Scena II

[5] Charlotte, Clarille und Schlampampe.


CHARLOTTE. Frau Mutter, Sie sage nur, ob Sie uns keine neue Kleider will machen lassen?

SCHLAMPAMPE. Ihr Kinder, quält und ängstiget mich doch nicht so. Ihr sehet ja, daß itzo keine Möglichkeit da ist.

CLARILLE. Frau Mutter, so hole mich flugs der Henker, wo Sie uns keine machen läßt, wenn ich Ihr's nicht gedenken will.

SCHLAMPAMPE. Du Rabenaas du, hält's Maul, du hörest ja, daß ich itzo kein Geld habe.[5]

CLARILLE. Ei, so wollt ich, daß flugs der Donner dreinschlüge, wenn Sie uns keine will machen lassen.

SCHLAMPAMPE ad Spectat. Da denke nur ein Mensche, ein Kind seiner Mutter den Donner an Hals zu wünschen! Zu Clarillen. O du Rabenaas, gehe mir geschwinde vor meinen Augen weg.

CLARILLE. Ja freilich, wenn Sie es sagt!

SCHLAMPAMPE. Warte du nur, du Hund, du sollst mir den Fluch nicht umsonst getan haben!

CHARLOTTE. Frau Mutter, es ist auch wahr, man bekommt in Güte auch niemals nichts von Ihr.

SCHLAMPAMPE. O ihr Hunde! Der Himmel wird euch noch strafen, daß ihr werdet zuletzt müssen betteln gehen.

CHARLOTTE. Frau Mutter, wenn Sie anfängt, so ist Sie auch manchmal wie ein Narr.

SCHLAMPAMPE. Man denke doch nur, die Mutter einen Narren zu heißen!

CLARILLE. Es ist auch wahr, Frau Mutter, warum redet Sie solch albern Zeug.

SCHLAMPAMPE zu Clarille. O du Raben-Nickel, dich werden noch die Läuse fressen.

CLARILLE. Flugs da, wenn Sie es sagt.

SCHLAMPAMPE. Denke du nur an mich, wenn ich werde lange tot sein, daß ich dieses gesagt habe.

CHARLOTTE. Frau Mutter, Sie sage nur, ob Sie uns keine neue Kleider will machen lassen.

SCHLAMPAMPE. Ihr Kinder, quält mich doch nicht so. Ihr braucht sie ja eben so notwendig nicht, geduldet euch doch immer noch ein halb Jahr.

CHARLOTTE. Frau Mutter, bekomme ich jetzo kein neue Kleid, so heiße Sie mich eine leichtfertige Hure, wenn ich ehe in die Kirche wieder gehen will, bis Sie mir eins geschafft hat. Gehet ab.[6]

CLARILLE. Und mich soll flugs der Henker holen, wenn ich einen Tritt will eher aus dem Hause gehen, bis mir der Schneider das Maß zum Kleide genommen. Gebet ab.

SCHLAMPAMPE. Nun, da denke nur ein Mensche, was das vor Rabenäser sein, die können ihre Mutter recht scheren. Was soll ich tun? So wahr ich eine ehrliche Frau bin, will ich in meinen Hause einen Bissen Brot mit Frieden essen, so muß ich sehen, wie ich's mache, daß ich ihnen welche schaffe. Ja, ich glaube auch nicht, daß eine Mutter unter der Sonnen solchen Verdruß von ihren Kindern ausstehen muß als ich. Was macht's? Die Rabenäser wissen, daß sie ihr gutes Auskommen haben, darum scheren sie sich nicht eine Haare um mich; ich muß nur hingehen und sagen, daß sie welche haben sollen, sonst habe ich keine ruhige Stunde im Hause. Geht ab.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 5-7.
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