Die wisel mit der maus

[246] In dem vergülten ton Wolframs.


2. novemb. 1547.


1.

Ein wisel alt und arge,

die niemer mocht erlaufen

die meuse überal,

Heimlich sich die verbarge

unter ein korenhaufen

und wart der meus zumal;

Wan sie dan teten zu dem koren sappen,

fur sie heraus und tet die meus erschnappen

und fraß ir one zal.


2.

Da sach ein alte mause

der wisel list geweltig[246]

und sprach zu ir gericht:

»Du fechst in disem hause

allein die meus einfeltig,

mich aber fechst du nicht;

Wan ich hab bisher in mein alten jaren

allerlei list, renk und untreu erfaren« –

hat Esopus gedicht.


3.

Hie lert man, das ein triegner

betreugt allein die toren

und keinen weisen man,

Der weis glaubt keinem liegner

er ist gewitzigt woren

und oft gesetzet an.

Drum spricht man das alt sprichwort fert und heuer:

verbrentes kint das förchtet nach das feuer,

dest weiter get darvan.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 246-247.
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