Scena VIII

[15] Clarille fröhlich, Charlotte traurig.


CLARILLE. Frau Mutter, ist das zu unsern neuen Kleidern?

SCHLAMPAMPE. Ich dächte, es wär es. Was fehlt denn dir, Charlottchen?[15]

CHARLOTTE. Frau Mutter, Sie denke doch nur, Edward hieß mich eine Hure.

SCHLAMPAMPE schlägt die Hände überm Kopfe zusammen. Je, daß Gott im hohen Himmel erbarm! Man denke doch nur, ein Mädchen, die ihr gut Auskommen hat und ehrlicher Leute Kind ist, von so einen geringen Kerl eine Hure geheißen zu werden. Wann's doch noch was Rechts getan hätte! Nun gib dich nur zufrieden, Charlottchen, siehe, da will ich dir auch ein schön Kleid machen lassen.

CLARILLE. Frau Mutter, wie hoch kömmt denn die Elle?

SCHLAMPAMPE. So wahr ich eine ehrliche Frau bin, es kostet allzusammen hundertundzehn Taler.

CHARLOTTE. Frau Mutter, Sie leide nur Edwarden nicht länger im Hause, sondern sage ihm die Stube auf.

SCHLAMPAMPE. Sobald er mich bezahlet hat, soll er fort, und ich will auch gar keinen Studenten mehr in meinen Hause leiden.

CHARLOTTE. Ist er Ihr denn noch viel schuldig?

SCHLAMPAMPE. Er ist mir ein ganz halb Jahr Stubenzins schuldig, und anderthalben Taler habe ich ihn böse Geld gegeben, dafür soll er mir gutes zahlen. Wenn ich erstlich dieses habe, so soll er fort.

CLARILLE. Ich habe dir's aber gesagt, Charlotte, du sollst dich mit den Studenten nicht so gemeine machen.

CHARLOTTE. Du Narre, was schiert's denn dich, sage ich doch dir nichts, wenn du den Kerlen Bänder sticken lässest und ihnen spendierest.

CLARILLE. Ach, die kosten noch lange nicht so viel, als wenn ich mich lasse abkonterfeien und mein Bildnis den Studenten verehre.

CHARLOTTE. O du gute Schwester, sie haben noch keinmal die Bier- und Tobaktische damit abgewischt, als sie mit deinen gestickten Bande getan haben.

CLARILLE. Charlotte, ich sage dir, halt's Maul, oder wir werden fürwahr nicht Freunde bleiben.

SCHLAMPAMPE. Haltet die Mäuler, ihr Rabenäser.[16]

CLARILLE. Frau Mutter, was schiert Sie es aber?

SCHLAMPAMPE. Ich will dich scheren, du Aas. Ist das der Dank, daß ich dir lasse ein neue Kleid machen?

CLARILLE. Meinthalben mag Sie mir eins machen lassen oder nicht.

SCHLAMPAMPE. Da denke man nur! Ich kriege kein gut Wort noch darzu. Warte du nur, was gilt's, es wird dir noch in die Schuhe schneien.

CLARILLE. Ei mag's doch.

SCHLAMPAMPE. Ich bin's zufrieden, aber denke du nur an mich, daß ich dir's gesaget habe.

CHARLOTTE. Frau Mutter, Sie erzürne sich nur nicht, Clärchen ist nicht wert, daß man ihr einmal antwortet.

CLARILLE. Charlotte, ich sage dir's, laß mich zufrieden oder ich schmeiße dir, der Henker soll mich, was an den Hals.

SCHLAMPAMPE zu Charlotten. Laß den Hund nur zufrieden, Charlottchen, und nimm hier diese Sachen, trage sie hinein, laß den Schneider zu dir kommen, damit er euch das Maß nimmt, ich muß noch einen Gang auf den Markt gehen.

CHARLOTTE. Kömmt Sie bald wieder, Frau Mutter?

SCHLAMPAMPE. Ich werde nicht lange außen bleiben. Köchin, kommst du mit mir?

URSILLE. Wo denn hin, Frau Schlampampe?

SCHLAMPAMPE. Ob du es weißt oder nicht, komm du nur fort.

URSILLE. Ich werde folgen. Schlampampe geht mit Urseln ab.

CHARLOTTE. Sage mir aber, Clärchen, warum du der Frau Mutter so schnippsch antwortest?

CLARILLE. Charlotte, ich sage noch einmal, laß mich zufrieden oder es wird, der Henker hole mich, nicht gut.

CHARLOTTE. Ich will dir wohl kein Wort mehr sagen, allein es kommt dir doch nicht zu, daß du der Frau Mutter so antwortest.[17]

CLARILLE. Höre doch du, wie hießest du sie denn vorhin?

CHARLOTTE. Wie hätte ich sie denn geheißen?

CLARILLE. Hießest du sie vor ein klein Weilchen nicht einen Narren, he?

CHARLOTTE. Nun schweig nur stille, ich will dich zufrieden lassen, laß du mich auch wieder zufrieden, so bleiben wir gute Freunde, und komm mit herein, damit wir ein wenig nachsinnen, wie unsere schönen Kleider nach der neuesten Mode mögen gemacht werden.

CLARILLE. Das wird, halt ich, dafür wohl besser sein, als wenn wir hier stehen und werfen einander unsere Fehler für. Gehen ab.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 15-18.
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