Actus III.

[155] DER REICH MANN geht ein, setzt sich und spricht.[155]

Selig ist der mensch, der sein leben

Fürt, das er Gott kan rechnung geben,

Wenn im der todt sein leben bricht

Und in Gott fordert für gericht!

Ich aber hab zu lang gewart.

Drumb peinigt mich mein gwissen hart.

Der helle forcht erschrecken mich.

Ob gleich gern buß wolt würcken ich,

So truckt zu hart mich mein kranckheit.

Der todt drowet mir die kurtzen zeit.

Ich wil gehn mein freund suchen heim,

Ob ich trost finden möcht bey eim.

DEMONES sein freundt, kompt und spricht.

Ich wil gleich zu Hecasti gan,

Sehen, wie es umb in thut stan.

Er gieng vor gleich schwach auß dem hauß.

Sich! dort geht er eben herauß.

Hocaste, sag! wie geht es dir?

Schmeckt dir der wein noch wie bey mir?

Wie stehts noch mit der seitten dein?

DER REICH MANN spricht krencklich.

O mein freund, schweig nur von dem wein!

Die kranckheit nimbt sehr uber-handt.

Auch hat eilend nach mir gesandt

Der öberst könig, dem ich eben

Soll vor seim richtstul antwort geben

Von allem meinen werck und wort.

Darumb bitt ich dich an dem ort

Umb beystandt vor diesem gericht.

DEMONES der freundt, spricht.

Ey, das laß dich anfechten nicht!

Ich wil trewlichen bey dir stehn.

Wann must du für den richter gehn?

Und wo ist er in dieser statt.

Der dich für in beruffen hat?

DER REICH MANN spricht.[156]

Der richter ist der schröcklich Gott.

Zu dem muß ich gehn durch den todt.

Noch heint muß ich für diesen richter.

DEMONES der freundt, spricht.

O das gericht ist vil zu schwer

Und unmüglich menschlicher krafft,

Weil sehr hart dieser richter strafft.

Wers aber an eim andern ort,

So wolt ich dich mit werck und wort

Verlassen nicht und bei dir stehn.

Hieher kan ich nit mit dir gehn.

DER REICH MANN spricht.

Ist das die freundtschafft und die trew,

Die ich bey dir sucht all tag new,

Das du mich verlest in dem stück

In meim aller-höchsten unglück?

DEMONES der freundt, spricht.

Es gibts also die zeit und stat.

Doch gib ich dir ein guten rat.

Singenes und ander blutfreundt

Die werden dir wo! rathen heint.

Sag im nur, was dir liget on!

Gehab dich wol! ich geh darvon.

SINGENES der ander freundt, kompt und spricht.

Was unglücks ist in deinem hauß,

Das so sehr weinen uberauß

Dein weib und dein gantz haußgesind?

Was ligt dir an? sag mir geschwind!

DER REICH MANN spricht.

Ach ich bin gfodert für gericht.

Nun hab ich keinen menschen nicht,

Der mit mir züg und thet beystandt;

Und wo mich ietzt verlest dein handt,

Aller welt ich verlassen bin.[157]

SINGENES der ander freund, spricht.

Ey schweig! ich wil selb mit dir hin.

Zu beystand ich bereittet bin.

Wer ist der richter? sag mir klar!

DER REICH MANN spricht.

Für Gott, den richter, muß ich dar

Und dem von allem meinem leben

In jener welt dort rechnung geben.

SINGENES der freundt, spricht.

Als mir Gott helff, du jammerst mich,

Das solch unglück geht uber dich,

Darauß ich dir gar nit kan helffen.

Thu dein weib und kinder angelffen!

Was weib und kind nit mögn erlangen,

Magstu durch dein reichtumb empfangen.

Nem mit dir all dein gut und gelt,

Das ietzt regiert die gantzen welt!

Ich kan nicht mit dir heut noch morgen,

Wil abr dieweil dein hauß versorgen.

Wenn du bist auff die straß bereit,

Biß zu dem thor ich dich beleit.


Singenes, der freundt, geht ab.


DER REICH MANN spricht.

Wie bin ich armer so ellendt!

Ach wie wanckel mein freunde sendt!

So helffen eim die freunde sein.

Ich wolt verschonn der söne mein.

Aber nun müssens auff die strassen,

So mich sonst all mein freundt verlassen.


Die zwen söhn kommen.


DER ELTER SON spricht.

Wie-wol wir beid erwachsen sein,

Noch dawert mich im hertzen mein,

Weils dem vatter so ubel ghet.

DER JÜNGER SON.[158]

Mein hertz auch gantz betrübet stet.

DER REICH MANN spricht.

Mein söhn, kompt her und helffet mir

Auß meinen schweren sachen schir!

DER ELTER SON spricht.

Hertz-lieber vatter, so wir beid

Dir künden helffen auß hertzenleid,

So wöll wir unser leben nit sparen.

In kriegen bin ich wol erfaren.

Kan ich dir helffen dieser zeit

Mit meiner sterck und dapfferkeit,

So wil ich geren für dich fechten.

DER JUNG SOHN spricht.

Ich bin gelehrt in beiden rechten,

Auch in der medicina sunst.

Mit solcher meiner hohen kunst

Wil ich dir helffen, wo ich kan.

DER REICH MANN spricht.

Ir hertzen-lieben söhn, wolan!

Ir lindert mir eins teils mein schmertzen,

Gehnt anderst ewer red von hertzen.

Sonst bin ich von freunden verlassen.

Ich bitt euch: geht mit mir mein strassen

Für das streng erschröcklich gericht!

DER ELTER SON spricht.

Wer ist richter? verhalt uns nicht!

DER REICH MANN spricht.

Der herr uber himel und erden.

Vor dem wirdt ich gerichtet werden.

DER ELTER SON spricht.

Dem richter kan niemandt entpfliehen.

Durch welche strassen must du ziehen[159]

Zu dem erschröcklich strengen richter?

DER REICH MANN spricht.

Ich zeuch zu dem grausamen schlichter

Durch den todt die hart wüste straß,

Die mir allzeit zu-wider was.

DER ELTER SON spricht.

Ey vatter, was sagst? must du sterben?

DER REICH MANN spricht.

Ja, heint des tags muß ich verderben,

Wann der richter hat mich zitirt,

Das gar kein auffzug helffen wirt.

Ich bitt euch, lieben sön allbeid,

Wölt mich in diesem hertzenleid

Verlassen nit einig allein,

Sonder beid mein geferdten sein,

Mit mir tretten für das gericht.

DER ELTER SON spricht.

O vatter, nein, das kan ich nicht,

Weil von natur fleisch unde blut

Vor dem todt sich entsetzen thut.

Wil aber mein bruder mit dir,

Des hat er vollen gwalt von mir.

Ich wil noch lenger bleiben hie.

DER JÜNGER SON spricht.

Hertz-lieber vatter, ie und ie

So war dir mein gemüt geneigt,

Zu dienen, wie ich hab erzeigt.

Aber mit dir zu gehn in todt,

Das kan ich nit thun; helff dir Gott!

Nem mit dir dein leib-eigen knecht!

Zu den hast besser fug und recht,

Zu füren sie in todes gfahr,

Denn uns, dein son; ist das nit war?

DAS ELTER SON spricht.[160]

Ja, mein bruder redt eben recht.

Laß dich beschützen deine knecht!

Laß uns dein söne lenger leben,

Das wir dein geschlecht mehren eben,

Das auch das erb nit werd verlorn!

DER REICH MANN spricht.

Mein sön, ich hab euch beid geborn,

Senfft gnug ernehret und erzogen.

Wirdt ich verlassen und betrogen

Von euch und auch veracht darmit?

DER JUNG SON spricht.

Vatter, wir verachten dich nit,

Sonder wir mögen nit mit gon.

Gehab dich wol! wir gehnt darvon.

DER REICH MANN spricht.

Weh, nun ist all mein hoffnung hin,

Weil ich von den verlassen bin.

Ich wil allen knechten im hauß

Zu mir all-da rüffen herauß

Und in allen gebietten schir,

Das sie auff sein, ziehen mit mir.

DER EIN KNECHT kompt und spricht.

Herr, hast uns gerüfft auß dem hauß;

Was wiltu, das wir richten auß?

DER REICH MANN spricht.

Bringt silber, gelt und all mein schatz

Zu mir herauß auff diesen platz!

DER ANDER KNECHT spricht.

Herr, wir wöllens bringen gericht.


Die knecht gehnt beide ab.


DER REICH MANN spricht.

Bald, bald! eilet und saumbt euch nicht!

Nun muß ich auch mein liebes weib,[161]

Die mir so lieb ist, als mein leib,

Umb hilft bitten; doch ist die sach

Verlorn, das weibsbild ist zu schwach,

Weil doch vorhin die starcken mann

Vor dem tode erzittert han,

Mein freund und auch mein sön vorauß.

Mein weih geht eben auß dem hauß.

Sie hat ein zornig angesicht.

Doch weiß ich nicht, was ir gebricht.

DAS WEIB kompt und spricht.

Mein mann, was bedeut, das du auß

Dein schatz lest tragen auß dem hauß?

Dich macht leucht unsinn din kranckheit.

DER REICH MANN spricht.

Liebs weib, hab gedult kurtze zeit!

Villeicht muß ich noch heint auffgeben

Reichthumb, gewalt, ehr, gut und leben,

Weil mir heint hat der göttlich bot

Verkündet noch auff heint mein todt.

DIE FRAW spricht.

Er schrecket mich auch mit dem todt.

DER REICH MANN spricht.

Mein weib, so bitt ich dich durch Gott,

Wölst durch den todt auch mit mir gehn,

Vor dem gerichtstul bei mir stehn.

DIE FRAW spricht.

Mein mann, ich kan dir helffen nicht.

DER REICH MANN spricht.

Noch hab ich ie gut zuversicht,

Du werdest selb sterben mit mir,

Das ich hab einen trost von dir.

DIE FRAW spricht.[162]

O der todt schreckt mich gar zu sehr.

Mit dir theil ich leib, gut und ehr,

Iedoch das ich beleih bey leben.

Reichliche almuß wil ich geben

Den armen letuhen gelt und brot,

Wenn du abscheidst nach deinem todt

Für dein seel, mein hertzlieber monn!

Gehab dich wol! ich gehe darvon.


Die fraw geht ab. Die zwen knecht bringen den schatz in ein truhen.


DER EIN KNECHT spricht.

Greiff zu, du fauler esel, her!

DER ANDER KNECHT spricht.

Der schatz der ist so marter-schwer

PLUTUS der schreit im schrein.

Wo wölt ir mich Plutum hintragen?

DER EIN KNECHT spricht.

Wir thun, wie uns der herr thut sagen.

Herr, secht! hie bringen wir den schatz.

DER REICH MANN spricht.

Setzt nider in auff diesen platz!

Plute, du aller sachen schlichter,

Du must heint mit mir für den richter.

PLUTUS in der truhen spricht.

Wie kan ich mit dir wandern hin,

Weil ich schwer, darzu stockblind bin?

Daheim wil ich wol mehr außrichten.

DER REICH MANN spricht.

Ich laß dich hinter mir mit nichten.

Must mit mir in ein ander hauß.

Mach dich bald auff und steig herauß!

PLUTUS spricht.[163]

Ich geh nit rauß (das wiß fürwar!),

Zerschlügst du gleich die truhen gar.

DER REICH MANN spricht.

Plute, kom! mir nahet der todt,

Und wo du nit magst gehn im kot,

So müssen dich mein knecht fein tragen.

PLUTUS spricht.

Ey, schweig! thu mir nit darvon sagen!

Ich hilff gar niemandt nach dem todt.

Ich hab zu schaffen nichts bey Gott.

Such mir nur bald ein andern herrn.

DER REICH MANN spricht.

Geht! thut in schlagen und in kern

Und schüt in auß der trüben raus!

Ich wil bald nach hin gehn zu hauß.


Sie tragen den schatz ab.


DER REICH MANN spricht.

O ich armer elender mann!

Als trostes ich beraubet stan

Mein kranckheit die nimpt hefftig zu.

Im gwissen hab ich auch kein rhu.

Die stund ist hie, ich muß dahin.

Mit angsten ich umbfangen bin,

Wenn ich denck an den richter streng,

Wil werden mir die welt zu eng.

Ich geh hinein betrübet hart,

Wil schicken mich trawriger art

Auff mein letzt klägliche hinfart.


Der reich mann geht auch ab.


Quelle:
Hans Sachs. Band 6, Tübingen 1870–1908, S. 155-164.
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