Zweiter Auftritt

[14] Lady. Nancy.

Nr. 2. Rezitativ und Duett


NANCY.

Teure Lady –

LADY.

Laß mich weinen.

NANCY.

Doch weshalb?

LADY.

Ich weiß es nicht –

NANCY.

Schöner Grund!


Scherzend.


Fast will mir scheinen,

Als spräch's hier


aufs Herz deutend.


Es werde Licht!

LADY.

Lieben! Ich?

NANCY.

Nun – rasch geflogen

Kommt der Schelm mit Pfeil und Bogen.

Von den edlen Kavalieren,

Die den Hof der Königin

Und sich selber weidlich zieren,

Zog wohl einer als Gewinn

Euer Herzchen zu sich hin?

Darf man endlich gratulieren?

LADY.

Eitler Wahn! Nicht kann mich freuen

Solche fade Liebelei.

Nicht vermag mich zu zerstreuen

Leeres Wort und Schmeichelei.[14]

NANCY.

Euch umgibt des Reichtums Fülle,

Gnad' und Ehr' wird Euch zuteil.

LADY.

Und aus Gold und Purpurhülle

Gähnt erschöpft die Langeweil.

NANCY.

Das ist traurig, ach, und trübe,

Solch ein Los nennt man Gewinn?

Wenn ich hier nicht Wunder übe,

Welkt das zarte Blümlein hin.

LADY.

Ach, so traurig, ach so trübe

Schleicht im Glanz mein Leben hin.

Was ich tue, was ich übe,

Nichts erfreuet meinen Sinn.

NANCY.

Feste, Bälle und Turniere,

Wo nur Eure Farbe siegt,

Flatternd hoch von dem Paniere,

Während, ach, der Held sich schmiegt

Und dem Dankesblick erliegt,

Der ihn traf trotz dem Visiere.

LADY.

Was ich gestern heiß ersehnet,

Ist's erfüllt, so freut's mich kaum;

Was ich mir als Glück gewähnet,

Zeigt Gewährung mir als Traum.

NANCY.

Feste, Bälle und Turniere,

Wo nur Eure Farbe siegt,

Flatternd hoch von dem Paniere,

Während, ach, der Held sich schmiegt

Und dem Dankesblick erliegt,

Der ihn traf trotz dem Visiere.

LADY.

Gunst der Fürstin, Huldigungen,

Preis der Mode, Überfluß,

Trifft mich freudlos, kaum errungen,

Und nichts bleibt als Überdruß.

NANCY.

Ja! Dann wär' zu Eurem Heile

Nur ein Mittel noch geblieben.

Wie gesagt: in höchster Eile

Müßt Ihr sterblich Euch verlieben.

Das ist traurig, ach, und trübe,

Solch ein Los nennt man Gewinn?

Wenn ich hier nicht Wunder übe,

Welkt das zarte Blümlein hin.[15]

LADY.

Ach, so traurig ach, so trübe

Schleicht im Glanz mein Leben hin –

Was ich tue, was ich übe,

Nichts erfreuet meinen Sinn.


Quelle:
Friedrich von Flotow: Martha oder Der Markt zu Richmond. Stuttgart 1961, S. 14-16.
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