28.

[769] An Wera.


O komm und geh. Du, fast noch Kind, ergänze

für einen Augenblick die Tanzfigur

zum reinen Sternbild einer jener Tänze,

darin wir die dumpf ordnende Natur
[769]

vergänglich übertreffen. Denn sie regte

sich völlig hörend nur, da Orpheus sang.

Du warst noch die von damals her Bewegte

und leicht befremdet, wenn ein Baum sich lang


besann, mit dir nach dem Gehör zu gehn.

Du wußtest noch die Stelle, wo die Leier

sich tönend hob –; die unerhörte Mitte.


Für sie versuchtest du die schönen Schritte

und hofftest, einmal zu der heilen Feier

des Freundes Gang und Antlitz hinzudrehn.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 769-770.
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