Scena II

[20] Schlampampe, hernach Fidele.


SCHLAMPAMPE schläget die Hände über den Kopf zusammen und spricht. Je, daß Gott im hohen Himmel erbarm! Ich arme Frau, wo soll ich's denn endlich noch hernehmen?

FIDELE. Warum lamentieret Sie denn so, Frau Schlampampe?

SCHLAMPAMPE. Er denke doch nur, da ist ein Bote gekommen und bringet einen Brief von meinen Sohne.[20]

FIDELE. Der in der Fremde ist?

SCHLAMPAMPE. Ja freilich.

FIDELE. Was schreibt er denn Guts?

SCHLAMPAMPE. Nicht viel Guts, als daß er gefangen sitzt unter französischen Seeräubern, und ich soll ihn noch hundert Taler schicken, daß er könnte wieder loskommen.

FIDELE. Das ist keine gute Zeitung, Frau Schlampampe.

SCHLAMPAMPE. Nun, ich möchte auch flugs in die Erde kriechen, wenn ich dran gedenke, wie mich mein Lebetage meine Kinder gequälet haben.

FIDELE. Ist denn der Bote noch da?

SCHLAMPAMPE. Freilich ist er noch da.

FIDELE. Was ist aber zu raten in der Sache?

SCHLAMPAMPE. Was ist zu raten? Will ich ihn loshaben, so muß ich, so wahr ich eine ehrliche Frau bin, hundert Taler zur Auslösung mitschicken.

FIDELE. Wie muß er aber in solches Unglück geraten sein?

SCHLAMPAMPE. Er hat geschrieben: Er hätte wollen Spanien besehen und wäre nebst fünfzig Personen auf der See von denen französischen Kapers genommen worden.

FIDELE. Das ist ein unverhofftes Unglück.

SCHLAMPAMPE. Ich arme Frau! Habe ich denn nichts als lauter Angst und Not von meinen Kindern auf der Welt auszustehen?

FIDELE. Ja, wer kann wider Unglücke?


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 20-21.
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