Schwank: Der verlogen knecht mit dem großen fuchs

[236] Ein edelman in Schwabenlant,

des gschlecht und nam hie ungenant,

ein frommer man, weis und gerecht,

der het ein verlognen reitknecht,

rumredig mit gschwülstigen worten,

die lant durchloffen an vil orten,

het auch, wie ein alt sprichwort sagt,

ein hunt durch das Welschlant gejagt;

darvon tet er groß wunder jehen,

wie er het diß und jens gesehen,

darvon groß brocken er narriert,

und log, sam wer ims maul geschmiert.

sein junkher war ein weltweis man,

tet sein rumredig lüg verstan,

sagt oft spotweis: wie mag das sein?

so schwur der knecht denn stein und bein,[236]

solichs und solches wer geschehen,

er hets mit sein augen gesehen;

doch wurt er oft mit worten gfangen,

das er blib in der lug behangen.

darnach der knecht nichts fragen tet,

weil er der lug gewonet het,

doch war er sonst diensthaft durchaus.

eins tages frü ritten sie aus,

da sach der junkher in dem walt

dort laufen einen fuchsen alt

und sprach: schau, schau, ein großer fuchs!

der knecht sach den und antwort flugs:

junkher, habt ir ob dem fuchs wunder?

ich bin gwest in eim lant besunder,

darinnen die füchs so groß sint

als in unserm lant ochsn und rint.

der junkher sprach: da sint auf glauben

gut futtern die röck und die schauben,

wenn man im lant ein kürsner fünt,

der die belg wol bereiten künt.

da nun der red geschwigen wart,

der edelman erseufzet hart

und sprach: herr got, ste uns heut bei

auf diser straß, darmit wir frei

beleiben vor allerlei lügen,

auf das wir sicher kommen mügen

durch das waßer mit unserm leben,

und tu uns heut gut herberg geben.

der knecht sprach: junkher, saget frei,

wo das groß ungstüm waßer sei,

vor dem ir euch gesegnet schlecht?

der junkher sprach: hör, lieber knecht,

ein groß waßer fleußt dort von weiten,

dardurch so müßen wir heut reiten,

das hat die kraft, welicher man

denselben tag ein lug hat tan,

der muß in dem waßer ertrinken,

verderben und zu boden sinken.[237]

der knecht erschrak ob disen worten,

und als sie ritten an den orten,

kamen sie an ein großen bach.

der knecht zu dem junkheren sprach:

o junkher, sagt, ist das der fluß,

drin ein lügner ertrinken muß?

da sagt durch list der edelmon:

nein, wir sint noch gar ferr darvon.

der knecht sprach: herr, darumb ich frag,

auf das ich euch die warheit sag,

ich het mich heut weit überdacht

und meinen fuchs zu groß gemacht,

er war nur so groß seiner höch

als von einem hirschen das rech.

der junkher sprach: ich bin sorglos,

der fuchs sei gwest klein oder groß;

merkt wol des knechts heimlich grisgramen.

nach dem sie an ein waßer kamen,

da sprach der knecht: junkher, ists das

waßer, so tregt dem lügner haß?

der herr sprach: nein, das ists auch nicht.

darauf der knecht sprach: nemt bericht

des fuchsen heut noch meinenthalb,

der war nit größer den ein kalb,

auf das im waßer ich beste.

der junkher sprach: ich frag nit me

nach deim fuchs, sei groß oder klein.

nach dem kamens sie beid gemein

an ein waßer, da der knecht fragt:

ist diß das waßr, darvon ir sagt

heut frü, drin die lügner ertrenken?

so ich des fuchs tu recht bedenken,

ist er nicht größer gwesen sider,

den bei uns hie ist ein schafwider.

der junkher sprach: das waßr ists nicht.

nach dem zu vesperzeit gericht[238]

kamen sie an ein waßer, floß

gar schnell mit wellen breit und groß.

der knecht fragt, obs das waßer wer,

darvon frü het gesaget er.

der junkher sprach: das ist das recht.

ob dem waßer erschrak der knecht,

weil er sach weder bruck noch schif;

der angstschweiß übr sein angsicht lif,

zittert beide an füß und henden.

als sie zum waßer teten lenden,

da saget der verlogen knecht:

mein lug muß ich bekennen schlecht,

der fuchs, den ich so groß bescheit,

der war nicht größer auf mein eit

dan der heutige fuchse alt,

den wir frü sahen in dem walt.

des schwanks lachet der junkher ser

und sprach zu seinem knecht: so schwer

ich dir, das dises waßer pur

hat kein ander kraft und natur

als andre waßer in der nehen,

die wir vor haben heut gesehen.

darmit nam ir gesprech ein ent,

schwemmten übers waßer behent.


Der beschluß

Bei disem schwank verstet man wol,

ein mensch mit fleiß sich hüten sol

vor lügen, es ist ein groß schant,

wan welch mensch des lügens gewant

und het ein ungehebe zungen,

wirt oft zu widerrufen zwungen,

das er an der lügen bestet

und schamrot mit spot darvon get.[239]

wer alles sagt, was im einfelt,

von dem niemant gar nichtsen helt,

ist er gleich sonst mechtig und reich,

gwaltig, edel oder dergleich,

und wenn in gleich got mit der zeit

etwan beret mit einr warheit,

so tut man im doch nit gelauben.

also tut sich der mensch berauben

durch sein lüg aller wird und er,

das man auf in helt wenig mer

durch sein verlogen maul auf erden,

und muß darob oft schamrot werden.

derhalb wer hie nach eren stell,

sein zungen in zaum halten söll,

das sie nichts den die warheit sag,

dardurch er preis erwerben mag,

entget dadurch vil ungemachs,

schad, schant und spot, so spricht Hans Sachs.


Anno salutis 1563, am 4. tag Decembris.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 236-240.
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