26.

[768] Wie ergreift uns der Vogelschrei...

Irgend ein einmal erschaffenes Schreien.

Aber die Kinder schon, spielend im Freien,

schreien an wirklichen Schreien vorbei.


Schreien den Zufall. In Zwischenräume

dieses, des Weltraums, (in welchen der heile

Vogelschrei eingeht, wie Menschen in Träume –)

treiben sie ihre, des Kreischens, Keile.


Wehe, wo sind wir? Immer noch freier,

wie die losgerissenen Drachen

jagen wir halbhoch, mit Rändern von Lachen,
[768]

windig zerfetzten. – Ordne die Schreier,

singender Gott! daß sie rauschend erwachen,

tragend als Strömung das Haupt und die Leier.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 768-769.
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