Bescheid tun, mußte er sie wieder füllen lassen.

CLEANDER. So ist dasselbe Frauenzimmer so große Liebhaber von Weintrinken?

FIDELE. Sie haben's von ihrer Frau Mutter gelernet.

CLEANDER. Trinkt dieselbe ihn auch gerne?

FIDELE. Ja, der kann man keinen besseren Gefallen erweisen, als wenn man ihr eine Flasche zuweilen schickt. Wenn ich dran gedenke, so muß ich noch herzlich darüber lachen.

CLEANDER. Worüber?

FIDELE. Neuerlicher Zeit, so brachte ein guter Freund der Frau Schlampampe eine gute Flasche Wein vors Bette, welchen sie auch mit solchen Appetit verschluckte und sagte: »Herr Damon« (so hieß der gute Freund), »nun, Er ist doch der Beste in ganz Plißine, ich bin Ihn auch von Herzen gut, so wahr ich eine ehrliche Frau bin, Er glaubt mir's nicht, was ich von Ihn halte.« Diese Lobreden währeten, halt ich, acht Tage, so wurde der ehrliche Damon unschuldigerweise in Verdacht gezogen, als sollte er ehrlicher Leute Kinder geschimpft haben, und konnte kein Mensche vor Schlampampens Hause vorbeigehen, den sie nicht aufhielt, und das Leichtfertigste von den rechtschaffenen Damon redete.

CLEANDER. Erfuhr aber solches Monsieur Damon nicht wieder?

FIDELE. Er erfuhr es freilich wieder.[11]

CLEANDER. Schwieg er aber dazu stille?

FIDELE. Er ließ ihr durch ihre eigene Köchin sagen, sie sollte der Frau Schlampampe nur melden: Vormals, wie er ihr Fläschchen guten Wein vors Bette gebracht, so hätte es wohl geheißen: Damon ist doch der Beste in Plißine. Da er aber nichts mehr brächte, so redete sie das Schimpflichste von ihn, und wenn sie ihn in Abwesenheit seiner schimpfte, so hielt er sie vor keine ehrliche Frau.

CLEANDER. Da hat er recht getan, daß er ihr solches hat sagen lassen; es muß eine artige Frau sein.

FIDELE. Ihres Humors trifft man wohl schwerlich in Plißine an. Es sind ohngefähr drei Jahr, so ging sie im Hause herum und schlug die Hände immer über den Kopfe zusammen und sagte: »Je, daß Gott im hohen Himmel erbarme. Je, daß es den Göttern im Wolken erbarme.« Als ich solches hörete, ging ich eiligst auf sie zu und vermeinte, es wäre etwan ein groß Unglück vorhanden. Wie ich sie nun fragte, was ihr wäre, gab sie zur Antwort: »Er denke doch nur, da haben sie eine Ratte gefangen und haben sie wieder laufen lassen, mein Präzeptor schmeißt mit den Besen nach ihr und schlägt fehl, so läuft sie meiner Charlotte zwischen die Beine durch und kömmt wieder davon.«

CLEANDER. Ei, da hätte ich mich des Lachens nicht enthalten können. Was sagt Er aber drauf?

FIDELE. Ich antwortete mit rechter Verwunderung: »Ei, das ist erschrecklich!« Worauf sie wieder antwortete: »So wahr ich eine ehrliche Frau bin, es ist wahr, sie hat mir ein ganz neu seiden Kleid zerfressen.«

CLEANDER. Ich gestehe es, ich möchte gerne da bekannt sein.

FIDELE. Wie gesagt, eine Flasche Wein tut viel bei der Sache.

CLEANDER. Wenn es daran soll gelegen sein, so will ich wohl zwanzig Kannen hinschicken.

FIDELE. Ich versichere Monsieur, sie lassen ihn nicht matt werden.[12]

CLEANDER. Ei, wie wollten sie so viel trinken?

FIDELE. Monsieur mag mir's glauben oder nicht, die Ältste, Jungfer Charlottchen, kam einsmals auf meine Stube und bat mich, ich möchte ihr doch ein Nössel spanischen Wein holen lassen; ich dachte, du mußt doch sehen, ob sie auch viel trinken kann. Wie das Nössel Wein kam, so währete es kaum ein Augenblick, so war es verschlucket. Ich ließ noch ein Nössel holen, sie machte mit denselben nebst einer Sechspfennig-Semmel auch kurze Arbeit. Ich ließ endlich eine ganze Kanne holen, von welcher auch die Hälfte hineinschlich, aber ganz nicht bezwingen konnte, sondern mich bat, daß ich's selber vollends austrinken mußte. Wie nun dieses Frühstücke verzehret, legten wir uns beide auf mein Bette und hielten Ruhe von früh neun Uhr an bis Nachmittage um fünf Uhr. Alsdenn erwachten wir wieder, und begab sich Jungfer Charlottchen annoch mit halben Tummel wieder von meiner Stube, indem sie wie jene Jungfer sagte: »Gute Nacht, Zeit hat Ehre.«

CLEANDER. Ei, ei, Monsieur, was redet Er; kann ich doch fast das Ding nicht gläuben.

FIDELE. Es ist nicht anders, mein Herr.

CLEANDER. Je, so sauf du und der Teufel.

FIDELE. Wenn Monsieur solches nicht gläuben will, so will ich Ihn einen Zeugen herführen, der es mit angesehen.

CLEANDER. Allein, ist das Frauenzimmer auch von großer Einbildung?

FIDELE. Vormals waren sie noch gut gnug, aber nun sie ein, bißchen steif geworden sein, wollen sie schrecklich hoch hinaus.

CLEANDER. Sie müssen bei guten Mitteln sein?

FIDELE. Es hat, deucht mich, eine sechshundert Taler.

CLEANDER. Nicht mehr?

FIDELE. Nicht mehr, und von den sechshundert Talern wollen sie künftige Fastnacht fünfhundert nehmen und sich dafür adeln lassen.[13]

CLEANDER. Ei, sie werden ja nicht so töricht sein und das tun.

FIDELE. Ich habe es von unterschiedlichen Leuten gehöret.

CLEANDER. So werden sie zweifelsfrei Rittersitze haben.

FIDELE. Auf den Lande ist mir von keinen bewußt, allein sie haben sich einen im Hof hinter den Röhrkasten bauen lassen.

CLEANDER. Ist das möglich?

FIDELE. Monsieur darf nur einen von den Zimmerleuten dieser Stadt fragen, so wird derselbe ihn nicht anders berichten.

CLEANDER. Wie gesagt, ich trage groß Verlangen, in dero Bekanntschaft zu geraten.

FIDELE. Meine wenige Vorschläge werden Monsieur den Zutritt nicht versagen.

CLEANDER. Ich bin den Herren dafür obligieret, Er lebe wohl. Und wenn ich da bin gewesen, so will ich Ihn schon von allen Rapport erteilen.

FIDELE. Ich bin Monsieur sein Diener. Gehen an unterschiedenen Orten ab.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 9-14.
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