Uber daß Evangelium am Hochheiligen Ostertage

[255] 1.

Heüt ist der Tag der Freüden,

An welchem sich geendet

Deß Herren Jesu leiden,

Nach dem' Er Sich gewendet

Auß dem fest verschlossnem Grab,

Daß den Herren wider gab,

Der den Tod hat bezwungen

Und gewiesen ab.


2.

Der Stein kan nicht mehr drükken

Die blöde Menschen Kinder:

Eß brach Ihn heut auf Stükken

Daß Heil der armen Sünder.

Unser Thun war viel zu schlecht,

Christus aber der Gerecht'

Hat jtz der Feinde Waffen

Alß ein Held geschwächt.


3.

Wir weren ja gewesen

In Ewigkeit verlohren,

Doch sind wir bald genesen

Durch den, der Mensch gebohren,

Welcher alß Ein Held und Raht

Sich erwiesen in der Taht,

Alß Er den Stein der Sünden

Abgeweltzet hat.


4.

Die Kett' ist nun zerrissen,

Welch' Unß gefangen hielte:

Itz lachet daß Gewissen,

Daß Angst und Trauren fühlte.

Gottes Grim ist schon vorbei,

Für dem Satan sind wir frei;

Christ ist darum erstanden,

Daß jtz Friede sei.


5.

Heüt ist die Zeit zu singen,

Viel Wunders ist geschehen;

Den alß die Weiber giengen

Ins Grab, da ließ sich sehen

Gottes Engel, der sagt an,

Christus, Unser Wunderman,

Sei von dem Tod erwachet,

Wie mans spühren kan.


6.

O grosse HimmelsFürsten!

O Geister, hoch zu preisen!

Wie liebreich muß Eüch dürsten,

Unß guhtes zu beweisen!

Ach! es ist doch Eüre Lust,

Wen Eüch Unser Heil bewust.

O Bottschafft, die der Engel

Heüt Unß bringen must!


7.

Ein Engel hat gesaget:

Der Herr ist aufferstanden.

Wem dises nicht behaget,

Der bleibt in Sünden Banden.

Lobet Gott in Ewigkeit,

Der Unß läst in dieser Zeit

Die reinen Himmelsgeister

Dienstlich stehn bereit.


8.

Wer wil sich nun entsetzen,

Da Christus Jesus lebet,

Weil niemand darf verletzen

Sein Volk, daß Er erhebet!

Satan trotz! Nun weiß Ich Wol,

Daß Ich Mich nicht fürchten sol,

Den Christus triumfirend

Macht Mich Freüden vol.
[255]

9.

Der Tod kan mich nicht schrekken,

Die Macht ist Ihm genommen.

Der Herr wird mich erwekken,

Wen Er wird widerkommen

Mit dem letsten Feldgeschrei,

Da deß Würgers Tyrannei

Unß nimmermehr kan schaden.

Jauchtzet, Wir sind frei!


10.

Waß frag' Ich nach der Hellen,

Welch' ewiglich muß brennen?

Ihr' Herren und Gesellen

Werd Ich hinfort nicht kennen:

Christus dämpfte diesen Pfuhl,

Führte Mich zur Himmels Schuhl,

In der Ich werde singen

Für dem Gnaden Stuhl'.


11.

Hinweg, Tod', Höll' und Sünde,

Fleug, Satan, fleug mit Schanden!

Mein Wohrt, drauff Ich Mich gründe,

Heist: Jesus ist erstanden.

Jesus, Meine Zuversicht,

Läst auch Mich im Grabe nicht:

Bald werd' Ich aufferwekket

Treten fürß Gericht.


12.

Den Herren wil Ich sehen

In jennem Freüden leben,

Verklähret wil Ich stehen

Und meine Stimm' erheben:

Jesu, Jesu, Lob und Preis

Sing Ich Dir mit höchstem Fleiss;

Ich will die Welt verlassen

Gern auff dein Geheiß.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 255-256.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.

112 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon