Das dritte Capitel.

[53] Es war gleich in der Knoblochs Mittewoche, als ich mich zum ersten mahl auf das Wasser begab. Nun hätte ich vermeinet, die Schiffe zu Hamburg wären groß, worauf man bey den Jungfern-Stiege pflegte spazieren zu fahren – allein so sahe ich wohl, daß bey Altona auf der See der Tebel hohlmer noch tausendmahl grösser waren, denn die Leute nennten sie nur die grossen Last-Schiffe. Auf so eins satzte ich mich nun; wie ich von meinen Landsmanne Abschied genommen hatte, schiffte ich da mit fort.

Ich war kaum eine halbe Stunde auf den Wasser gefahren, so wurde mir übel und kriegte die See-Kranck[hei]t. O Sapperment! wie fieng ich an zu speyen, daß ich auch der Tebel hohlmer nicht anders[53] dachte, die Caldaunen würden alle aus den Leibe heraus müssen, denn es war gantz kein aufhören da und gieng immer in einen, drey gantzer Tage und Nacht zum Schiffe hinaus. Die andern verwunderten sich auch alle, wo ich so viel Zeugs hernehmen müste! Den vierdten Tag früh, als mir nun begunte allmählig ein Bißgen besser zu werden, so ließ ich mir den Schiffer ein gut Glaß mit Brantewein geben, welches so ohngefehr zwölff Maß waren. Denselben goß ich nun auf einen Schluck flugs hinein und vermeinte, es solte mir den Magen wieder zu curiren. O Sapperment! als ich dasselbe Zeug in Leib kriegte, wie fing mir wieder an übel zu werden, und hatte ich zuvor nicht gespyen, so spye ich allererst nach den Branteweine, daß auch – als ich vier gantzer Tage wieder in einen Weg gespyen – den 5. Tag drauf der Tebel hohlmer das klare Ziegen-Molcken von mir ging, welches ich von meiner Kindheit an biß in das 12te Jahr gesoffen und sich in Leibe irgendswo so lange noch müsse haben verfangen gehabt. Da solches nun aus dem Leibe auch heraus war und ich gantz nichts mehr zu speyen hatte, hieß mich der Schiffer ein gut Glaß voll Bomolie aussauffen, daß mir der Magen fein geschmeidig wieder darnach würde, welches ich auch that und soff der Tebel hohlmer wohl über 15 Kannen Bomolie auf einen Schluck in mich hinein.

So bald als ich das Zeug in Leib kriegte, wurde mir von Stund an besser. Den 13. Tag gegen 10 Uhr Vormittage wurde es stock Raben finster, daß man auch nicht einen Stich sehen kunte und muste der[54] Schiffmann eine grosse Lampe vor das Schiff heraus hengen, damit er wuste, wo er zufuhr, denn seinem Compasse durffte er nicht wohl trauen – derselbe stockte immer! Wie es nun so gegen Abend kam, Ey Sapperment! Was erhub sich vor ein Sturm auff der See, daß wir auch der Tebel hohl mer nicht anders meinten, wir würden alle müssen vor die Hunde gehen. Ich kan der Tebel hohl [mer] wohl sagen, daß es uns nicht anders in solchen Sturme war, als wenn wir in einer Wiege geboyet würden wie die kleinen Kinder! Der Schiffmann wolte wohl gerne anckern, allein er hatte keinen Grund und muste also nur Achtung haben, daß er mit den Schiffe an keine Klippe fuhr. Den 19ten Tag begunte der Himmel sich allmählich wieder zu klären und legte sich der Sturm auch so geschwind, daß es den zwantzigsten Tag wieder so stille und gut Wetter wurde, besser als wir es uns selbst wünscheten. Das Wasser in der See wurde auch nach diesen Sturme so helle, daß man der Tebel hohlmer alle Fische in der See kunte gehn sehen. Ey Sapperment! was gab es da vor Stichlinge? Es war der Tebel hohlmer ein Stichling so groß als hier zu Lande der gröste Lachs ist! Und Hechte? Die hatten der Tebel hohlmer Zungen zu den Schnautzen heraus hangen wie die grossen Polnischen Ochsen; unter andern liessen sich auch Fische da sehen mit abscheulichen grossen rothen Augen – ich will wetten, daß ein Auge bey so einen Fische fast grösser war als hier zu Lande ein Bottigt-Boden ist, worinnen die Leute[55] das gute Klebe-Bier zu brauen pflegen. Ich fragte auch den Schiffer, wie sie die Fische nannten? So sagte er: Man hiesse sie nur Groß-Augen.

Zu Ausgang desselben Monats rochen wir Land und kriegten den folgenden Monat drauf die Spitzen von den schönen Thürmen in Stockholm zu sehen, worauff wir zu seegelten. Als wir nun etwan noch einer Meile von der Stadt waren, fuhren wir gantz sachte an den Ufer weg. Sapperment! was sind da vor schöne Wiesen um Stockholm herum! Die Leute machten gleich um selbe Zeit Heu – sie gingen der Tebel hohlmer im Grasse bis unter die Arme, daß es nur mit Lust anzusehen war; es stunden wohl über 6000 Heu-Hauffen auf einer Wiese da, daß sie schon gemacht hatten.

Als wir nun gantz nah an die Stadt kamen, so hielt der Schiffmann stille, hieß uns Fähr-Geld suchen und aussteigen, welches wir auch thaten.

Wie wir nun da an Ufer ausgestiegen waren, so ging hernach einer hier hinaus, der andere dort hinaus. Ich wanderte nun gleich auch mit in die Stadt, und weil ich in keinen gemeinen Wirts-Hause Lust zu logiren hatte, blieb ich in der Vorstadt und nahm mein Qvartier bey dem Lust-Gärtner, welches der Tebel hohlmer ein überaus wackerer Mann war. Sobald als ich mich nun bey ihn anmeldete und um Qvartier ansprach, sagte er gleich Ja. Flugs drauf erzehlete ich ihn meine Geburt und die Begebenheit von der Ratte. Ey Sapperment! was war es dem Manne vor eine Freude, als er diese Dinge hörete![56] Er war der Tebel hohlmer auch so höfflich gegen mich und hatte sein Mützgen stets unter dem Arme, wenn er mit mir redete, denn er hieß mich nur Ihr Gnaden. Nun sahe er auch wohl, daß ich ein brav Kerl war und daß was grosses hinter mir stecken muste.

Er hatte einen vortrefflichen schönen Garten, da kamen nun fast täglich die vornehmsten Leute aus der Stadt zu ihn spatzieren gefahren. Ob ich mich nun wohl wolte da incognito aufhalten und mich nicht zu erkennen geben, wer und wes Standes ich wäre, so wurde ich doch bald verrathen. Ey Sapperm. – was kriegte ich da vor Visiten von den vornehmsten Damens in Stockholm! Es kamen der Tebel hohl mer alle Tage wohl 30 Kutschen voll immer in den Garten gefahren, daß sie mich nur sehen wolten! Denn der Lust-Gärtner mochte mich gegen die Leute so heraus gestrichen haben, was ich vor ein brav Kerl wäre.

Unter andern kam immer ein Frauenzimmer in den Garten gefahren – ihr Vater war der vornehmste Mann mit bey der Stadt – die hiessen die Leute nur Fräulein Lisette. Es war der Tebel hohlmer ein vortrefflich schön Mensche! Dieselbe hatte sich nun bis auf den Todt in mich verliebet und gab recht ordentlich freyens auch bey mir vor, daß ich sie nehmen solte. Ich antwortete derselben hierauf aber sehr artig und sagte: Wie daß ich ein brav Kerl wäre, dem was rechts aus den Augen heraus sähe, daß also dieselbe vor dieses mahl mit keiner gewissen Antwort könte versehen werden. Sapperment! wie fing das Mensch an zu heulen und zu schreyen,[57] da ich ihr den Korb gab, daß ich also der Tebel hohlmer nicht wuste, woran ich mit ihr war. Endlich fing ich zu ihr an, daß ich mich in Hamburg schon mit einer halb und halb versprochen, allein ich hätte keine Post von ihr, ob sie noch lebete oder ob sie todt wäre. Sie solte sich nur zu frieden geben, in etlichen Tagen wolte ich Ihr Antwort wiedersagen, ob ich sie nehmen wolte oder nicht. Hierauf gab sie sich wieder zu frieden und fiel mir um den Halß und meinte es auch der Tebel hohlmer so gut mit mir, daß ich mich auch gäntzlich resolviret hatte, die Charmante fahren zu lassen und mich an Fräulein Lisetten zu hängen.

Hierauf nahm sie mit weinenden Augen von mir Abschied und sagte, daß sie mir den morgenden Tag früh wieder zusprechen wolte und fuhr damit in die Stadt nach ihren Eltern zu. Was geschah? Der morgende Tag kam herbey, ich ließ eine gute frische Milch zurichten, mit derselben wolte ich das Fräulein Lisette im Garten nun tractiren. Der Vormittag lief vorbey, der Nachmittag war auch fast zu Ende – ich wartete im Garten immer mit der frische Milch, es wollte aber kein Fräulein Lisette kommen, daß ich auch der Tebel hohlmer so tolle war und weil ich mich nicht rächen kunte, der frische Milch in die Haare gerieth und die in der Boßheit reine ausfraß! Indem ich den letzten Löffel voll ins Maul steckte, kam des Gärtners Junge sporenstreichs zum Garten hinein gelauffen und fragte mich, ob ich was neues wüste? Wie ich nun gerne[58] wissen wolte, was es gäbe, fing er an: Das Fräulein Lisette, welche gestern Abend so lange in Garten bey mir gewesen, wäre diese Nacht so plötzlich gestorben! Ey Sapperment! wie erschrack ich über die Post, daß mir auch der letzte Löffel voll Milch im Halse gleich verstarrete! Ja (fing der Junge weiter an) und der Doctor hätte gesagt, sie müste sich worüber sehre gegrämet haben, sonst wäre sie wohl nicht gestorben, weil ihr gantz keine Kranckheit wäre anzusehen gewesen. Ey Sapperment! wie jammerte mich das Mensche und da war wohl der Tebel hohl mer niemand an ihren Tode schuld, als eben ich, weil ich sie nicht haben wolte! Das Mensche taurete mich der Tebel hohlmer sehr lange, ehe ich sie vergessen kunte. Ich ließ ihr auch zu Ehren einen Poeten folgende Zeilen dichten und auf ihren Leichen-Stein hauen, welcher die heutige Stunde noch in Stockholm auf ihren Grabe wird zu lesen seyn:


Steh! flüchtger Wandersmann, betrachte diesen Stein

Und rathe wer allhier wohl mag begraben seyn?

Es starb vor Liebes-Gram ein Ließgen in den Bette.

Nun rathe wer hier liegt? – das schöne Kind Lisette.


Nach diesen Ließgen verliebte sich hernach eines vornehmen Nobels Tochter in mich, dieselbe hieß Damigen, und gab nun ebenfalls wieder freyens bey mir vor. Es war der Tebel hohlmer ein unvergleichlich Mensche auch. Mit derselben muste ich alle Tage[59] spatziren fahren und mich stets mit ihr schleppen! Ob ich nun wohl der Nobels Tochter sehr wohl gewogen war und auch Vertröstung gethan, sie zu nehmen, so hatte ich aber den Handschlag dennoch nicht von mir gegeben. Allein es trugen sich alle kleine Jungen auf der Gasse mit herum, das Jungfer Damigen eine Braut wäre; wie das Mensche so wohl ankäme und was sie vor so einen vornehmen braven Kerl zum Manne kriegte, an welchen auch flugs alles lachte, wenn man ihn nur ansähe.

Von solchen Spargement war nun die gantze Stadt voll! Ich hatte mich auch gäntzlichen resolviret, sie zu heyrathen und hätte sie auch genommen, wenn sie nicht ihr Herr Vater ohne mein und ihrer Wissen und Willen einen andern Nobel versprochen gehabt. Was geschahe? Damigen bath mich einsmahls, daß ich mit ihr muste an einen Sonntage durch die Stadt spazieren gehen, damit mich doch die Leute nur sähen, denn sie hätten von den Lust-Gärtner gehöret, daß ich so ein braver, vortrefflicher Kerl wäre, den nichts ungemeines aus den Augen funckelte, und also trögen ihrer viel groß Verlangen, mich doch nur zu sehen. Nun kunte ich ihr leicht den Gefallen erweisen und sie in der Stadt ein wenig herum führen.

Es war gleich am Baltens-Tage, welcher dazumahl den Sontag einfiel, als ich mit Damigen in der Stadt Stockholm herum spatzieren gieng und Sie bey der Hand führete; wie nun die Leute sahen, daß ich mit meinen Damigen da angestochen kame,[60] o Sapperment! wie legten sie sich zu den Fenstern heraus? Sie redeten immer heimlich gegen einander und so viel ich vernehmen kunte, sagte bald hier einer: das ist doch ein wunderschöner Kerl? bald fing ein anderer in einen andern Hause an: Des gleichen hab ich mein Lebetage nicht gesehen; bald stunden dort ein paar kleine Jungen, die sagten zu einander: Du, sieh doch, da kömmt das Mensche gegangen, die den vornehmen reichen Juncker kriegt, der draussen bey den Lust-Gärtner in Quartiere liegt. Bald stunden an einer Ecke ein Paar Mägde, die sagten: Ach Ihr Leute! denckt doch, wie Jungfer Damigen so wohl ankömmt! Sie kriegt den Kerl da, der sie bey der Hand führt. Das Mensche ist ihn nicht einmahl werth! Solche und dergleichen Reden murmelten die Leute nun so heimlich zu einander. Es war auch ein Nachgesehe, daß ichs der Tebel hohlmer nicht sagen kan. Als wir nun auf den Marckt kamen und allda uns ein wenig aufhielten, daß ich das Volck recht sehen solte, mag derselbe Nobel dieses gewahr werden, daß ich Damigen (wel che er zur Liebsten haben solte) nach aller Lust da herum führe. Ich versahe mich aber dieses nicht, daß der Kerl solch närsch Ding vornehmen wird! Indem mich nun die Leute und mein Damigen mit grosser Verwunderung ansahen, kam er von hinterrücks und gab mir der Tebel hohlmer eine solche Presche, daß mir der Hut weit von Kopffe flog und lieff hernach geschwinde in ein Hauß hinein. O Sapperment! wie knirschte ich mit den Zähnen, daß sich der Kerl solch Ding unterstund, und wenn er nicht gelauffen wäre, ich hätte ihn der Tebel hohl[61] mer die falsche Qvinte gleich durchs Hertze gestossen, daß er das aufstehen wohl vergessen sollen! Ich hatte auch willens, ihn zu verfolgen, wenn mich Damigen nicht davon noch abgehalten hätte. Die sagte: Es möchte so ein groß Aufsehens bey denen Leuten erwecken und ich könte ihn schon zu anderer Zeit finden. Als Damigen diesen Vorschlag that, satzte ich meinen Hut mit so einer artigen Manier wieder auf, daß auch alle die Leute, welche mir hatten hinterrücks sehen die Presche geben, heimlich zu einander sagten: Es müste was rechts hinter mir stecken! Ob ich nun wohl gegen mein Damigen mich erzeugte, als wenn mir nichts drum wäre – dennoch aber kunte ich das Knirschen mit den Zähnen nicht lassen; so tolle war ich, daß ich auch endlich Damigen bath, wenn sie beliebete, so wolten wir wieder zum Lust-Gärtner hinaus wandern und uns da im Garten ein wenig noch divertiren. Damigen gehorchte mir in allen, wir giengen beyde mit so einer artigen Manier wieder zurücke und immer nach des Lust-Gärtners Hause zu, allwo ich mich in Garten mit meinen Damigen ins Graß setzte und mit ihr berathschlagete, wie ichs anfangen wolte, mich an den Nobel zu rächen. Hierauf satzte sich Damigen in ihre Kutsche und fuhr wieder in die Stadt nach ihrer Behausung zu.

Den andern Tag drauf, als ich mich nun erkundiget, wo der Kerl wohnete, welcher mir die Ohr-Feige gegeben, schickte ich des Gärtners Jungen an ihn und ließ ihn sagen: Ich hielte ihn vor keinen[62] braven Kerl, sondern vor dem allerelendesten Bärenhäuter auf der Welt, wenn er nicht die und die Zeit draussen auf der grossen Wiese mit ein paar guten Pistolen erschiene, und da wolte ich ihn weisen, daß ich ein braver Kerl wäre. – Was geschieht, als des Lust-Gärtners Junge den Nobel diese Worte nun so unter die Nase reibet und von Pistolen schwatzt? Ey Sapperment! wie erschrickt der Kerl, daß er nicht weiß was er den Jungen antworten soll! Wie nun der Junge spricht: Was er denn den vornehmen Herrn zur Antwort hierauf wieder bringen solte? fänget er endlich an: Er müste gestehen, ja, daß er mir den Hut von Kopffe geschmissen und es hätte ihn so verdrossen, daß ich Jungfer Damigen als seine zukünfftige Liebste bey der Hand geführet, und dasselbe hätte er gar nicht leiden können. Daß ich ihn nun wegen der gegebenen Ohrfeige flugs auf Pistolen hinaus forderte, würde er wohl schwerlich kommen, denn es wäre so eine Sache mit den schüssen! Wie leichtlich könte er oder ich was davon bekommen! Was hätten wir denn hernach davon! Und darauf käme er nicht. Wolte ich mich aber mit ihn auf druckene Fäuste schlagen, so wolte er seine Mutter erstlich drum fragen, ob sie solches zugeben wölte. Wo sie aber ihn solches auch nicht verwilligte, könte er mir vor die Ohrfeige keine revange geben.

O Sapperment! als mir der Junge solche Antwort von den Nobel wiederbrachte, hätte ich mich der Tebel hohlmer flugs mögen zu stossen und zu reissen![63] Ich war her und besann mich, wie ich ihn wieder tractiren wollte? Erstlich hatte ich ihn willens auf der Gasse übern Hauffen zu stossen und fortzugehen. So dachte ich aber, wo wird dich dein Damigen hernach suchen! Endlich resolvirte ich mich, ich wolte ihn in öffentlicher Compagnie die Presche gedoppelt wiedergeben und mit einen Spanischen Rohre wichtig abschmeissen. Das hätte ich auch gethan, wenn der Kerl nicht wegen des Pistolen hinausforderns so ein groß Wesen flugs gemacht hätte, daß ich also von hoher Hand gebethen wurde, ich möchte es nur gut seyn lassen – gnug, daß sie alle wüsten, daß ich ein brav Kerl wäre, desgleichen wohl wenig in der Welt würde gefunden werden. Als ich dieses hörete, daß von hoher Hand man mich bath, daß ich ihn solte zu frieden lassen und mich alle vor den bravsten Kerl auf der Welt aestimireten, hätte ich mir hernach wohl die Mühe genommen, daß ich wieder an ihn gedacht hätte.

Allein mein Damigen kriegte ich doch auch nicht! Ihr Vater ließ mir zwar sagen, Er sähe wohl, daß ich ein brav Kerl wäre, desgleichen man wenig findete, allein seine Tochter hätte er einen Nobel versprochen und wer kein Nobel wäre, der dürffte sich auch nicht die Gedancken machen, daß er sie kriegen würde. Ich ließ ihn aber hierauf artig wieder sagen, wie daß er nemlich alle recht geredet, daß ich ein brav Kerl wäre, desgleichen wohl wenig in der Welt anzutreffen wäre und ich hätte ja seine Tochter noch niemahls verlanget, sondern sie hätte[64] mich haben wollen! Wie das der alte Nobel seinen Damigen vorhält, spricht sie: ja, es wäre wahr, und sie nehme doch den nicht, welchen man ihr aufdringen wolte. Wenn sie mich nicht haben solte, nehme sie gar keinen, und sie wolte lieber was anders thun, als einen heyrathen, den sie nicht liebhaben könnte. Damigens Hr. Vater aber war ihr hierauf sehr scharff auf den Dache und verboth ihr bey seiner höchsten Ungenade, nicht wieder zu mir zu fahren, denn er hatte auch in allen Thoren bestallt, daß niemand sie hinaus lassen sollte. Bekam ich also dazumahl Damigen nicht wieder zu sehen, hernach so gings den guten Menschen gar unglücklich, daß also Ihren gestrengen Herrn Vater es alle Leute vor übel hielten, daß er sie mir versaget hatte.

Nach diesen hatte ich mir auch gäntzlich vorgenommen, Stockholm wieder zu verlassen, weil ich in dem 2 gantzer Jahr schon da mich umgesehen. Indem ich mich nun resolviret, den andern Tag wieder auf das Schiff zu begeben, ging ich vorigen Tag noch einmal in des Gärtners Lust-Garten und sahe, ob die Pflaumen bald reiff waren. Indem ich einen Baum so nach [den] andern beschauete, kam des Gärtners Junge Sporenstreichs wieder auf mich zugelauffen und sagte: Daß iemand draussen vorn Thore mit einen schönen Schellen-Schlitten hielte, der wolte mich gerne sprechen. Er hätte einen grossen grünen Fuchspeltz an. Nun kunte ich mich nicht flugs besinnen, wer es seyn müste. Endlich besann ich mich auf meinen Hr. Br. Grafen, ob der es etwa seyn müste und lief geschwinde mit den Jungen aus den Garten vor. Wie ich vor kam, so wars der Tebel[65] hohlmer mein Hr. Br. Graf, welchen ich zu Hamburg in Stiche gelassen! O Sapperm., wie erfreuten wir uns alle beyde, daß wir einander wieder sahen! Ich nahm ihn gleich mit in des Gärtners Stube und ließ ihn flugs was zu essen und zu trincken geben, denn er war der Tebel hohl mer bald gantz verhungert und sein Pferd sahe auch gantz mager aus! Das muste des Gärtners Junge flugs hin aus auf die Wiesen in die Weide reiten, aufdaß sichs wieder ausfressen solte. Damit erzehlete er mir nun allerhand, wie es ihm in Hamburg noch gegangen wäre und wie die Dame Charmante mich so betauret, als ich die Flucht nehmen müssen und sie so unverhofft verlassen. Er brachte mir auch einen Brieff mit von ihr, welchen sie nur verlohren an mich geschrieben, daß er mir denselben doch zustellen möchte, denn sie hatte vermeinet, ich wäre schon längstens todt, weil ich ihr gar nicht geschrieben, wo ich wäre. Der Inhalt des Briefes war wie folget also und zwar Verß weise:


Anmuthger Jüngling, lebst du noch? oder liegst du schon verscharret?

Weil du weder Brieff noch Gruß deiner Liebsten schickest ein?

Ach! so heist es leider! wohl recht umsonst auf das geharret,

Was man in Gedancken küst und muß längst verweset seyn.

Biß du todt! so gönn ich dir dort die höchst vergnügten Freuden;[66]

Lebst du noch, anmuthger Schatz? und erblickest dieses Blat,

Welches die Charmante schickt, die dich muste plötzlich meiden,

Als dein tapffrer Helden-Muth dich verjagte aus der Stadt.

Lebst du noch? so bitt ich dich, schreib mir eiligst doch zurücke,

Wo du bist – es mag der Weg auch sehr höchst gefährlich seyn,

So will ich dich sprechen bald mit des Himmels guten Glücke,

Wenn du hierauf nur ein Wort erst Charmanten lieferst ein.


Als ich diesen Brief gelesen, ging mir die Charmante so zu Gemüthe, daß ich mich des Weinens nicht enthalten kunte, sondern hieß meinen Hr. Bruder Grafen essen und ging hinaus vor die Stubenthür und gransste der Tebel hohlmer da wie ein kleiner Junge. Als ich nun ausgegransst hatte, sagte ich zum Lust-Gärtner, er solte mir doch Feder und Dinte geben, ich wolte eiligst diesen Brieff beantworten. Der Lust-Gärtner sagte hierauf: Es stünde alles zusammen oben in der Sommer-Stube und wenn ichs verlangete, so wolte er solches herunter hohlen lassen. Beliebete mir aber, droben zu schreiben, alwo ich nicht von Reden gestöret würde, könte ichs auch thun. Ich ließ mir solches gefallen, bath dem Hn. Bruder Grafen, ob er mir verzeihen wolte, daß ich ihn ein wenig alleine liesse, und ich wäre nur gesonnen, den Brieff wieder zu beantworten[67] und fortzuschicken. Der Hr. Bruder Graf sagte hierauf nur, daß ich doch mit ihm kein Wesens machen solte und ich möchte so lange schreiben als ich wolte. Er würde mich daran nicht hindern.

Damit so wanderte ich zur Stubenthür hinaus und wollte eiligst die Treppe hinauf lauffen. Ich werde es aber nicht gewahr, daß eine Stufe ausgebrochen ist und falle da mit den rechten Beine hinein in die Lücke, wo die Stufe fehlt, und breche der Tebel hohlmer das Bein flugs mursch entzwey! O Sapperment! wie fing ich an zu schreyen! Sie kamen alle, wie auch der Hr. Graf, darzu gelauffen und fragten, was mir wäre. Allein es kunte mir keiner helffen – das Bein war einmahl in Stücken! Der Lust-Gärtner schickte flugs nach den Scharffrichter, daß der kommen muste und mich verbinden, denn es war der Tebel hohlmer ein wackerer Mann in Bruch heilen. Derselbe brachte mirs sehr artig wieder zu rechte, ob er gleich 12 gantzer Wochen an denselben docterte. Als ich nun so ein Bißgen drauf wieder fussen kunte, so muste ich hernach allererst der Charmante ihren Brieff beantworten, welcher folgender massen auch Verßweise sehr artig eingerichtet war:


Mit Wündschung zuvor alles Liebes und Gutes,

Schelmuffsky lebet noch und ist sehr gutes Muthes!

Hat Er gleich vor zwölff Wochen gebrochen das rechte Bein,

So wird dasselbe doch vom Scharffrichter bald wieder geheilet seyn.

Der Herr Bruder Graf ist mit seinen Schlitten bey mir glücklich ankommen[68]

Und einen Brieff mitgebracht, woraus ich vernommen:

Das meine liebe Charmante gerne wissen möchte: ob ich lebendig oder todt?

Es hat aber mit mir der Tebel hohlmer noch keine Noth.

Ich lebe itzunder in den Lande Schweden,

Wenn nun du, hertzes Kind, wilst gerne mit mir reden?

Zu Stockholm bey den Lust-Gärtner in der Vorstadt hab ich mein Quartier,

So must du bald kommen her zu mir;

Denn ich werde nicht gar lange mehr da bleiben.

Das ists nun, was ich dir zur Antwort hiermit habe wollen fein geschwinde schreiben.

Indessen lebe wohl, gesund, frisch spat und früh

Und ich verbleibe allezeit dein


anmuthiger Jüngling

Schelmuffsky.


Ob ich mich nun wohl aufs Verß machen nicht groß geleget hatte, so war mir doch der Tebel hohl mer dieser Brief Verßweise sehr artig gerathen. Denselben schickte ich nun durch des Gärtners Jungen zu Stockholm ins Posthauß, damit er citò möchte nach Hamburg bestellet werden.

Hierauf giengen kaum vier Wochen ins Land, so kam meine Liebste Charmante auch anmarchiret. Wie sie mich nun sahe, Sapperment! fiel mir das Mensche nicht um den Halß und hertzte mich! Sie[69] fraß mir vor Liebe der Tebel hohlmer bald die Schnautze weg. Sie erzehlete mir hernach auch, wie mich die Rädelwache zu Hamburg 3mahl in ihren Bette gesucht hätte, weil ich so viel Kerl hätte zu schanden gehauen, und wie mich die Compagnie auf den Tantzboden so ungerne verlohren, weil ich einen vortrefflichen Springer abgegeben. Ich solte ihr auch erzehlen, wie mirs die Zeit über gegangen wäre, als ich von Hamburg die Flucht nehmen müssen. Damit erzehlete ich ihr, und auch wie wir auf der See hätten Sturm gehabt u. was ich vor allerhand Fische gesehen. Aber wie mirs in Stockholm mit der Ohrfeige wegen Jungf. Damigen gegangen wäre, davon sagte ich ihr der Tebel hohlmer kein Wort.

Ob ich nun wohl, wie mein Bein völlig wieder curiret war, mich wolte zu Schiffe wieder setzen und die Welt weiter besehen, so ließ ich mich doch auf der Charmante ihr Bitten überreden, daß ich ein halb Jahr noch in Stockholm blieb und ihr dieses und jenes zeigete. Nun ist eben nichts sonderliches da zu sehen, als daß Stockholm eine brave Stadt ist, sehr lustig lieget und um dieselbe herum schöne Gärten, Wiesen und vortreffliche Weinberge angebauet seyn und daß der Tebel hohlmer der schönste Necker-Wein da wächset. Allein von Fischwercke und solchen Sachen giebts eben so wenig als in Hamburg! Forellen hat man zwar gnug auch da, allein wer kan einerley Fische immer essen! Aber unerhörte Viehzucht gibts da wegen der Gräserey.[70] Es giebt der Tebel hohlmer Kühe dort, da eine wohl auf einmal 40 bis 50 Kannen Milch gibt! Sie machen im Winter auch flugs Butter, die sieht der Tebel hohlmer wie das schönste gewundene Wachs.

Nachdem ich meine Charmante nun überal herum geführet und ihr dieses und jenes in Stockholm gezeiget, machte ich mich mit ihr benebst den Hn. Bruder Grafen wieder Reisefertig, bezahlete, was ich da bey den Lust-Gärtner verzehret hatte und dingeten uns auf ein Schiff, welches uns mit solte nach Holland nehmen. Wie wir nun mit den Schiffer richtig waren, packte der Hr. Graf seinen Schellen-Schlitten mit seinen Pferde auch auf das Schiff, dann er, wenn er zu Lande käme, wieder kutschen könte. Als es bald Zeit war, daß das Schiff fortseegeln wolte, nahmen wir von den Lust-Gärtner Abschied und bedanckten uns nochmahls vor allen guten erzeigten Willen. Da fing der Tebel hohlmer der Mann an zu weinen wie ein klein Kind, so jammerte ihn unser Abschied! Er beschenckte mich auch zu guter letzt mit einer wunderschönen Blume; ob dieselbe gleich kohlbech-schwartze Blätter hatte, so kunte man sie doch der Tebel hohlmer auf eine gantze Meil wegs riechen! Er nennte sie nur Viola Kohlrabi. Dieselbe Viola Kohlrabi nahm ich nun auch mit. Damit marchireten wir nun fort und nach den Schiffe zu.

Als wir nun dahin kamen, Sapperment! was sahe man da vor Volck, welches mit nach Holland gehen wolte! Es waren der Tebel hohlmer wohl auf sechstausend Seelen, die setzten sich nun alle auch mit zu[71] Schiffe und hatten in willens, Holland zu besehen. Wie es uns aber dasselbe mahl auf der See erbärmlich gieng, werden einen die Haare zu Berge stehen, wer folgendes Capitel lesen wird.

Quelle:
Christian Reuter: Schelmuffskys kuriose und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und Lande. Stuttgart 1979, S. 53-72.
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