Corrida

[615] In memoriam Montez, 1830


Seit er, klein beinah, aus dem Toril

ausbrach, aufgescheuchten Augs und Ohrs,

und den Eigensinn des Picadors

und die Bänderhaken wie im Spiel


hinnahm, ist die stürmische Gestalt

angewachsen – sieh: zu welcher Masse,

aufgehäuft aus altem schwarzen Hasse,

und das Haupt zu einer Faust geballt,
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nicht mehr spielend gegen irgendwen,

nein: die blutigen Nackenhaken hissend

hinter den gefällten Hörnern, wissend

und von Ewigkeit her gegen Den,


der in Gold und mauver Rosaseide

plötzlich umkehrt und, wie einen Schwarm

Bienen und als ob ers eben leide,

den Bestürzten unter seinem Arm


durchläßt, – während seine Blicke heiß

sich noch einmal heben, leichtgelenkt,

und als schlüge draußen jener Kreis

sich aus ihrem Glanz und Dunkel nieder

und aus jedem Schlagen seiner Lider,


ehe er gleichmütig, ungehässig,

an sich selbst gelehnt, gelassen, lässig

in die wiederhergerollte große

Woge über dem verlornen Stoße

seinen Degen beinah sanft versenkt.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 615-616.
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