21.

[765] Singe die Gärten, mein Herz, die du nicht kennst; wie in Glas

eingegossene Gärten, klar, unerreichbar.

Wasser und Rosen von Ispahan oder Schiras,

singe sie selig, preise sie, keinem vergleichbar.


Zeige, mein Herz, daß du sie niemals entbehrst.

Daß sie dich meinen, ihre reifenden Feigen.

Daß du mit ihren, zwischen den blühenden Zweigen

wie zum Gesicht gesteigerten Lüften verkehrst.


Meide den Irrtum, daß es Entbehrungen gebe

für den geschehnen Entschluß, diesen: zu sein!

Seidener Faden, kamst du hinein ins Gewebe.


Welchem der Bilder du auch im Innern geeint bist

(sei es selbst ein Moment aus dem Leben der Pein),

fühl, daß der ganze, der rühmliche Teppich gemeint ist.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 765.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Sonette an Orpheus
Die Sonette an Orpheus. Geschrieben als ein Grab-Mal für Wera Ouckama Knoop
Duineser Elegien. Die Sonette an Orpheus (insel taschenbuch)
Die Sonette an Orpheus
Duineser Elegien. Die Sonette an Orpheus (suhrkamp taschenbuch)
Duineser Elegien. Die Sonette an Orpheus