10.1

[756] Alles Erworbne bedroht die Maschine, solange

sie sich erdreistet, im Geist, statt im Gehorchen, zu sein.

Daß nicht der herrlichen Hand schöneres Zögern mehr prange,

zu dem entschlossenern Bau schneidet sie steifer den Stein.


Nirgends bleibt sie zurück, daß wir ihr ein Mal entrönnen

und sie in stiller Fabrik ölend sich selber gehört.

Sie ist das Leben, – sie meint es am besten zu können,

die mit dem gleichen Entschluß ordnet und schafft und zerstört.


Aber noch ist uns das Dasein verzaubert; an hundert

Stellen ist es noch Ursprung. Ein Spielen von reinen

Kräften, die keiner berührt, der nicht kniet und bewundert.


Worte gehen noch zart am Unsäglichen aus...

Und die Musik, immer neu, aus den bebendsten Steinen,

baut im unbrauchbaren Raum ihr vergöttlichtes Haus.

1

In der zweiten Strophe ist gedacht der Gräber in dem berühmten alten Friedhof der Allyscamps bei Arles, von dem auch im Malte Laurids Brigge die Rede ist.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 756-757.
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