Uber das Evangelium am sieben und zwanzigsten Sontage nach dem Feste der H. Dreyfaltigkeit

[260] 1.

Helfft Mir mit Freuden singen,

Ihr Christen alzumahl,

Von übergrossen Dingen,

Welch' in deß Himmelssahl

Alßdenn erscheinen werden,

Wen uns nun Gottes Sohn

Wird bringen von der Erden

Zu seinem Himmelsthron.


2.

Er hat Unß längst erkohren

Zu seiner liebsten Braut,

Ja da Wir gantz verlohren,

Hat Er sich Unß vertraut;

Doch sind Wir Ihm vermählet

Nicht nur in diser Zeit,

Er hat Unß auch erwehlet

Zur Braut in Ewigkeit.


3.

Wie solte Dich verdammen

Dein Heiland Jesus Christ,

Der gegen Dich mit Flammen,

O Mensch, entzündet ist?

Wie solte Dich nun hassen,

Der Dich erlöset hat?

Wie könte Dich verlassen

Dein Bruder, Trost und Raht?


4.

Doch wird Er plötzlich kommen

Und zwahr zur Mitternacht,

Wen Unß hat übernommen

Deß sichern Schlaffes Macht:

Ja wie die Blitze scheinen

Vom Auf- zum Nidergang,

Also wird, eh wirs meinen,

Man hören seinen Klang.


5.

Wie, wen die Vöglein springen

Dort auf dem Heerd' herüm

Und bei dem Körnen singen

Mit Frisch erhabner Stimm',

Alßden die Netze fallen,

Ja machen Sie zu nicht',

Also wird auch erschallen

Diß: Kommet zum Gericht!


6.

Bedenke doch daß Ende,

Du sichres Sündenkind;

Dein Richter komt behende,

Sei nimmer so gahr blind.

Wie wilt du doch bestehen

Alsden, wen du nun bald

Wirst Christum Jesum sehen

In prächtiger Gestalt?


7.

Schnel wird man ruffen hören:

Auf! auf! es komt herfür

Der König aller Ehren;

Da springt auß seiner Tühr

Der Bräutigam, zu schauen,

Ob schon sind angethan

Die sämtliche Jungfrauen,

Zu treten auf den Plaan.
[260]

8.

Er fährt schon auf dem Bogen

Mit einem Feldgeschrei;

Bald wird die Welt bewogen

Viel leichter alß der Spreu.

Drauf siehet man Ihn senden

Sein' Engel, welcher Klang'

An allem Ohrt' und Enden

Macht kund den Untergang.


9.

O wie wird mancher zittern,

Wen Er den starken Schall,

Der auch die Welt macht splittern,

Muß hören überall!

Der Herr wird regnen lassen

Den Leuten, die so frech

Gewesen Ihn zu hassen,

Blitz, Schwefel, Feur und Pech.


10.

Dagegen aber werden

Die frommen Seelen stehn

Mit freudigen Geberden

Und bald zur Hochzeit gehn.

Drauf wird die Tühr geschlossen,

Die klugen Jungfräulein

Verbleiben Reichsgenossen

Im Hochzeitsahl' allein.


11.

Da werden wir recht prangen

In freuden ohne Zahl,

Ein jeder wird empfangen

Daß köstlich' Hochzeitmahl.

Da wird zur Taffel kommen

Ein' ausserlesne Schaar

Der Heiligen und Frommen,

Zu jauchzen immerdar.


12.

Da wird man sicher leben

Ohn' Armuht, Müh' und Schweiß,

Dem Herren wird man geben

Lob, Ehre, Dank und Preiß:

Da wird man Sich erquikken

Und frölich sein zugleich,

Ja selber Gott anblikken

In Seinem Freudenreich'.


13.

O Jesu, Meine Wonne,

Mein liebster Bräutigam,

Du meiner Seelen Sonne,

Mein zukkersüsses Lamm,

Laß der gestalt Mich scheiden,

Daß Ich am Jüngsten Tag'

In hundert tausend Freuden

Dich ewig küssen mag.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 260-261.
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