Der edelman mit dem gottesknecht

[186] In der lilgenweis Hans Vogels.


12. septemb. 1545.


1.

Ein edelman gefangen num

eins burgers sune frum;

als der im turen lag,

setzt er im, auf ein tag

hundert gülden zu geben.

Der junk sprach: »junkher, laßt mich aus,

das ich kum heim zu haus,[186]

bring euch die gulden rot;

die weil setz ich euch got

zu eim bürgen darneben.«

Der edelman ließ in darvan

nam von im an

den bürgen mit eim eide.

der junk kunt kumen nit, wie er bescheide,

wie wol er all sein hab verkauft,

das gelt zusamen hauft,

doch felt im noch stets vil,

und bleib über das zil

noch aus drei wochen eben.


2.

Der edelman wart auf das gelt

reit eins tags über felt,

mit im zwen reisig knecht,

sach mit großem gebrecht

im walt sitlich her hengen

Ein abt mit seinem knechte bloß,

ritten zwei gute roß,

das müt den edelman,

sprach sein zwen knechte an:

»den abt woll wir ansprengen!

Sich keiner saum!« bei einem baum

fiel im in zaum

und fragt in, wer er were?

»ich bin gottesdiener?« so antwort ere,

»got ist mein her zu aller zeit,

in seinem dienst ich reit,

der selb auch für mich ficht

und heftig an den richt,

die mich auf erden drengen.«


3.

Der edelman sprach: »ir kumt recht,

weil ir seit gottes knecht,[187]

der ist bürg worden mir

um hundert gülden schier

für ein gfangen zu geben,

Der selbig ist mir blieben aus;

nun se ich hie, er knaus;

euch, seinen dienestman,

nem ich auch für in an.«

und nam in gfenklich eben;

Fürt in trostlos hin auf sein schloß,

nam beide roß

und alles was er hete.

nach dem der junk sein gelt auch bringen tete,

sprach er: »bhalt dein gelt! sei getröst,

dein bürg hat dich gelöst.«

so der frum ledig wart,

und auch des abts hoffart

gestrafet wart darneben.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 186-188.
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