Die neun ellenden wanderer

[97] In der abenteuerweis Hans Folzen.


13. october 1536.


1.

Neun ellent wandrer tut verstan:

der erste ist ein karrenman:

ietz bricht im iens, ietz bricht im das,

groß ungewitter, böse straß,

und was mit marter er erfert,

er darnach im wirtshaus verzert.

Der ander wandrer, sei gemelt,

ist, so ein weib get über felt,

im gen wirt sie machtlos und schwach;

muß leiden vil anred und schmach;

ein ieder wil ir bule sein,

wo sie kert in ein wirtshaus ein.

Der drit ein hantwerkgsel genant,

dem tut das laufen we und ant,

und wirt gar oft irr auf dem weg,

wan er weiß weder straß noch steg,

get blasen und den wolf darzu,

ligt im wirtshaus lang in der ru,

bis er verzeret gelt und wat,

das er vor lang ersparet hat.


2.

Der viert: ein bot, weiß straß und weg

zum allernechsten furt und steg,[97]

doch wirt er müd wie iedermon;

hart erarnet ist botenlon,

iedoch tregt in das trünklein hin;

des hat der wirt den grösten gwin.

Der fünft: ein kramer, get zu Fuß

und sein kramschatz selb tragen muß

durch rauber, schnapphanen dergleich

auf jarmerk und alle kirchweich,

den gwin oft zum haubtgut verzert,

so er oft in das wirtshaus kert.

Der sechst: ein münich, so der kes

samlet, so sein die beurin res

und sprechen, er sei stark und faul,

ob man im füllen sol das maul,

das er auch arbeit, hack und reut

und ner sich auch wie ander leut;

kumt er heim, bringt der kes nit vil,

erst man in auch vexieren wil.


3.

Der sibent: ein betler, verstet,

balt er zu einem dorf einget,

so tun die hunt im vil zu leit;

im winter hat er kaltes kleit;

in peinigen die haderleus,

sein brot eßen die spitelmeus.

Der acht: ein reuter, ist gemelt,

so er zu fuß trabt über felt,

tregt stiefel, sporen an dem schwert;

so er hat weder gelt noch pfert,

wil auch kein wirt in herbring me,

und tet das gen im noch so we.

Ein landsknecht ist gar wol der neunt,

wo er zeucht, hat er wenig freunt,

man sicht in übert achslen an,

se in vil lieber aushin gan;[98]

er gart und krieget oft ein beut,

das er muß zalen mit der heut.

weil wandren we tut überaus,

wöl wir bleiben in dem wirtshaus.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 97-99.
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