2.

[536] Was aber spiegelt mit den tausend Scheiben

das Kirchenfenster in den Hof hinein,

darin sich Schweigen, Schein und Widerschein

vermischen, trinken, trüben, übertreiben,

phantastisch alternd wie ein alter Wein.


Dort legt sich, keiner weiß von welcher Seite,

Außen auf Inneres und Ewigkeit

auf Immer-Hingehn, Weite über Weite,

erblindend, finster, unbenutzt, verbleit.


Dort bleibt, unter dem schwankenden Dekor

des Sommertags, das Graue alter Winter:

als stünde regungslos ein sanftgesinnter

langmütig lange Wartender dahinter

und eine weinend Wartende davor.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 536.
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Neue Gedichte
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Neue Gedichte - Der Neuen Gedichte anderer Teil.
Insel Taschenbücher, Nr.49, Neue Gedichte