V

[137] Wie hat uns der zu weite Raum verdünnt.

Plötzlich besinnen sich die Überflüsse.

Nun sickert durch das stille Sieb der Küsse

des bittren Wesens Alsem und Absynth.


Was sind wir viel, aus meinem Körper hebt

ein neuer Baum die überfüllte Krone

und ragt nach dir: denn sieh, was ist er ohne

den Sommer, der in deinem Schoße schwebt.

Bist du's bin ich's, den wir so sehr beglücken?

Wer sagt es, da wir schwinden. Vielleicht steht

im Zimmer eine Säule aus Entzücken,

die Wölbung trägt und langsamer vergeht.
[137]

Quelle:
Rainer Maria Rilke: [Sieben Gedichte], aus: R. M. Rilke: Werke. Kommentierte Ausgabe in vier Bänden. Bd. 2, Frankfurt/Main; Leipzig 1996, S. 137-138.
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