Ueber das Evangelium am ersten Adventssonntage

[241] Matth. 21, 1.


Auf, auf, ihr Reichsgenossen,

Eur König komt heran,

Empfahet unverdrossen

Den großen Wundermann;

Ihr Christen geht herfür,

Laßt uns für allen Dingen

Ihm Hosianna singen

Mit heiliger Begier.

Auf, ihr betrübte Herzen,

Der König ist gar nah,

Hinweg all' Angst und Schmerzen,

Der Helfer ist schon da!

Seht, wie so mancher Ort

Hochtröstlich ist zu nennen,

Da wir ihn finden können

Im Nachtmal, Tauf' und Wort.

Auf, auf, ihr Vielgeplagte,

Der König ist nicht fern;

Seid frölich, ihr Verzagte,

Dort komt der Morgenstern;

Der Herr wil in der Not

Mit reichem Trost euch speisen,

Er wil euch Hülf' erweisen,

Ja, dämpfen gar den Tod.[241]

Nun hört, ihr freche Sünder,

Der König merket drauf,

Wenn ihr verlorne Kinder

In vollem Lasterlauf'

Auf Arges seid bedacht,

Ja thut es ohne Sorgen:

Gar nichts ist ihm verborgen,

Er gibt auf alles Acht.

Seid fromm, ihr Unterthanen,

Der König ist gerecht;

Laßt uns die Weg' ihm bahnen

Und machen alles schlecht.

Fürwahr, er meint es gut;

Drum lasset uns die Plagen,

Welch' er uns schickt, ertragen

Mit unerschrocknem Mut.

Und wenn gleich Krieg und Flammen

Uns alles rauben hin,

Gedult! weil ihm zusammen

Gehört doch der Gewinn.

Wenn gleich ein früher Tod

Die Kinder uns genommen,

Wolan, so sind sie kommen

Ins Leben aus der Not.

Frisch auf in Gott, ihr Armen,

Der König sorgt für euch,

Er wil durch sein Erbarmen

Euch machen groß und reich.

Der an ein Thier gedacht,

Der wird auch euch ernähren;

Was Menschen nur begehren,

Das steht in seiner Macht.

Hat endlich uns betroffen

Viel Kreuz, läßt er doch nicht

Die, welch' auf ihn stets hoffen

Mit rechter Zuversicht;

Von Gott komt alles her,

Der lässet auch im Sterben[242]

Die Seinen nicht verderben,

Sein' Hand ist nicht zu schwer.

Frisch auf, ihr Hochbetrübte,

Der König komt mit Macht,

An uns, sein' Herzgeliebte,

Hat er schon längst gedacht;

Nun wird kein' Angst noch Pein

Noch Zorn hinfür' uns schaden,

Dieweil uns Gott aus Gnaden

Läßt seine Kinder sein.

So lauft mit schnellen Schritten,

Den König zu besehn,

Dieweil er komt geritten,

Stark, herlich, sanft und schön;

Nun tretet all' heran,

Den Heiland zu begrüßen,

Der alles Kreuz versüßen

Und uns erlösen kan.

Der König wil bedenken

Die, welch' er herzlich liebt,

Mit köstlichen Geschenken,

Als der sich selbst uns gibt

Durch seine Gnad' und Wort.

Ja, König hoch erhoben,

Wir alle wollen loben

Dich freudig hier und dort.

Nun, Herr, du gibst uns reichlich,

Wirst selbst doch arm und schwach;

Du liebest unvergleichlich,

Du jagst den Sündern nach;

Drum wollen wir allein

Die Stimmen hoch erschwingen,

Dir Hosianna singen

Und ewig dankbar sein.

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 241-243.
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