Kapittel 31

[453] Worüm Lowise den Gürlitzer Weg entlang gung, un wat sei nah Westen tau kiken hadd, bet ehr de Ogen tranten. – Hawermann mit de Fru Pastern, un dat de Fru Pastern wünscht, ehr Paster wir tau Städ'. – Bräsig vertellt sinen Korl lange Geschichten von ollen Ihrgistern. – 'ne bleike Gestalt oder Vader un Kind. – Bräsig verswört sick up sin eigen Hand gegen Pomuchelskoppen, indem dat hei för kein Kreih gellen will. – Ein Afsegg-Breiw. – Bräsig führt mit Wewer Rührdanzen de Landstrat entlang, un sei unnerhollen sick doräwer, wat en Schapbuck ok Poppieren brukt. – Bräsig red't mit de gnedig Fru von Distelköpp, un Fritz Triddelfitz möt mit Marie Möllers taum Vörschin kamen. – Worüm Pomuchel ümmer en dickes Halsdauk drog.


In Rahnstädt, in de Fru Pastern ehren Hus', was dat den Dag nah Wihnachten en flitiges Lopen Trepp up, Trepp dal, denn Lowise läd hüt de letzte Hand an de Utrichtung von ehr Vaders Stuw', un wenn sei dacht, so nu wir't gaud, denn fehlte doch ümmer noch wat, wat sei em tau Gauden dauhn kunn. De Middag kamm ran; äwer ehr Vader was noch nich dor, un sei hadd doch dat Eten för em inricht't; sei deckte also ok för ehren Vader, denn hei kunn jo wildeß kamen. – »Ich weiß nicht«, säd sei tau de lütte Fru Pasturin, »mir ist heute gar zu bange ums Herz.« – »Was?« rep de lütte Fru, »bist erst ein Vierteljahr in der Stadt und kriegst schon Ahnungen wie eine städtische Teedame? – Wo ist denn mein frisches Landmädchen geblieben?«, un dorbi strakte sei ehr Pleg'kind so recht munter un fründlich äwer dat Gesicht. – »Nein«, säd Lowise un grep sick de fründliche Hand un höll sei fast in ehre eigne, »solchen unbestimmten Ahnungen hänge ich nicht nach, es sind leider sehr bestimmte Befürchtungen, ob der Vater sich bei dem Mangel an Tätigkeit hier wohl fühlen und sich an das städtische Leben gewöhnen wird.« – »Kind, du tust, als ob Rahnstädt eine Residenz wäre; nein[453] – Gottlob! – hier gehn die Gänse ebensogut barfuß wie in Pümpelhagen, und wenn dein Vater an einer ökonomischen Tätigkeit seine Freude haben will, dann kann er unsern Nachbar rechts seinen Dung mit zwei und unsern Nachbar links denselben mit drei Pferden fahren sehn, und will er eine landwirtschaftliche Unterhaltung, dann braucht er sich bloß an unsern Hauswirt Kurz zu wenden, der wird ihm so viel von Wiesenverpachtung und Stadtbullen erzählen, bis er's ebenso satt hat wie wir.« – Lowise lachte, un as dat Middageten afdragen was, säd sei: »So, Mutter, nun leg dich ein bißchen zur Ruhe, ich will doch einmal den Weg nach Gürlitz entlang gehen, ob ich den Vater nicht treffen kann.« –

Sei namm ehren Mantel üm, set'te sick 'ne warme Hüll up den Kopp un gung den Weg entlang, den sei sick von Anfang an taum Spazierengahn utwählt hadd, denn hei führte ehr neger an dat Flag, wo sei so recht glücklich west was, un wenn sei Tid hatt hadd, was sei vördem bet up den Äuwer gahn, von wo ut sei Gürlitz mit de Kirch, mit dat Pasterhus un den Kirchhoff hadd seihn kunnt, un wenn sei noch mihr Tid hatt hadd, was sei bi Lining un Gottlieben en beten unnertreden un hadd en beten von ollen un nigen Tiden red't. Sei gung un gung, ehr Vader kamm nich, de Ostwind weihte ehr in't Gesicht un farwte ehre Backen rosenrod, dat ehr leiwlich Antlitz ut de düstere Newelkapp herute sach as en hellen Frühjohrsdag, wenn hei ut düstere Regenwulken herute schint un de Welt mit Hoffnung un Freuden füllt. Äwer in de Ogen was ehr dat Water treden; was't von den snöden Ostwind? Was't dorvon, dat sei den Weg entlang so nipp nah ehren Vader utsach? Wiren't Gedanken? – Ne, 't was nich de Ostwind, denn sei was stahn blewen un sach nah Westen, un de Ogen wiren doch vull Tranen, 't was nicht dat Utseihn nah ehren Vader, denn sei sach von em af nah de Gegend hen, wo de Sünn as en füerroden Ball allmählich achter de swarten Dannen versacken wull; denn wiren't woll ehre Gedanken. So'ne Gedanken, de in Freud un Led' üm dat junge Hart spelen, de 't mit Rosenkräns' ümwinnen, dat dat männigmal[454] tau Höchten jubeln müggt mit Lust ahn En'n un männigmal sick dod weinen müggt, wenn de Durn von de Rosenkräns' dat Hart bläudig reten hett. – Äwer worüm nah Westen? – Ach, sei wüßt jo, dat hei dor was, dat von dorher de schönsten Grüß' an ehr Hart bestellt würden. – »Nach Westen, oh, nach Westen hin beflügle dich, mein Kiel! Dich grüßt noch sterbend Herz und Sinn, du meiner Sehnsucht Ziel!« flusterte dat in ehr, dat sei rod äwergaten dor stunn in de säutste Unrauh äwer de heimliche Gewalt, de ut ehren Harten sprok, rosenrod as de schöne Frühjohrsdag, wenn hei tau Rüst geiht un de Wulken farwt un en nigen schönen Dag för den annern Morgen verspreckt.

Sei gung wider bet up den Äuwer, wo ehr oll Vader vör en por Stun'n stahn un all de Bitterkeit utgaten hadd, de em Minschen in sinen Beker inschenkt hadden, sei stunn dor still un kek up Pümpelhagen un Gürlitz, un all de Leiw, de Minschen ehr up dese Fläg' baden hadden, let ehr Hart äwerlopen, un wat dat arme olle Hart dor in Haß un Jammer flucht hadd, wusch dat Gebett von de Dochter mit ehre Tranen vull Leiw un Dankborkeit von de Tafel, wo allens up verteikent steiht.

Von Rahnstädt nah Gürlitz was 'ne Mil, un de Wintersünn slek sick all dicht äwer de Ird tau ehren Unnergang an den Hewen lang; sei müßt nah Hus gahn. Dunn sach sei einen Mann ut Gürlitz kamen, dat kunn ehr Vader wesen, sei stunn noch 'ne Wil still un kek: ne, dat was ehr Vader nich! un sei gung en En'nlang wider, kek sick wedder üm, un nu würd sei gewohr, dat dat ehr Unkel Bräsig was, de driwens up ehr tau kamm. »Gott du bewohre, Lowise! wo? Du stehst ja woll hier auf der offenbaren Landstraß in den spöttschen Wind? – Was kommst du denn nich runter zu die jungen Pasterleut?« – »Nein, Onkel Bräsig, heute nicht. Ich bin bloß meinem Vater entgegengegangen.« – »Was? Korl Hawermann? Na, is der noch nicht bei euch?« – »Nein, noch nicht!« – »Na, er is aber doch schon heute morrn hentau halb zwölwen durch Gürlitz gegangen.« – »Er ist schon hier gewesen? Mein[455] Gott, wo ist er denn geblieben?« – Nu föll äwer Bräsigen dat verstürte Wesen von Hawermannen in, hei sach de Unrauh von dat leiwe Kind, hei säd also, üm sei tau trösten: »Ja, mit uns Landmännern hat das männigmal 'ne Bewandtnis; da hat einer hier und der andre da was zu besorgen; möglich, daß er hier rechtsch nach Gülzow gegangen is; möglich, daß er schon in Rahnstädt is un da Geschäften abmacht. – Aber ich«, set'te hei hentau, »ich geh mit dich, Kindting, ich hab auch noch Geschäften in Rahnstädt und bleibe da die Nacht, indem ich den überklugen Siropsprinzen, den Kurzen, die drei Daler wieder abnehmen will, die er mich in dem ßackermentschen Bostohn abgenommen hat. 's ist heute nämlich Klubtag.«

As sei en beten wider gahn wiren, jog ehr 'ne Halfsches' von Rahnstädt tau entgegen, 't was Krischan Däsel mit Dokter Strumpen. De Dokter let hollen: »Haben Sie schon gehört? Herr von Rambow hat Unglück mit einem Jagdgewehr gehabt, er hat sich den Arm zerschossen. Aber ich habe keine Zeit, der Kutscher hat schon lange auf mich warten müssen; ich war nicht zu Hause. – Weiter!« – »Was ist dies?« rep Lowise, »mein Vater sollte aus Pümpelhagen fortgegangen sein, wenn dort ein solches Unglück geschehen ist? Das hätte er nicht getan.« – »Das kann ja aber nach ihm passiert sein«, säd Bräsig, äwer, wenn hei sick Hawermannen sin Wesen von hüt morrn vörstellte, denn glöwte hei sülwst nich an sine Utflucht. Lowise würd ümmer ängstlicher un drew tau raschen Schritten. Tüschen ehren Vader sin Utbliwen un dat Unglück in Pümpelhagen kunn sei keinen Tausamenhang finnen, un doch was ehr so, as müßt dat ein mit dat anner tausamhängen.

Wildeß was Hawermann in Rahnstädt bi de Fru Pastern ankamen. Hei was von den graden Weg afgahn un hadd en Ümweg namen, dat hei sick besinnen künn un dat hei nich in so'ne schreckliche Upregung vör de Ogen von sin Kind kem. As hei nu bi de Fru Pastern in de Dör tred, hadd hei sick frilich fat't; äwer de grugliche Strid, den hei in sinen Harten[456] vör en beten hadd utfechten müßt, hadd 'ne Laschheit un 'ne Mattigkeit in em taurügg laten, de em teihn Johr öller utseihn let un de lütte Fru glik in de Ogen fallen müßt. Sei sprung in de Höcht, let den Kaffe äwerkaken, bi den sei just rümhandtierte, un rep: »Gott im Himmel! Hawermann, was ist Ihnen? Sind Sie krank?« – »Nein! – Ja, ich glaube. – Wo ist Luise?« – »Die ist Ihnen ja entgegengegangen, haben Sie sie denn nicht getroffen? – Aber setzen Sie sich doch! Mein Gott, Sie sehen so angegriffen aus.« – Hawermann set'te sick dal un kek sick in de Stuw üm, as wull hei seihn, wat hei ok mit de Fru Pastern allein wir. – »Hawermann, sagen Sie mir, was ist Ihnen?« säd de lütte Fru un fot sine slappen Hän'n in ehre. – »Mit mir ist's vorbei; ich muß von jetzt an als unnützer und unehrlicher Mensch durch die Welt gehn.« – »Oh, nicht doch! Nicht doch! Sagen Sie doch nicht so etwas!« – »Daß mir die Gelegenheit zum Wirken genommen wurde, darin hatte ich mich gefunden, wenn auch schwer; aber daß ich auch meinen ehrlichen Namen verlieren soll, das brennt mir auf der Seele, das kann ich nicht verwinden.« – »Und wer sollte Ihnen den nehmen?« frog de Fru Pastern un kek em so recht tru in de Ogen. – »Die Leute, die's am sichersten können, der Herr von Rambow und seine Frau«, säd de olle Mann un fung an, de Geschicht tau vertellen, mit matte Stimm un oft unnerbraken; äwer as hei tauletzt dormit slot, dat de junge Fru em ok verlaten, em den Rüggen taukihrt hadd un em as Deiw un Bedreiger hadd ut de Dör gahn laten, dunn brök de Zorn wedder bi em ut, hei sprung von den Stauhl up un gung mit blitzende Ogen un ballte Fust in de Stuw up un dal, as wull hei den Strid mit de slichte Welt upnemen. – »Oh«, rep hei ut, »wenn's das nur wäre! Aber sie haben mich schändlicher getroffen, als sie ahnen können, sie haben das Glück meines armen Kindes in mein Unglück hineingerissen. – Da! lesen Sie, Frau Pastorin!«, un hei gaww ehr den Breiw von Franzen hen. – Sei las, dat Blatt knitterte in ehre Hand, so hadd ehr de Geschicht in Upregung set't; hei stunn vör ehr un kek sei, ahn den Blick tau wennen, an. – »Hawermann«,[457] säd sei un fot sine Hand, as sei lesen hadd, »sehen Sie denn nicht den Finger Gottes: was der eine Vetter an Ihnen gesündigt, soll der andere wieder gutmachen.« – »Nein, Frau Pastorin«, säd hei hart, »ich müßte ein solcher Schurke sein, wie die Welt mich von jetzt an nennen wird, wollte ich einem braven, vertrauenden Manne eine Frau mit beflecktem Namen in sein Haus führen. – Arm und ehrlich! meinetwegen! aber unehrlich? – Nimmermehr!« – »Ach Gott!« rep de lütte Fru, »wo ist nun mein Pastor? Wenn nun doch mein Pastor hier wäre! der könnte helfen und raten.« – »Das könnt' er«, säd Hawermann still vör sick hen. – »Ich kann's nicht!« rep hei ut, »mein Kind muß sich selbst raten, und Sie müssen dazu helfen, Sie haben mehr für ihr Gefühl für Recht und Unrecht getan, als ich leider tun konnte. Wenn mein Kind es für recht und ehrlich hält, trotzdem sein Jawort zu geben, wenn Sie selbst Ihre Zustimmung geben, dann mag's sein! Ich will keinen Einfluß auf sie üben, ich will sie nicht früher sehn, bis sie entschieden hat. – Hier ist ein Brief von Franz an sie, geben Sie ihr den und erzählen Sie ihr vorher, was vorgefallen ist; so wie ich's Ihnen erzählt habe, so ist es wahr. Ich gehe in mein Zimmer; ich kann nicht, ich darf nicht die Hand dazu bieten.« – Hei gung ut de Stuw; hei kamm wedder rin: »Frau Pastorin! Halten Sie's für ihr Glück, keine Rücksicht auf mich! Vergessen Sie, was ich vorher gesagt habe! – Ich will tun, was ich kann, daß mein beschimpfter Name im Verborgenen bleibt.« Hei gung wedder ut de Dör, up de Trepp säd hei vör sick hen: »Ick kann nich anners, ick kann nich anners.« As hei sick in sin Stüwken up den Sofa dal smet un üm sick rüm de Hand von sin Döchting sach, wo sei allens üm em rümmer ordnet un reiht hadd, läd hei sick de Hand äwer de Ogen un weinte still vor sick hen: »Un dat süll ick denn all missen?« – Deip süfzte hei up: »Un worüm nich? worüm nich? – Wenn't ehr Glück wir«, rep hei ut, »ick wull sei jo gor nich wedder seihn.« – De Husdör klingelte, hei hürte Bräsigen sine Stimm, hei hürte den hellen Gruß von sin Kind; allens was wedder still, hei horkte up jeden Lud. – Nu säd Fru[458] Pastern, wat passiert wir, nu würd sin leiwstes Hart terreten. – Langsam kemen Tritten de Trepp herup; Bräsig kamm herin, hei sach so still un eben ut, as wir em de Dod äwer't Graww lopen, sine Ogenbranen, de hei süs so hoch uptreckte, wenn em wat Ungewöhnliches passierte, legen deip un swor äwer de Ogen, hei säd nicks as: »Ich weiß, Korl, ich weiß allens« un set'te sick bi sinen Fründ up den Sofa.

So seten sei lang' in'n Halwschummer, keiner säd wat; tauletzt grawwelt Bräsig nah Hawermannen sine Hand: »Korl«, säd hei, »wir kennen uns nu schon an die funfzig Jahr. – Weitst woll noch bei den ollen Knirkstädt? Was haben wir doch for 'ne schöne Jugendzeit gehabt! Ümmer zufrieden und fröhlich! Und ausbenommen ein paar dumme Streiche, die ich for dir mitmachte, haben wir uns in'n ganzen nichts vorzuwerfen. – Korl, es ist doch ein gewissermaßenes Gefühl, wenn man sich so in ollen Dagen sagen kann: ja Dummheiten! aber Slechtigkeiten nich!« – Hawermann tuckte tausam un treckte em de Hand weg. – »Korl«, säd Bräsig wider, »ein gut Gewissen is doch 'ne schöne Sach' in ollen Dagen, und es ist markwürdig, ganz markwürdig, daß diese gute Gewissen in ollen Dagen sich ümmer stets un ständig zusammenfinden un nich voneinander lassen. – Korl, min leiw oll Jung'!«, un hei föll em üm den Hals un weinte bitterlich. – »Bräsig«, säd Hawermann, »mak mi dat Hart nich swor, 't is so all swor naug.« – »Ih wo, Korl! Wo kann dein Hart swor sein? Dein Hart is jo rein wie Hiob, das muß jo so leicht sein as 'ne Lewark, die in den kloren Hewen steigt, denn die Geschicht mit den entfamtigten – nein, davon wollt' ich nich sagen; ich wollt' sagen ... Na, wovon sprachen wir doch noch? – Je so! – Von die Gewissen. – 's ist doch sonderboren mit die Gewissen, Korl! Da is zum Exempel Kurz mit sein, denn er hat ebensogut eins als du und ich, und ich glaube auch, daß er damit mal vor Gott bestehen wird; aber vor mir besteht er man sehr slecht, denn er kickt beim Bostohn in die Korten; er hat 'ne Art von Gröschens-Gewissen; denn, siehst du, in großen Dingen ist er ganz reellemang, zum Exempel:[459] mit der Hausmiete von die Frau Pasturin; aber so ellenwis' un pottwis' un pundwis', da nimmt er's, wo er's kriegen kann, da schaniert er sich gar nicht, d.h., wenn er's kriegt; kriegt er's aber nicht, denn ist's ihm aber doch schanierlich. – Und da wollt' ich nu man sagen, Korl, wenn du nu hier wohnst, denn mußt du doch mit ihm Umgängnis halten, und das Plesier ist auch man ebenso soso als sein Gewissen, denn er will männigmal als Ökonomiker mit diskurieren und kommt denn zu Raum, als wenn er in 'ner Mergelkarr spazierenfährt. – Das kann for dir also kein Plesier sein, und da habe ich mich so gedacht, wenn ich unsern jungen Pastor seine Frühjohrssaatzeit besorgt habe und allens en bitschen zu Schick is, denn zieh ich hier zu dir her, und denn müntern wir uns gegenseitig hier auf und können jo denn in'n Aust ümmer nach Gürlitz rausgehn, daß das olle Worm von Gottspriester nich in Ungelegenheiten kommt, und das wird er nich, denn Jürn is ein nachdenklicher Mensch, und er selbst nimmt sich ja auch – Gott sei Dank! – schon allerlei Dugenden an, indem daß Lining ihm beisteht. Un wenn er mit das erste Jahr durch is, denn sollst du sehn, hat er die Pestisterei auf den Kaffstall gezogen; aber wir müssen ihn männigmal en bitschen zappeln lassen, daß er sich quälen muß und das Weltliche erkennt, und daß zu's menschliche Leben mehr hört as in die Gesangbücher lesen. – Ja, und denn komm ich zu dich her, Korl, und es soll en Leben werden as in Paris, und du sollst mal sehn, Korl, das letzte Viertel von unsere Lebenszeit soll noch das beste Stück an den ganzen Ochsen werden.« – Un hir fat't hei em wedder rund üm un red'te von vergahene Tiden un taukünftige, allens krus dörchenanner, as wenn 'ne Mutter ehr Kind up anner Gedanken bringen will. De Man schinte in't Finster rin, un wat kann 'ne terretene Seel woll beter heilen as sin säute Schin un de Leiw' von en ollen langjöhrigen Fründ, de tru tau uns stahn hett? Mi dücht ümmer, för en richtig Verleiwten paßt sick de helle, heite Sünn; äwer mit 'ne Fründschaft stimmt de Man beter tausam.[460]

As sei noch so seten, gung de Dör up, un mit lisen Schritt kamm 'ne slanke Gestalt in de Stuw un blew in den vullen Manschin stahn, de Arm' hadd sei äwer de Bost krüzt, un en bleikes Gesicht lücht'te in den Schin, as wir't en Bild ut witten Marmelstein an düstre Taxuswand: »Was hat man dir, du armes Kind, getan?«

Bräsig gung ut de Stuw, ahn wat tau seggen, Hawermann deckte sick de Hand äwer de Ogen, as ded em dorin wat weih, weih bet in't bindelste Hart herin. De slanke Gestalt smet sick an sine Sid, de krüzten Arm deden sick utenanner und slogen sick üm em, un dat bleike Gesicht läd sick an sin. – 'ne ganze Tidlang was dat still, tauletzt hürte de oll Mann lise, weike Würd' an sin Uhr weihn: »Ich weiß, was du für recht hältst; ich bin dein Kind – nicht wahr? – dein liebes Kind?« – Hawermann slog sinen Arm üm sin leiwes Kind. – »Vater, Vater!« rep sei, »wir scheiden uns nicht! – Mein anderer Vater, der nun bei Gott ist, hat mir's erzählt, wie du dich nicht hast von mir trennen wollen, als du im tiefsten Kummer und Leid warst, als die gute Tagelöhnerfrau mich behalten wollte; nun bist du wieder in Kummer und Leid, wolltest du dich jetzt von mir scheiden? Sollte ich dich jetzt lassen?« – un sei drückte em an sick und säd sachten: »Dein Name ist mein Name, deine Ehre ist meine Ehre, dein Leben ist mein Leben.« –

Vel is dor spraken in den säuten Manschin, in dat truliche Stüwken, äwer wat allens, dat sall keiner verraden, denn wenn en trugen Vader un en leiwes Kind sick bereden, för dat ganze Lewen sick bereden, denn spreckt uns' Herrgott dor mit in, un't is nich för de Welt, 't is för de beiden.

Unnen in Fru Pastern ehre Stuw gung't anners tau. Fru Pastern satt in den Lehnstauhl un weinte bitterlich; de leiwe gaude Fru was ganz intwei, Hawermannen sin Unglück hadd ehr hart anfat't, äwer as sei nu den fürchterlichen Strid in de Bost von dat leiwe Mäten sülwst wecken müßt, as sei desen Strid utbreken sach, un as sei nahsten dat Tauvertrugen un den Maud in dat leiwe Hart trotz Weihdag' un Wun'n de[461] Äwerhand krigen sach, dunn was ehr tau Maud', as hadd sei maudwillig dat Glück von ehr Plegkind mit Fäuten treden, un Weihdag' un Vörwürw' un Reu un Mitled reten ehr dat Hart intwei, dat sei in de bittersten Tranen utbreken müßt. – Bräsig in'n Gegendeil hadd sin Mitled baben all afmakt, hei hadd all de Mäglichkeit baben bi Hawermannen dahn, sine Wut äwer minschliche Slichtigkeit taurügg tau hollen, un as hei nu bi Fru Pastern rinne tred un in'n Düstern ehren Jammer nich gewohr würd, brok hei los: »Entfamigte Jesuwiter-Package! – Was? so'n Menschen, as Korl Hawermann is, den wollt ihr um Ehre un Reputatschon bringen? – Das ist ja nächst den Satan! – Das ist ja, als wenn einer die Katt hält und der andere sie stäkert. – Verflucht soll die ...« – »Bräsig, Bräsig, ich bitte Sie«, rep de lütte Fru Pastern, »lassen Sie doch Ihr unchristliches Wesen!« – »Das nennen Sie ein unchristliches Wesen? Mich kommt es vor als ein Gesang der heiligen Engel ins Paradies, wenn ich es so gegen die Schuftenstreiche der Jesuwiter-Package vergleichen tu.« – »Bräsig, wir sind nicht die Richter dieser Leute.« – »Das weiß ich woll, Frau Pastorin, daß ich nich Stadtrichter und Sie nich bei die Justizkanzlei sünd; aber wenn mich 'ne Qualdux über den Weg krüppt, denn werden Sie doch nicht von mich verlangen, ich soll ihr for en schönen Karnalljenvogel ansehen? Nein, Frau Pastorin, Qualdux is 'ne Qualdux, und Zamel Pomuchelskopp is die Oberqualdux, die ihren Gift auf uns alle ausgespuckt hat. – Was sagen Sie zu seine Schikanerien, die er nu wieder gegen mich angestift hat? Sehn Sie, da hat er in den einen Fußsteig, der nach dem Paster-Acker schon meinenswegen tausend Jahr lang hinführt, en Pricken stechen lassen, daß wir da nicht gehen sollen, und hat mich sagen lassen, so drad ich darauf güng, wollt er mir die Stiewel ausziehen lassen un wollt mir in den Snei rumhüppen lassen as 'ne Kreih. Nennen Sie das 'ne christliche Besinnung? – Aber ich will ihn verklagen. Wo kann so'n Kerl mich for 'ne Kreih schellen? – Und der Pastor Gottlieb muß ihn verklagen. Wie kann er ihm den Fußsteig verbieten? – Un Jung'-Jochen muß[462] ihn verklagen, denn er hat verschiedentlich in offenbarer Gesellschaft gesagt: Jung'-Jochen wär en ollen Schafskopp, und das braucht Jung'-Jochen nicht for sein Voll zu nehmen. – Und Sie müssen ihn verklagen, daß er ein Witwenhaus bauen muß, indem daß mich alte Leute gesagt haben, daß noch Akten darüber sein müssen. – Un Korl Hawermann muß den jungen Herrn verklagen. – Wir müssen 'ne ordentliche Revolutschon gegen die Jesuwiter anstiften, und wenn's nach mir geht, denn fahren wir morgen in'n Tag' all nach Güstrow zu die Justizkanzlei un verklagen die ganze Gesellschaft in'n pohlschen Bogen un nehmen uns en Stückener fünf Avkaten mit, daß jeder seinen eignen hat, un denn meinenswegen ümmer ›Jüh‹ rin in den Prozeß.« – Wenn hei wüßt hadd, dat Lowise am meisten von de Jesuwiter tau liden hadd, hadd hei ok woll för de einen Avkaten mitnamen; äwer von de ehr Elend hadd hei noch gor keine Ahnung. – Fru Pastern söcht em denn nu tau begäuschen; äwer dat was nich so licht, hei wull allens up den Kopp stellen, un dat Unglück von sinen ollen Fründ hadd sin Hart so ümschüddelt, dat dat, wat süs unnen lag, de lütten Hawjungsargers un de Podagra- un Kortenspillverdreitlichkeiten all nah baben kamen wiren. – »Komm hier her«, rep hei, »daß ich mich hier amüsieren will, indem daß es Klubtag ist, un daß ich das olle Krät von Tütendreiher, den Kurzen, meine drei Daler wieder abjagen will, die er mir mit seine entfamte Kartenkuckerei abgeluchst hat, und nu muß mich der Deuwel sein ßackermentsches Sperfektiv vor die Augen halten, daß ich doch die niederträchtigsten menschlichen Schandtaten ganz in der Nähe sehen soll! – Na, das nenne ich amüsieren! – Und, Frau Pastorin, wenn Sie's nich for ungut nehmen, so möchte ich wohl die Nacht hier bei Ihnen bleiben, denn aus das dämliche Bostohnspiel wird doch nichts, und's wäre woll gut, wenn ich mit Korlen zusammen schlafen täte wegen der Notwendigkeit seiner Aufmunterung.« – Fru Pastern säd denn, dat ehr dat sihr leiw sin süll, un de Abend gung hen unner Verwünschungen von Bräsigen un Begäuschungen von Fru Pastern ehre Sid. Hawermann un[463] Lowise leten sick nich seihn, un as Bräsig nah sinen ollen Fründ ruppe kamm, was Lowise nich mihr dor. –

Den annern Morgen namm Bräsig Afschid von sinen ollen Fründ: »Verlaß dir darauf, Korl, ich will selbsten nach Pümpelhagen fahren und deine Sachen besorgen. Du kriegst allens, wenn's mich auch durch den ganzen Leib kriechen soll, daß ich noch mal den Süll betreten muß, wo sie dich mit solcher Niederträchtigkeit rüber gestoßen haben.«

Den sülwigen Morgen set'te sick Hawermann hen un schrew an Franzen; hei vertellte em wohrhaft un ümständlich dat, wat em in de letzte Tid in Pümpelhagen begegent was, hei schrew em den schrecklichen Utgang, den de Sak namen hadd, mellte em den schimplichen Verdacht, de up sinen Namen follen was, un slot dormit, dat hei un sin Kind doräwer einig worden wiren, sinen Andrag aflehnen tau möten. Hei wull warm un herzlich von de Fründschaft schriwen, de hei för den jungen Mann hadd; äwer 't kamm nich fri as süs, 't kamm gor tau gedrückt herut. Tauletzt bed hei em noch recht irnstlich, em un sin Kind sick sülwst tau äwerlaten, sei beiden müßten ehr Schicksal allein dragen.

Lowise schrew ok, un as gegen Abend Fru Pastern ehr Mäten den Breiw nah de Post hen drog, stunn sei an't Finster un kek achter dat Mäten her, as wenn dat Leiwste up de Welt Afschid för ewig namen hadd, sei kek nah de Sünn, de in Westen unnergahn wull. »Dich grüßt noch sterbend Herz und Sinn, du meiner Sehnsucht Ziel«, sprok dat ut ehr rute. Äwer sei würd nich rod äwergaten as gistern, sei stunn bleik dor, un as de letzte Strahl von de Sünn achter de Hüser verswunnen was, steg en deipen Süfzer ut de preßte Seel up, un as sei sick ümwend'te, sleken bittere Tranen de bleiken Backen dal. – De Tranen floten nich för ehr, ne, för sin Glück. –

As Bräsig an't Pasterhus kamm, lep em de junge Fru Pasturin all in de Dör entgegen: »Ach Gott, Onkel Bräsig, es ist gut, daß du kommst, hier – nein, hier nicht – in Pümpelhagen sind schreckliche Geschichten passiert. Doktor Strumpf ist hier gewesen – unser Jürn ist gestern abend plötzlich so krank geworden,[464] er hat phantasiert –, und da ließ ich dem Doktor, der nach Pümpelhagen gefahren war, vorn am Dorfe aufpassen – und der hat schreckliche Dinge erzählt – er eigentlich nicht, er ließ sich alles nur mühsam abfragen, aber sein Kutscher hat's erzählt, daß – ach, komm hinein, hier zieht es so!«, un somit treckte sei em in de Stuw herinne. Hir vertellte sei em denn nu, dat de Lüd' säden, ehr leiwe Unkel Hawermann hadd Axeln schaten un wir denn furt gahn, keiner wüßt wohen, äwer doch wohrschinlich, üm sick sülwst dat Lewen tau nemen. Bräsig tröst'te sei denn nu mit de Nahricht von Hawermannen sin Lewen un red'te ehr dat mit dat Scheiten ut, frog äwer, wo't mit den jungen Herrn stunn, un as hei hürt hadd, dat Strump de Sak nich för gefährlich höll, gung hei nah Jürn, de ogenschinlich en Anfall von Lungensük hadd. – So was dat denn nu mittewil Middag worden, un hei müßt sick also tau sine Fohrt nah Pümpelhagen rüsten, üm Hawermannen sine Saken tau halen, müßte sick also nah en annern Kutscher ümseihn.

Hei frog in't Dörp herümmer, keiner wull em führen un de Saken upladen helpen, de ein hadd desen, de anner jenen Vörwand, tauletzt wull hei all sülwst Kutscher spelen, dunn säd oll Wewer Rührdanz: »Ja, dat is mi denn ok ganz egal, wat hei dortau seggen deiht; wenn hei dat will, un hei will mi schikanieren, denn kann hei dat jo dauhn, ich führ mit Sei, Herr Entspekter.« Bräsig säd wider nicks hirtau un was man froh, dat hei en Minschen kregen hadd, de em bi dat Upladen behülplich wir, un sei führten af. – »Rührdanz«, frog Bräsig, »wat wull Hei mit dat ›Schikanieren‹ seggen?« – »Je, Herr, hei hett uns dat jo all verbeiden laten, wi sälen jo abslut kein Arbeit för den Preisterhoff dauhn, nich mal en Gang sälen wi för em gahn.« – »Wer hett jug dat verbaden?« – »Je, hei, uns' Herr Pomuchelskopp.« – »Entfamter Jesuwiter!« säd Bräsig vör sick hen. – »Wenn wi dat deden, hett hei uns seggt, denn künnen wie echter Winter uns' Veih mit Sag'spön faudern, hei gew uns nich 'ne Handvull Heu un Stroh, un inbäuten kün'n wi uns mit Teigelstein, denn von Holt un Torf würd[465] woll nich vel de Red' sin.« – Bräsig argerte sick, dat hei brun würd, äwer de Oll was nu in't Reden un blew in vullen Tog: »Un seihn S', för em möt wi jo denn nu ümmer prat sin, dat is Dag oder Nacht. Ich bün dat ganze Fest äwer för em ut west un bün gistern abend irst Klock teihn tau Hus kamen.« – »Wo is Hei denn henwest?« – »Je, nah Ludwigslust, nah de oll Iserbahn!« – »Wat hett Hei denn dor dahn?« – »Ih, dahn heww ick dor nicks.« – »Je, Hei hett doch woll Geschäften hatt?« – »Jawoll, Geschäften hadd ick; äwer dor würd jo nicks ut, denn hei hadd jo kein Poppieren.« – »Na, wat was dat denn?« – »Je, seihn S', dor schicken sei von den Hoff nah mi hen, ick sall en Schapbuck nah de oll Iserbahn führen; na, dat dauh ick un kam mit em denn dor ok richtig an. – Nu steiht dor en Kirl in de Iserbahn, de let mi wornah, ick segg also tau em: ›Gun Morrn‹, segg ick, ›hir is hei.‹ – ›Wen?‹ fröggt hei. – ›De Buck‹, segg ick. – ›Wat sall hei?‹ fröggt hei. – ›Je, dat weit ick ok nich‹, segg ick. – ›Hett Hei kein Poppieren?‹ fröggt hei. – ›Ne‹, segg ick, ›Poppieren hett hei nich.‹ – ›Schapskopp‹, seggt hei, ›ich frag', ob Hei kein Poppieren hett!‹ – ›Ne‹, segg ick, ›ick segg Sei jo, de Schapbuck hett kein Poppieren.‹ – ›Dunnerwetter!‹ seggt hei, ›ick frag' em jo, ob Hei sülben kein Poppieren hett.‹ – ›Wat?‹ segg ick, ›as ick? wat bruk ick Poppieren? Ick sall hir jo nich afliwert warden.‹ – Seihn S', dor ward de Kirl unbescheiden un lett mi irst dor rute smiten, un dunn smeten s' mi den Buck nah, un dunn stun'n wi beid dor vör de Iserbahn. – Huiiii! säd't oll Ding, dor gung s' hen! un wi beid stun'n dor, hei hadd kein Poppieren, ick hadd kein Poppieren, wat süll ick nu äwer dauhn? Ick ladt' em wedder up un führte wedder mit em nah Hus. Un as ick gistern abend nah Hus kamm, dunn gung de Larm irst recht an, ick denk' uns' Herr will mi freten, so fohrt hei up mi los. Äwer wat weit ick? Wenn hei Poppieren hewwen müßt, denn hadden sei em weck mitgewen müßt. – So vel weit ick äwer, wenn uns' Herr nich so'n groten Herr wir un wenn em de Rüggen von babentau nich so stiwt wir un wenn wie all tru tausamen höllen, denn wull'n wi em woll mal 'ne[466] Kus' uttrecken. Un sin oll lang' Register von Wiw, de 's noch dusendmal slichter as hei sülben. – Hett s' nich minen Vadder Kapphingsten sin Dirn äwer Frühjohr halw dod slagen? Dreimal is sei äwer de Dirn mit en Bessenstehl her west un hett s' in't Schur spunnt un hett s' hungern laten, un worüm? – wil dat de Häwk ehr en oll Küken wegnamen hett. – Wat kann de Dirn dorför, dat de Häwk Küken nimmt, un wat kann ick dorför, dat sei mi kein Poppieren gewen hewwen?« – Bräsig hürte dat all mit an, un hei, de gistern noch 'ne ganze Revolutschon gegen Pomuchelskoppen tau Weg' bringen wull, sweg hüt rein still, denn hei hadd't sick sein Dag' nich vergewen, wenn hei mal mit en unbedachtsam Wurd de Lüd' gegen den Herrn uphitzt hadd.

So kemen sei denn in Pümpelhagen an un höllen vör dat Wirtschaftshus still. – Mit en groten Satz kamm Fritz Triddelfitz ut den Hus' up Bräsigen tau: »Herr Inspektor, Herr Inspektor! Ich kann wahrhaftig nicht dafür, Marie Müllers hat das Buch aus Unverstand mit eingepackt, und als ich in Demmin mich umkleiden wollte, da fiel mir das Buch in die Hand.« – »Was for en Buch?« frog Bräsig hastig. – »Herre Gott doch! Hawermannen sein Buch, und davon soll ja der ganze Lärm hergekommen sein.« – »Und das Buch«, rep Bräsig un kreg Fritzen vören in den Kragen tau faten un schüddte em, dat em de Tähnen klätern deden, »das haben Sie, entfamter Windhund, mit nach Demmin genommen?« un gaww em en Schupps nah de Dör hentau, »rin mit Sie! Her mit das Buch!« – Mit Bewern bröchte Fritz dat Bauk taum Vörschin, Bräsig ret't em ut de Hand: »Entfamtigter Windhund! Wissen Sie, was Sie angestellt haben? – Den Mann, der mit Liebreichigkeit Sie zum Menschen hat machen wollen, der alle Ihre Dummheiten mit en seidenen Deckmantel zugedeckt hat, den haben Sie rungeniert, den haben Sie in die schändlichste Demolei gebracht.« – »Herr Inspektor, Herr Inspektor!« rep Fritz un sach dodenblaß ut, »ach du lieber Gott, ich kann ja auch nicht dafür; Marie Müllers hat ja das Buch eingepackt, und ich bin heute in zwei Stunden von Demmin hergejagt,[467] damit ich das Buch wieder schnell zur Stelle brächte.« – »Marie Möllers!« rep Bräsig, »was haben Sie mit Marie Möllers zu tun? – Oh, wenn ich Ihr Herr Vater oder Ihre Frau Mutter oder auch nur Ihre Frau Tanten wär, ich wollte Sie hauen, daß Sie as en Katteiker die Wand lang lepen. – Was haben Sie mit die olle Zanzel von Marie Möllers zu tun? Und meinen Sie, durch Bädeln auf der Landstraß Ihre Dummheiten wieder gut machen zu können? Soll das unschüllige Veih for Sie aufkommen? Abersten nu kommen Sie mal vors Brett, vors Brett kommen Sie! Nu kommen Sie mal vors Gericht bei der gne' Frau! Da sollen Sie mal erzählen, wo die Sache zugegangen is, und da können Sie denn mal orndlich mit Marie Möllers Staat machen.« – Un dormit gung hei vörup, un Fritz treckte langsam achter em her as de düre Tid, sin Hart vull Waddik un Weihdag'.

»Melden Sie mir mit dem jungen Menschen mal bei der gne' Frau«, säd Bräsig tau Daniel Sadenwatern, as sei up de Däl ankamen wiren, un wis'te up Triddelfitzen. Daniel makte so'n halwwassen Diener un gung; Fritz stunn dor as Botter an de Sünn un makte en Gesicht, wat em von Parchen her noch sihr geläufig was, indem hei dat dor vördem makt hadd, wenn 'ne Lihrerkonferenz hollen würd un sine Angelegenheiten vor Gericht kemen; Bräsig stunn ganz krumm in de Eck, hadd dat Bauk unnern Arm klemmt un treckte ümschichtig an sine linkschen un an sine rechtschen Stäwelstrippen, dat hei sine gelen Stulpen bet nah baben in vullen Ogenschin setten wull. – As de gnedige Fru kamm un vörup in de Wahnstuw' gung, folgte hei ehr, vor inwennige Upregung un von't Bücken ganz rod, Fritz gung blaß achter an. – »Sie wünschten mich zu sprechen, Herr Inspektor?« frog de junge Fru un kek bald Bräsigen, bald Triddelfitzen an. – »Ja, gne' Frau, aber in diesen Hinsichten wollte ich Sie gnedigst gebeten haben, was Sie nich ersten diesen Apteker-Sohn, diesen« –›entfamten Windhund‹ wull hei seggen, verbet en sick äwer – »jungen Menschen hören wollten, er hat Ihnen saubere Geschichten zu erzählen.« – De junge Fru wend'te sick nu mit en[468] frag'wisen Blick an Fritzen, un de oll Jung' fung nu an wat hertaustamern un würd bald blaß, bald rod un vertellte so tämlich, as dat würklich kamen was, blot Marie Möllers ehren Namen let hei weg un slot: »Und so ist das Buch denn aus Versehen in meinen Mantelsack gekommen.« – »Man raus mit Marie Möllers!« rep Bräsig dortüschen, »die Wahrheit muß endlich zum Vorschein!« – »Ja«, säd Fritz, »Marie Müller hat es eingepackt; ich hatte den Tag so viel zu tun.« – De junge Fru kamm in grote Unrauh: »Und so wäre das alles nur ein unseliger Zufall?« – »Ja, gne' Frau, so ist's«, säd Bräsig, »und hier ist das Buch, und hier auf der letzten Seite ist Hawermannen seine Abrechnung, und er kriegt noch außer seinem Salär gegen 400 Daler raus, und richtig ist's und wird auch stimmen, denn Korl Hawermann verrechnet sich nich und war mir selbst von jung an auf in der Richtigkeit von's Rechnen überlegen.« – De junge Fru namm mit bewernde Hand dat Bauk, un as sei, ahn wat dorbi tau denken, de Tallen up de letzte Sid äwersach, schoten ehr de Gedanken bisterig dörch den Kopp: in dese Sak was Hawermann unschüllig; worüm nich in de anner, an de sei sülwst seindag' nich glöwt hadd? Fritzen sine Geschicht kunn nich utdacht sin, un denn hadd sei den Mann dat bitterste Unrecht dahn; äwer hei hadd up ehren Mann schaten! Dorin funn sei 'ne Ort von Entschuldigung, un sei säd: »Aber, um Gottes willen, wie konnte er auf Axel schießen?« – »Gne' Frau«, säd Bräsig und treckte de Ogenbranen hoch tau Höcht un namm sin irnsthaftestes Gesicht an, »mit Ihrem Wollnehmen, das sünd ausgestunkene Lügen, der junge Herr hat auf ihn angelegt, und als ihn Hawermann das Gewehr hat abnehmen wollen, da is's losgegangen, und das ist das Ganze, und ich weiß allens, denn er hat's mir selbst erzählt, und er lügt nich.« – Leiwer Gott, dat wüßt sei, un sei wüßt ok, dat sei dat von ehren Mann nich seggen kunn; tauirst, in de irste Upregung, hadd hei jo äwer ok seggt: »Ein Mörder ist er nicht«; äwer sörredem hadd hei ümmer seggt, Hawermann hadd em schaten. – Sei set'te sick dal un läd de Hand äwer de Ogen un wull sick mit sick beraden;[469] äwer't gung nich; sei fot sick indessen mäuhsam un säd: »Sie sind gewiß gekommen, um das Geld für den Inspektor in Empfang zu nehmen; mein Mann ist zu leidend, ich darf ihm jetzt nicht damit kommen, ich werde es schikken.« – »Nein, gne' Frau, darum bin ich nicht gekommen«, säd Bräsig un reckte sick höger, »ich bin hierher gekommen, um die Wahrheit zu sagen, ich bin hierher gekommen, daß ich meinen Freund, der vor sechzig Jahren mein Spielkamerad gewesen ist, verdeffendieren will.« – »Das brauchen Sie nicht, wenn Ihr Freund ein gutes Gewissen hat, und ich glaube, er hat es.« – »Daraus seh' ich, gne' Frau, daß Sie die menschliche Natur man slecht kennen. Der Mensch hat zwei Gewissen, das eine sitzt inwendig in ihm, und das kann ihm kein Deuwel nehmen, das andere aber sitzt auswendig von ihm, und das ist sein guter Namen, und den kann ihm jeder Schuft nehmen, wenn er die Gewalt hat und klug ist, und kann ihn tot machen vor die Welt, denn der Mensch lebt nich for sich allein, er lebt auch for die Welt. Und mit den bösen Leumund ist das as mit 'ner Distelstang', die der Deuwel und seine Helfershelfer in unsern Acker säen, die steht da, und je besser der Boden ist, desto mastiger wächst sie und blüht und schießt ins Saat, und wenn der Kopp reif is, denn kommt der Wind – keiner weiß, woher er kommt und wohin er fährt – und der trägt die Federn von den Distelkopp über Feld, und das nächste Jahr steht das ganze Feld voll, und die Menschen stehen da und schelten auf das Feld, und keiner will daran, das Unkraut auszuziehen, denn sie wollen sich keine Dornen in die Fingern stechen. Un Sie, gne' Frau, haben sich auch vor die Dornen gefürcht't, als mein alter Freund for einen Betrüger und Dieb aus Ihrem Hause gejagt is, und das wollt ich Ihnen sagen und wollt Ihnen sagen, daß das meinen Korl Hawermann am meisten gesmerzt hat. – Un nu leben Sie wohl! Weiter wollt ich nichts sagen.« – Un dormit gung hei ut de Dör, Fritz tüffelte achter em an.

Un Frida? – Wo was de junge frische Fru mit de kloren Ogen, mit den sekern Verstand, de allens so dütlich un rauhig[470] äwersach? Dit was de Fru nich mihr von vördem, ut de käuhle verständige Rauh was driwende Unrauh worden, un üm ehr klores Og' hadd sick en Schatten leggt, de ehr hinnern wull, üm sick tau seihn. – »Oh!« rep sei ut, »also auch wieder nicht wahr! Also alle diese Verdächtigungen bloße Ausgeburten der Lüge, der Selbsttäuschung und der unmännlichsten Schwäche! Und meine Angst um ihn, meine Liebe zu ihm mußten mich zu einer Mitschuldigen machen, ich mußte das ehrlichste Herz, das für mich schlug, bis auf den Tod verwunden! – Aber ich will's ihm sagen!« Dormit sprung sei up, »ich will das Gewebe um mich zerreißen!«, äwer swack set'te sei sick wedder dal: »Nein, jetzt nicht; ich kann's nicht; er ist zu leidend.« – Ach, sei hadd woll recht: Unwohrheit un Läg' leggen sick in widen Kreis ok üm dat uprichtigste Hart un kamen em neger un ümmer neger un trecken dat rinne in ehren Warbel, bet dat nich mihr weit, wo ut noch in, dat heit, wenn de käuhle Rauh verluren un de äwerleggte Bedacht in Furcht oder Hoffnung unnergahn is.

As Bräsig nah sinen Wagen kamm, hadd Rührdanz mit Hülp von Krischan Degeln un süs noch wen de Saken binah all uppackt, un wat noch fehlen ded, funn ok bald noch sinen Platz. Bräsig wull nu bi Rührdanzen up den Wagen stigen, dunn höll em Fritz Triddelfitz fast: »Herr Inspektor, ich bitte Sie, sagen Sie Herrn Hawermann, daß ich unschuldig bin, daß ich nicht dafür kann.« – Bräsig wull em all aflopen laten, äwer as hei Fritzen sin leidig Gesicht sach, jammerte em dat, un hei säd: »Ja, ich will's ihm sagen; aber betern Sie sich.« Dormit führte hei af.

»Herr Entspekter«, säd Rührdanz nah en beten, »dat gelt mi jo nicks an, un dat is jo ok man, dat ick dorvon red'; äwer wer hadd dat dacht! – ick mein hir mit Herr Hawermannen.« – »Wat meint Hei?« – »Oh, nicks nich. Ick mein man, dat hei so up den Sturz weg kamen is, un denn mit dat Scheiten.« – »Ih, dat is jo allens dummes Tüg«, säd Bräsig verdreitlich. – »Dat segg ick ok, Herr Entspekter; äwer de Ridknecht Krischan, de stunn dorbi, as wi uppackten, un de säd jo, 't[471] wir de ganze Larm blot von de ßackermentschen Poppieren her kamen, indem dat Herr Hawermann keine richtigen Poppieren hett upwisen kunnt. – Ja, dat segg ick man, mit de verfluchten Poppieren!« – »Hawermannen sine Poppieren sünd ganz in Richtigkeit.« – »Ja, dat segg ick ok, Herr Entspekter, äwer mit dat oll Scheiten! Hüt morrn vertellte uns' jung' Herr Gustäwing dat all in'n ganzen Dörp herümmer.« – »Gustäwing«, rep Bräsig in Wut ut, »is en Bengel as ein junger Hund! Ein Bengel, der noch nich achter die Uhren drög is!« – »Dat segg ick ok, un nemen S' nich äwel, Herr Entspekter; äwer hei is noch de Best von de ganze Laut dor up den Hoff. Denn, seihn S', dor is jo nu de Oll – na, Orndten sin Swestersähn was jo verleden Woch hir, un de is jo nu ut't Preußsch bi Anklam her, un de säd man, wat uns' Herr is, de hadd ümmer Minschenhut an sinen Stock hatt, so hadd hei mang de Lüd' rümmer tagelt; äwer wat de Preußen sünd, de will'n jo dat nu nich mihr för ehren Vull hewwen, un de Lüd' sünd denn ümmer nah dat Landgrafenamt oder nah dat Landratenamt – ick weit't ok nich, wo't oll Dingheit – hengahn un hewwen em dor verklagt, un de Landgraf sall em jo eklich upspuckt hewwen. – Ick wull, wi hadden ok so en Landgrafen up de Neg', denn de Justizkanzlei is gor tau wid.« – »Ja«, rep Bräsig falsch, »wenn ihr so'n Landrat hät't, hät't ihr auch was Rares.« – »Dat segg ick ok, Herr Entspekter; äwer einmal hett hei't tau glupsch makt, dunn hett hei 'ne Fru in annern Ümstän'n taunicht slagen, un, nemen S' nich äwel, Herr Entspekter, dat holl ick för en sihr leges Stück. Dat hett nu jo äwer de König tau weiten kregen un hett dunn anbefahlen, hei süll tidlewens nah Stettin un süll dor Kugeln slepen. Na, dunn is sin oll lang' Rick jo nah den König west un hett en Fautfall dahn, un de König hett em dat ok schenkt: äwer mit den Beding, dat hei tidlewens en isern Ring üm den Hals dragen möt un alle Harwst vier Wochen lang in Stettin Kugeln slept – desen Harwst is hei ok wedder henwest – un dat hei ut sinen Lan'n gung; un so is hei denn nu hirher kamen; äwer, nu seggen S' mal, Herr[472] Entspekter, wenn hei nu hir wegjagt ward, wo bliwwt hei denn?« – »Meinentwegen, wo der Pfeffer wächst!« rep Bräsig. – »Ja, dat segg ick ok, Herr Entspekter; äwer nemen S' nich äwel, ick glöw, sei nemen em dor ok nich, denn seihn S' – Geld hett hei jo, dat hei sick dor anköpen kann –, äwer wo süht dat mit sin Poppieren ut? Denn wenn de König dor sine Poppieren tau seihn kriggt, un hei les't dorin, dat hei en isern Ring üm den Hals hett un dat hei blot dorüm ümmer dat olle dicke, äwerböstige Halsdauk üm den Hals binnen ward, denn ward hei sick ok nich mit em bemengen willen.« – »Je, denn wardt ji em woll behollen möten«, säd Bräsig. – »Je, denn is't woll nich anners; denn möt wi'n woll behollen, denn is hei uns jo woll antru't. – Jüh!« rep hei un jog en lütten Draww dörch Gürlitz; un Bräsig verföll in deipe Gedanken. – Wo was dat doch sonderboren in de Welt! so'n Kirl, de so'n slichten Raup in de Welt hadd, de was in'n Stan'n, einen so rechten ihrlichen Mann sinen gauden Namen aftausniden, un de Welt glöwt so einen Kirl mihr as den braven Mann; denn dat namm hei för gewiß an, dat Pomuchelskopp achter de Geschicht satt; un dat hei allens anset'te, sin Lägen in Kurs tau setten, bewes' em Gustäwingen sine Vertellung, »'t is schändlich«, säd hei, as hei in Rahnstädt vör de Fru Pastern ehren Hus afsteg, »aber warte Zamel! Ich hab' dir schon einen Sticken gestochen mit dem Paster-Acker, ich stech dir noch einen andern; zuerst verklag ich dir aber wegen der ›Kreih‹!« –

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 453-473.
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