Kapittel 32

[473] Worüm de Rahnstädter Nijohr 1846 velen suren Hiring eten müßten. – Von Kaken un Snacken, Gerüchten un Gerichten. – Von Schauster Banken sine kollen Fäut un dat Rahnstädter Fehmgericht. – Wo sick de beiden fetten Austern von sülben updeden, un de Fru Syndikussen de Kopmannsfru Krummhurn ehr Mulwark arretieren müßt. – Worüm de beiden ollen grisen Avkaten losböst'ten und de lütt Akzesser an tau roren fung. – Franz kann täuwen un kümmt wedder.


De Nijohrsdag 1846 was kamen un bröchte sine Glückwünsch, un de Rahnstädter gratulierten sick up de kolle Strat un in de warmen Stuwen, as't sick just drop, un weck slepen bet halwig Middag un eten velen suren Hiring wegen den Silvester-Abend, un vel würd unner de jungen Lüd' vertellt von dit un von dat, wat gistern up den Ball passiert was, un de Ollen seten tausam un vertellten sick ok wat, twors nich, wat up den Ball, ne, wat in de Welt passiert was. Un dor was denn de Geschicht von Hawermannen un den Herrn von Rambow en Haupt- und Tafelstück, wat allenthalben updischt würd, un so as jedes Hus sine eigene Kakeri hett, so hett dat ok sine eigene Snackeri, den einen beleiwt dat Gericht so un den annern so, un jeder makt sick dat för sinen Mund taurecht un bidd't sinen Nahwer dorup tau Gast, un Slus'uhr un David kemen beid' allentwegen ungebeden tau Gast, un de ein streute sinen Peper un de anner sinen Knuwwlok an dat Gericht. Un so was denn bald för de Stadt Rahnstädt un Ümgegend 'ne Geschicht un en Gericht tausam rührt, wat jeden munden müßt, denn jeder hadd sin Leiwlings-Gewürz doran smeten: Hawermann hadd all vör Johr un Dag sine beiden Herrn bedragen un hadd gruglich vel Geld tausamen slagen, weswegen denn ok de jung' Herr von Rambow ümmer in Geldverlegenheiten sitten müßt; mit den Daglöhner Regel hadd hei bi den Deiwstahl tau Halwen hollen, hadd em deswegen ok lopen laten un mit en Gaudspaß furthulpen. – Wat Jochen Nüßler den Plan tau dit Ganze utheckt hadd, wüßten weck noch nich bestimmt. – Äwer tauletzt wir den Apteiker Triddelfitzen sin Herr Sähn, wat en ungeheuer upgeweckten un ümsichtigen jungen Mann wir,[474] em up de Sprüng' kamen, indem dat hei heimlich mal sin Bauk dörchseihn un dorin de ganze Bedreigeri Wurd för Wurd funnen hadd. De hadd dit nu an de Wirtschafterin Marie Möllers vertellt, un sei beid wiren äwerein kamen: Triddelfitz müßte dat Bauk an sick nemen, bet Hawermann furt wir, un dat hadd de äwerleggte junge Mann ok dahn un hadd't mit nah Demmin up de Reis' namen, indem dat hei dat nahsten an den Herrn von Rambow utliwern wull. – Nu hadd äwer den annern Dag Hawermann dat Bauk vermißt un wir up den Gedanken verfollen, Herr von Rambow hadd sick dat aneigent, hei wir also nah em rümmer gahn un hadd em seggt, hei wir en Spitzbauw, un hei süll em sin Bauk wedder gewen, un as de jung' Herr dat nich hadd wullt, hadd hei em en Gewehr up de Bost set't. Dat hadd de jung' Herr nich liden wullt un hadd nah dat Gewehr grepen, un dunn wir't los gahn, un de Herr von Rambow leg nu up den Dod. Hawermann süll sick äwer in de Stadt heimlich verborgen hollen. – Dat was nu so ungefihr de Geschicht, de sick de Rahnstädter tausamenstellt hadden, un jeder wunnerte sick blot, dat de Burmeister so'n gefährlichen Minschen nich in Isen leggen let.

Nu wiren äwer taum Glücken twei verstännige Minschen in de Stadt, de up de Geschicht nich anbiten wullen, dat ein was Moses, de säd, as David em de Sak vertellte, blot: »David, du büst ßu dumm!« un gung an sin Geschäft, dat anner was de Burmeister sülwst, de schüddte mit den Kopp un gung ok an sin Geschäft. – De Rekter Baldrian gung nich an sin Geschäft, denn hei hadd Ferien un säd, wenn't de ganze Stadt säd, denn müßt woll wat doran sin; äwer so vel wull hei seggen, un dorup wull hei't heilig Abendmal nemen: sinen Gottlieb sin Swigervader, Jochen Nüßler, wir nich mit in dat Komplott. – Kurz säd: 't wir all mäglich, äwer hei hadd't den ollen Hawermann nich tautrugt, äwer einer künn den annern nich in't Hart seihn. Indessen müßt hei doch seggen, ein Sak wir em unwohrschinlich, nämlich de, dat Fritz Triddelfitz mit vele Ümsicht handelt hadd, un dorüm glöwte[475] hei, dat sick de Sak en beten anners taudragen hadd. – Grad dorüm nu äwer, dat sin Fritz dorbi verräuhmt würd, glöwte de Apteiker an de Sak un vertellte de Geschicht in de Stadt herümmer, dat hei sinen leiwen Sähn in Upnahm bringen wull.

Un so sonderboren spelt dat Schicksal: grad tau de Tid, as Fritzen sin Ruhm in de ganze Stadt verkündt würd, stunn hei sülben vör den gruglichen Verbreker Hawermann mit en Armsünnergesicht un bed em von Himmel bet tau Irden, hei süll em dat Stück vergewen, hei hadd't nich mit Willen dahn. Hawermann strakte em äwer de semmelvossigen Hor un säd: »Laten S't sin, Triddelfitz! – Äwer eins marken S' sick: männig gaude Handlung hett slimme Folgen in de Welt, un männig slichte hett gaude; äwer för de Folgen bruken wi nich intaustahn, de liggen in 'ne annere Hand, un de Folgen maken 'ne Handlung nich gaud oder slicht. Hadden Sei nich slicht handelt, as Sei mi mit de Kurnreknung bedreigen wullen, denn brukt' Sei jetzt nich dat Gewissen tau slagen, un Sei hadden nich nödig, so vör mi tau stahn. Ick vergew Sei dat äwer, un nu nemen S' hir de Quitung äwer dat Geld, un warden S' en orndlichen Kirl! Un nu adjü!« Hei gaww em de Quitung, denn de gnedige Fru hadd em sin Gehalt un sine Utlagen dörch Fritzen schickt.

Fritz gung in't Gasthus, wo hei sin Pird hadd. – Dor wiren vele Lüd' tausamen, un jeder kamm an em ranne: »Na, wo is't? Dat hewwen Sei recht makt!« – »Is dat mit den Herrn von Rambow gefährlich? Un lewt hei noch?« – »Mein Gott, so lat't doch Herr Triddelfitzen vertellen!« – »Sagen Sie mal ...« – »Ne, seggen S' mal, hewwen Sei Hawermannen all?« Fritzen was äwer gornich nah't Vertellen tau Maud, hei müggt ok sine eignen Dummheiten nich tau Mark bringen; hei schürte sick dörch den Hümpel denn mit allgemeine Redensorten dörch un steg tau Pird, un de Rahnstädter säden all ut einen Mun'n, hei wir en recht bescheiden jung' Minsch, hei wull sin Loww nich sülwst verkün'n. –

Hadden de Rahnstädter nu all üm Fritzen un sine Niglichkeiten[476] rümmer seten un rümmer stippt, as wir hei en Zyrupsbotting un sei de Fleigen, so süll dat noch negenmal anners kamen; dese Nijohrsdag süll tau 'n wohren Niglichkeitsdag warden. – Knapp was Fritz, von buten tau stolz un preislich, von binnen de-un wehmäudig, ut den Dur reden, so kamm en Wagen vör't Gasthus vörtauführen – de Herr führte sick sülwst, un de Kutscher satt hinnen up de Britsch –, un de Rahnstädter drückten de Näsen an de Finsterruten breid: wer dat woll wir. – »Mi kümmt hei hellschen bekannt vör«, säd de ein. – »Ja, seihn heww'ck em ok all«, säd de anner. – »Is dat nich ...?« fung de drüdd an. – »Ih wo!« säd Schauster Bank, »den du meinst, de is dat nich.« – »Ick weit't«, säd Snider Wimmersdörp, »ick heww em männigen Rock makt, dat is de Herr von Rambow, de nu dor achter Swerin tau Hogen-Selchow wahnt, de Vetter von den Pümpelhäger.« – »De Snider hett recht, dat is hei ok.« – »Dat is hei ok.« – »Paßt up! de kümmt wegen de Geschicht.« – »Dat möt hei ok, denn de Pümpelhäger, de liggt jo, de kann jo nicks besorgen. Du sallst seihn, des' ward woll de Sak in Angriff nemen.« – Un as Franz 'rinne kamm in de Dör, üm sinen Pelz aftauleggen, stun'n de Rahnstädter all mit den Puckel gegen dat Finster, mit den Puckel gegen den Aben, mit den Puckel gegen de Wän'n un keken all midden in de Stuw 'rinne, wo Franz stunn, un hadden in'n Ümseihn en Spennenwew' von Niglichkeit üm em rümmer treckt, von dat alle Fadens nah de Midd tau lepen, wo hei as hülplose Fleig satt.

Franz gung rute, sprok en por Würd' mit den Husknecht un gung dunn nah den Mark hentau. – »Jehann«, frog de ein ut dat Finster rute, »wat hett hei di seggt?« – »Oh«, säd Jehann, »hei frog blot nah den Burmeister, wat de woll tau Hus wir.« – »Heww ji't hürt, hei hett nah den Burmeister fragt. De makt Irnst in de Sak.« – »Jehann«, frog en anner, »säd hei süs noch wat?« – »Ja, hei frog, wat de Preisterfru, de hir rinne treckt is, nich nebenan von Kopmann Kurzen wahnen ded.« – »Haha! Markt ji wat? Bi de Preisterfru hett[477] de Inspekter sick gewiß versteken. – Adjüs ok.« – »Vadder Wimmersdörp, wo willst du hen?« – »Oh, ick wull man mal nah Kopmann Kurzen.« – »Täuw, ick kam mit.« – »Dat's ok wohr«, säd en anner, »bi Kurzen känen wi allens taum besten seihn.« – »Ja, will'n nah Kurzen gahn!« – Un't wohrte nich lang', dunn was Kurzen sin Laden so vull Kun'n, as hei'n lang' nich seihn hadd, un en jeder drunk en Sluck, ok woll twei, un Kurz säd tau sick: »Gott sei Dank! dat Nijohr fängt recht schön an.«

Nah 'ne Wil kamm Franz von den Mark taurügg un gung an Kurzen sinen Laden vörbi up de Fru Pastern ehre Husdör los. – »Wo? hei hett jo gor keinen Polizeideiner bi sick?« frog de ein. – »Ja, Höppner is nich tau Hus, de halt sick hüt en Swin von den Pribbenower Buren.« – »Ja, dat is dat denn ok woll.« – »Wo den ollen Entspekter woll tau Maud is, wenn em de nu so äwer den Hals kümmt!« säd Wimmersdörp. – »Kinnings, mi warden hir de Fäut kolt«, säd Schauster Bank, »ick gah nah Hus.« – »Wat? Du warst jo woll täuwen känen, bet de Sak taum Swur kümmt«, säd Discher Thiel. – »Weit ji wat?« säd Bank, »mi kümmt dat vör, as wenn an de Geschicht kein wohr Wurd is.« – »Wat? Du hest mi de Geschicht doch hüt morrn sülwst vertellt«, säd Discher Thiel. – »Ja, dat is woll, äwer Morgenred' is kein Abendred'. Ick heww mi sörredem de Sak äwerleggt.« – »Dat heit, du hest kolle Fäut dorbi kregen«, säd Snider Wimmersdörp. – Alle lachten. – »Dat's en dummen Snack!« säd de Schauster, »un de ganze Geschicht is en dummen Snack: de oll Entspekter hett so lang' bi mi maken laten un ümmer hett hei sin Reknung ihrlich betahlt, un de süll nu up sin ollen Dag' up Stehlen un Scheiten un so'ne Saken verfallen?« – »Ih, red' und red'! Wenn't äwer de ganze Stadt seggt?« – »Ih, de ganze Stadt! – Hier steiht Herr Kurz, fragt den, wat hei em nich ok ümmer ihrlich betahlt hett! Fragt den Mann, wat de dortau seggt!« – »Was ich dazu sage? Ich sage gar nichts«, säd Kurz, »aber glauben kann ich's nicht, und ich habe meine eigenen Gründe.« – »Na, hürt ji't!« – »Ja, dat[478] is jo denn ok all mäglich.« – »Ja, ick heww glik seggt, dat kem mi doch spansch vör mit de Sak.« – »Na«, säd Wimmersdörp, »bi mi hett hei nich arbeiten laten, ick seih nich in, worüm ick dor nich an glöwen süll.« – »Ih, Snider, lat di doch nich utlachen!« – »Ja, Kinnings, lacht doch den Snider ut!« – »Nu will'ck jug wat seggen«, säd Bank un slog up den Ladentisch, »kamt all her – Herr Kurz, laten S' uns noch einen inschenken! – Nu will'n wi all up den ollen braven, ihrlichen Inspekter anstöten.« – Un sei deden't un gungen in betern Glowen an Hawermannen tau Hus, un de oll Mann was bi ehr, bet up Snider Wimmersdörpen, wedder vull in sinen gauden Namen inset't. – Worüm? – Wil Schauster Bank kolle Fäut kregen hadd. –

Von so'ne Ümstän'n hängt de gaude oder slichte Meinung männigmal af. Hir slog nu de gaude dörch; äwer wat will 'ne gaude Meinung von en por unbedarwte Handwarkslüd' bedüden gegen jene heimliche, unsichtbore Macht, de in jede lütte Stadt dat Schicksal von Minschenkinner bestimmt un de verwurrnen Fadens von sin Glück un Unglück in de Hand höllt un em doran regiert, dat hei up en Draht danzen möt, just as sei dat will? Ick mein dat heimliche Gericht, wat de Frugenslüd' in stille Abendstun'n taum Schrecken von alle Bösewichter bi Knütt un Teepott afhollen. Dor geschüht jeden Sünner sin Recht, dor ward hei mit de Knüttelsticken prickelt, mit de Zuckertang knepen, mit de Spiritusflamm brennt, un jeder in den Tee inweikte Tweiback oder Muschüken giwwt en düdliches Bild, woans sick dat Muschüken in sinen Seelentaustand woll utnemen würd, wenn't gegenwärtig vör desen Richterstauhl stünn. – Wat güllen dat Rahnstädter Frugenskollegium Hanne Banken sine gaude Meinung un sine kollen Fäut an? wat Hawermannen sine betahlten Reknungen? Dese Richters gungen irnstlicher tau Wark, sei nemen vör allen Dingen verstänniger Wis' – as de Juristen dat nennen – de Antezedenzien vör, un dor befunnen sei de Sak man swack för Hawermannen, för Lowise, för de Fru Pastern, sülwst för Bräsigen. – Malchen un Salchen Pomuchelskopps[479] hadden – as de Diplomaten dat nennen – nah allen Kanten hen transpiriert, hir en lütten Druppen un dor en lütten Druppen, Slus'uhr hadd dese kostboren Parlen tausam faat't un sei – as de Gelirhten dat nennen – unner einen Gesichtspunkt bröcht, un sogor David hadd en beten von't lütt Brod snackt, un so kunn sick dat Richterkollegium en sihr richtiges Bild von Franzen sine Leiw' tau Lowisen, von Hawermannen un de Fru Pastern ehre Kuppelwirtschaft un Bräsigen sine abscheuliche Aportendrägeri maken, wat dat denn ok up't beste besorgen ded.

Grad as de Vörfragen afdahn wiren, kamm de Fru Stadtsyndikussen mit de Kopmannsfru Madam Krummhurn in de Dör un kregen nu von de Teewirtin de fründschaftlichsten Schell, dat sei so späd kamen wiren. – Na, sei verdeffendierten sick so'n beten babenweg un säden nich recht wat von Bedüden; äwer as sei sick dalsetten deden, geschach dat mit so en Swung, un as sei sick an dat Knüttüg makten, geschach dat mit so'n stures Koppwackeln, dat hoge Gerichtshof dämlich hadd sin müßt, wenn hei nich markt hadd, dat de wat Besonders up den Harten hadden. Hei ded also blot sine Schülligkeit, as hei so bi lütten achter rüm en beten tautaufäuhlen anfung; äwer de Syndikussen un de Krummhurn hadden sick up dit Flag wollweislich prekawiert un knepen de Lippen tausam as 'ne frische Auster, un wat hoge Gerichtshof ok för Metzers ansetten ded, dat Slott von de Auster wull sick nich sprengen laten. Mit Süfzen grep dat Kollegium nah de Knütt un weikte en por annere Muschüken in den Tee, un mit Schrecken würden nu de beiden Austern gewohr, dat ehre fast verslatenen Niglichkeiten olt warden künnen un dat de beste Saft dorvon affleiten künn, sei deden sick also von sülwst utenanner, un de Syndikussen frog de Burmeistern, wat nich desen Nahmiddag en jungen Herr bi den Herrn Burmeister west wir. – Ja, säd de Fru Burmeistern, de Vedder von den Herrn von Rambow wir bi ehren Mann west, sei hadden dor eben dräwer red't. – »Und was wollte er?« frog de Syndikussen. – »Sich erkundigen, wie die[480] Untersuchung wegen des gestohlenen Geldes ausgefallen sei, und hat auch gefragt, ob wegen der Geschichten in Pümpelhagen – Sie wissen: das Schießen – etwas anhängig gemacht worden wäre.« – »Und was weiter?« frog de Syndikussen un kek up ehr Knütt dal. – »Weiter hat mir mein Mann nichts gesagt«, säd de Burmeistern. – »Und das glauben Sie?« frog de Syndikussen. – Nu is dat äwer en Schimp för jeden Gerichtshoff, vor allen äwer för desen, wenn einer von em verlangt, dat hei 'ne einfache un natürliche Sak glöwen sall. – De Burmeistern fäuhlte nu also glik de Beleidigung, de in dese Frag' lagg, richtig rute un säd spitz: »Wenn Sie's besser wissen, Liebe, dann sagen Sie's.« – De ein Auster kek de anner an, un beid' lachten nu hell up. – Na, wenn uns so 'ne rechte fette Auster – denn de Syndikussen was fett, un de Krummhurn was ok gaud bi Sak – so recht anlachen deiht, so makt dat ümmer'n groten Indruck up den Minschen, un so kunn dat hir ok nich fehlen, dat de Gesellschaft de Knütten in den Schot läd un de Austern ankek. – »Mein Gott«, rep de Teewirtin tauletzt, »was wissen Sie denn?« – »Die Krummhorn kann's erzählen«, säd de Syndikussen käuhl, »sie hat's ebensogut gesehen wie ich.« – De Krummhurn was 'ne gaude Fru un vertellte ok gaud un schafflich, äwer ehr Mundwark hadd den sülwigen Fehler, den den Protonotär Schäfer sine Bein hadden, 't würd mit ehr stüerlos, un grad as de Protonotär müßte sei af un an einen oder den annern tauraupen: »Holl mi wiß!« oder: »Dreih mi üm!« – Sei fung nu an: »Ja, er kam quer über den Markt her ...« – »Wer?« frog so'n oll lütten dämlichen Gerichtsakzesser, de sick ut de Sak noch nich vernemen kunn. – »Still!« rep allens. – »Also er kam quer über den Markt her, ich kannte ihn gleich wieder, er hat sich bei meinem Mann vordem einmal einen neuen Anzug gekauft, einen schwarzen Leibrock und eine blaue Hose – ih, was sag' ich! – einen blauen Leibrock und eine schwarze Hose; ich seh ihn noch wie heute, er trug immer gelblederne Beinkleider und Stulpenstiefel – oder war das Fritz Triddelfitz? – Das weiß ich doch wirklich nicht[481] mehr gewiß. – Ja, was wollte ich doch noch sagen?« – »Er kam quer über den Markt herüber«, säden en Stückener drei Stimmen. – »Richtig! Er kam quer über den Markt herüber und kam in die Frau Syndikus ihre Straße, ich war gerade bei der Frau Syndikus, denn die Frau Syndikus wollte mir ihre neuen Gardinen zeigen, sie sind von Jud' Hirschen – nein, ich weiß schon – von Jud' Bären, der neulich erst bankerott gemacht hat. Es ist merkwürdig; mein Mann sagt, alle unsere Juden machen bankerott und werden dadurch nur immer reicher, ein christlicher Kaufmann kann gar nicht gegen die verdammten Juden aufkommen. Wie weit war ich doch noch?« – »Er kam in die Straße der Frau Syndikus.« – »Ja so! Die Frau Syndikus und ich standen grade am Fenster und konnten in die Stube der Frau Pastorin Behrens hineinsehen, und die Frau Syndikus sagte, ihr Mann habe gesagt, wenn die Frau Pastorin es auf einen Prozeß wollte ankommen lassen – nein, nicht die Frau Pastorin – die Kirche oder das Konsistorium oder sonst wer, dann müßte der Herr Pomuchelskopp oder sonst wer ein neues Predigerhaus zu Gürlitz bauen, und die Frau Syndikus ...« – Äwer de Fru Syndikussen stunn de Geschicht nu all bet an den Hals, sei hadd sick, as sei de Krummhurn taum Vertellen upfödderte, 'ne nüdliche Raud för ehre Ungeduld bunnen, sei föll hir also in de Red': »und da ging er in das Haus der Frau Pastorin und, ohne sich weiter auf dem Flur aufzuhalten, gleich in die Wohnstube, und die alte Frau fuhr vom Sofa auf und machte solche Handbewegung, als müßte sie sich ihn vom Leibe halten, und sah so ängstlich aus, als wäre ein Unglück über sie gekommen, und das mag auch wohl sein; und nachher setzte sie einen Stuhl hin und nötigte ihn zum Sitzen; er setzte sich aber nicht, und als die Pastorin hinausging, ging er in der Stube auf und nieder als ... nun als ...« – »Frau Syndikussen«, föll hir de Krummhurn in, »Sie sagten heute nachmittag dabei so einen schönen Vers her.« – »Nun ja: ›Wüstenkönig ist der Löwe, wenn er sein Gebiet durchschreitet.‹ Ja, wie so ein Wüstenkönig ging er auf und nieder, und[482] als der alte Inspektor mit seiner Tochter hineinkam, fuhr er auf ihn los und machte ihm die bittersten Vorwürfe.« – »Aber, mein Gott«, säd de oll lütt dämlich Gerichtsakzesser un läd sin Knütt in den Schot, »konnten Sie denn das hören?« – »Nein, Liebe«, säd de Fru Syndikussen un lachte äwer de Dummheit von den Akzesser, »gehört haben wir es nicht; aber die Krummhorn und ich haben es beide gesehn, mit unsern eigenen Augen gesehn. – Und der alte Inspektor stand vor ihm wie ein armer Sünder und sah vor sich nieder und ließ alles über sich ergehen, und seine Tochter hatte den Arm um seinen Hals geschlungen, als wenn sie ihn schützen wollte.« – »Ja«, föll hir de Krummhurn in, »es war grad so wie damals mit dem alten Böttcher Stahl, der eingesteckt werden sollte, weil er die Bandstöcke gestohlen hatte. Da sprang auch seine Tochter Mariken zwischen ihn und den Polizeidiener Höppner und wollt's nicht leiden, daß ihr Vater aufs Rathaus gebracht werden sollte, wegen seiner weißen Haare; und die Bandstöcke hatte er doch gestohlen, das weiß ich, denn er hat mir davon drei neue Bänder um mein Milcheimer gelegt, und mein Mann sagt, für uns kann's gleich sein, ob sie gestohlen sind oder nicht, und für die Milch auch, die würde auch nicht von den gestohlenen Bändern sauer werden; ich habe aber doch bemerkt ...« – »Schön, Krummhorn«, säd de Syndikussen un arretierte dat Mulwark, »haben Sie auch wohl bemerkt, wie blaß das Mädchen aussah, und wie sie zitterte, als der junge Herr sich an sie wandte und sich von ihr lossagte?« – »Nein«, säd de Krummhurn ihrlich, »blaß sah sie aus; aber daß sie zitterte, habe ich nicht gesehen.« – »Das habe ich gesehen«, säd de Fru Syndikussen, »so zitterte sie«, set'te sei hentau un schüddelte sick in den Lehnstauhl hen un her, as wir't Sommerdag un sei künn sick nich vör Fleigen bargen, »und so stand er vor ihr«, hir stunn sei up, »›das Band ist zerrissen‹, wie mein Sohn, der Student, singt, und so sah er sie an«, un dorbi kek sei den lütten Akzesser so wütend an, dat de ganz rod würd, »und da legte sich die alte Pastorin ins Mittel und drängte sich zwischen sie[483] und suchte ihn zu besänftigen und streichelte ihn und red'te so viel, und es mochte ihr auch wohl glücken, denn er gab beim Abschied den beiden die Hand; aber als er aus dem Hause ging, war auf seinem Gesichte deutlich zu lesen, wie froh er war, mit dieser Gesellschaft gebrochen zu haben. Nicht wahr, Krummhorn?« – »Das habe ich nicht gesehn«, säd de Kopmannsfru, »ich hatte das junge Mädchen im Auge, wie sie dastand, die Arme über die Brust geschlagen und so blaß. Du lieber Gott, ich habe viele blasse Mädchen gesehen, noch neulich meine Bruder-Tochter, sie hat die Bleichsucht, und der Arzt sagt immer: Eisen! Eisen! aber Eisen hat sie genug, ihr Vater ist ein Schmied. Er hätte auch was anders werden können, denn unser seliger Vater ...« – »Ach, das arme Mädchen!« rep de oll lütt dämlich Akzesser ut, »'s ist so ein hübsches Mädchen. Und der arme alte Mann! Ich kann's nicht glauben, daß er mit seinen weißen Haaren solche Schandtat ausgeübt hat.« – »Liebe«, säd de Fru Syndikussen un kek den lütten Akzesser mit en Blick an, de, in jichtens eine Sprak äwerset't, ümmer »du Schaap« heiten würd, »Liebe, hüten Sie sich vor solchem übelangebrachten Mitleid, und hüten Sie sich vor dem Umgang mit Leuten, die Verbrechen begangen haben.« – »Ja, getan hat er's«, gung dat nu von Mund tau Mund, von Strump tau Strump, von Tass' tau Tass'. – De lütt Akzesser was slagen worden; äwer mit einem Mal stunnen en por oll grise erfohrne Avkaten för ehr up, de all so männigmal in de Tees as Anklägers de Staatsanwaltschaft besorgt hadden, äwer hüt mal de Verteidigung äwernemen wullen. Sei hadden bi de Fru Syndikussen ehre Red' sick ümmer still tauplinkt un taunickt: sei wullen sei ruhig utreden laten, äwer nahsten wullen sei losbösten. Un de Syndikussen hadd en dummen Streich makt, sei hadd de Verwandtschaft uter acht laten, denn de beiden Avkaten wiren de Kurzen un de Rektern Baldrianen, un nu was't Tid, nu rückten sei de Fru Syndikussen up dat Kollett. – »Liebe, woher wissen Sie denn, daß Hawermann ein Verbrecher ist?« – »Liebing, wissen Sie, daß Hawermann der[484] Schwager von meinem Bruder ist?« – »Liebe, Sie sollten sich doch mit Ihrer scharfen Zunge etwas in acht nehmen.« – »Liebing, Sie haben schon öfter deswegen Unannehmlichkeiten gehabt.«

Un nu schoten sei mit »Liebe« un mit »Liebing« ümmer dwas äwer den Disch räwer, un de Teelepel kläterten in de Tassen, un de Hubenbän'n wackelten unner dat Kinn, de unschülligen Knütten würden tausambünzelt un in de Pompadurs rinne proppt; de Fru Burmeistern slog sick up de beiden Avkaten ehre Sid, denn sei hadd de spitzen Würd' von de Syndikussen nich vergeten; de Teewirtin lep von einen taum annern un beswur sei bi Gott un alle Heiligen, sei süllen doch ehr nich den Schimp andauhn, dat grad up ehren Tee so'n Krieg utbreken ded, un de lütt Akzesser fung bitterlich an tau röhren, wil dat hei glöwte, hei wir an den Lärm schuld. – Äwer't was gescheihn: de Hälften tröcken af, de Hälften blewen dor, un Rahnstädt was in twei Parteien deilt.

Un de Lüd', üm de dit allens was, seten, wenn ok nich rauhig, äwer doch still in ehre Stuw un ahnten sick dar gor nich, wovele Mäuh un wovel Koppbrekens sei äwer ehre nigen Mitbörgers bröcht hadden, un wo vel Strid un wovel Haß; sei dachten gor nich doran, dat de stramme Blick, den de Fru Syndikussen gradäwer ut ehr rodes Gesicht schot, ehr gellen künn, un uns' lütt Fru Pastern säd mihr als einmal: nah ehren Utseihn nah müßte de Fru Syndikussen gradäwer 'ne sihr bestimmte un gesetzte Person sin, de woll in'n Stan'n wir, dat Regiment in'n Hus' uprecht tau hollen. Un Lowise ahnte sick dat gor nich, dat dat hübsche, junge Mäten, wat af un an an ehren Hus' vörbi gung un so en verlurenen Blick in ehr Finster smet, bet in dat bindelste Hart herinne vull Mitled mit ehr was, un dat dit de lütte dämliche Akzesser was, de sick up den Damentee tau ehre Partei slagen hadd. – Ach ne, dese Lüd' hadden ganz wat anners tau denken un tau sorgen: Lowise müßt ehr krankes Hart still maken un müßt dat vör de Welt taudecken, dat ehr Vader de bläudigen[485] Wun'n nich sach, de de Afschid von Franzen up't Frische dorin reten hadd. Hawermann was nah desen Afschid stiller un deipsinniger worden as vördem, hei hadd nich Sinn noch Ogen för wat anners as för sin Kind. Hei satt in deipen Gedanken för sick hen, blot, wenn sin Döchting bleiker utsach un ok för sick hen drömte, denn sprung hei up un lep in den lütten Achtergoren un gung up un dal, dat hei Rauh finnen wull. Ach, wo blew sin Haß, wenn hei de Leiw von sin Kind sach? Wo blew de Zorn gegen de Welt, wenn hei de negste Welt üm sick mit Gaudheit un Fründlichkeit gegen em handeln sach? – Haß un Zorn müßten in so'n Harten woll vergahn; äwer de Trurigkeit blew un dat jammervullste Mitled mit dat Schicksal von sin einzigstes Kind. – De lütte Fru Pastern dachte nich mihr an ehren Wischdauk, sei hadd up Stun'ns wat anners aftaustöwen as Dischen un Bänken, sei müßte den Stoww afrümen von twei Harten, de ehr an't eigne anwussen wiren, un dor putzte un polierte sei an herümmer mit ehren Trost, dat sei wedder blank un hell utseihn warden süllen, äwer de Arbeit was vergews, wenigstens bi Hawermannen.

Von den ollen Mann sine Kraft wiren de Sehnen dörchsneden, mit sinen gauden Namen was jedweder Lewenslust un Lewensmaud von em gahn, un de ungewennte Rauh un de Undädigkeit bröchten em ümmer wider in't Grüweln, dat sin Taustand beängstlich worden wir, wenn nich de säute Stimm von sin Kind den bösen Geist unnerwilen hadd bannen künnt, as de Gesang von den Knawen David den bösen Geist von König Saulen. Allens, womit Franz in de swore Stun'n indringlich up em inred't hadd: dat de Hauptsak mit dat Wedderfin'n von dat Bauk jo ut den Weg rümt wir, dat hei jo weiten müßt, wat för en swacken, unbedachtsamen Minschen sin Vedder Axel wir, un dat den sin Urteil em nich schaden künn, dat hei an em glöwte, wenn ok de Welt gegen em upstünn, denn de Welt in sine Bost wir 'ne anner Welt; allens dit, wat em de Fru Pasturin wedderhalen ded, wes' hei von de Hand un blew dorbi, so lang' sin Unschuld[486] nich in de Deiwstahlsgeschicht an den Dag kamen wir, so lang' wir sin Nam mit en Brandmal teikent, un hei müßt den jungen Mann, ok gegen sinen Willen, dorvör häuden, dat hei nich an sinen eignen Namen Schaden nem.

Dat was nu, bi Licht beseihn, pure Unverstand, un männigein ward hir mit Recht seggen: wat tred' hei nich mit sin gaud Gewissen fri un frank vör de Welt un trotzte gegen ehre Lägen? Un ick segg: de mi so fröggt, hett recht: dat hadd hei müßt un dat hadd hei ok dahn – wenn hei de oll Hawermann noch west wir. Äwer dat was hei nich mihr, hei was dörch Verdreitlichkeit, Beleidigung un Taurüggsettung mör makt worden, un nu kamm de apenbore Anschuldigung un de grugliche Uptritt mit sinen Herrn, nu verlet em sogor de junge Fru, för de hei sin Lewen gewen hadd, un dat allens geschach tau 'ne Tid, wo sin Hart sick för 'ne glückliche Taukunft wid updahn hadd. De Winterfrost schad't nich, dat Frühjohr kümmt doch; äwer wenn't in Gräunen un Bläuhen steiht, und de Snei föllt in de gräune Hoffnung, denn kümmert dat un kümmert dat, un all de lütten Singvägel, de up dat Frühjohr bugten un trugten, sünd in ehre Nester verklamt un verfroren, un in den verkamenen Holt is't dodenstill. – De oll Mann hadd in sinen Harten en grot Hägen utrüst't un wull de schönsten Hoffnungen den Willkam bringen, un nu drängten sick jene düstern Gestalten herinne un kihrten allens üm un düm un nemen em den einzigsten Schatz, den hei in sinen ganzen Lewen upspikert hadd; dat gaww em den Slag, von den hei sick nich verhalen kunn. – Nemt mal den Gizhals den Schatz, den hei in sößtig Johr tausamschrapt hett, ji nemt dormit sin Lewen, un dat is doch man en Schatz, den de Rust frett; wat is hei gegen den ihrlichen Namen?

So blew denn de Fru Pastern nicks mihr taum Trost äwrig as Franzen sine letzten Würd': hei künn täuwen, un hei kem wedder.

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 473-487.
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