21. Sehnsucht nach Mitgefühl

[278] An Matthisson.


My lonely anguish melts no heart but mine,

And in my breast th' imperfect joys expire.

Gray.

Wo weilt die Seele wie meine gestimmt?

Der Stern des dunkelnden Abends vernimmt

Nicht meinen Wunsch; was dem Herzen gebricht,

Gewährt er mir nicht.


Wenn in den Pappeln die Nachtigall schlägt,

O Freund, wie bin ich so innig bewegt!

Mit ihrer Töne Bedeutung vertraut,

Verscheucht sie mein Laut.


Der Mond beflimmert mich düster und bleich

Durch Tannenwipfel und Föhrengesträuch;

Der matte binsenbespülende Bach

Seufzt langsam mir nach.


Der Wiederhall in den Klüften verschlingt

Die Klage, welche die Sehnsucht ihm bringt.

Bald schwindet, was der Verlassene ruft,

In nichtiger Luft.
[278]

Erguß, du Trauter, und Sänftigung fehlt

Dem öden Herzen, von Sehnsucht gequält,

Dem die Natur, die es inniglich liebt,

Genüge nicht giebt!


Wohl herben Kummer zu mildern gelang

Der Mitempfindungen Wechselgesang!

Aus Klagen, traulich mit Freunden gekos't,

Entblühet der Trost.


Verwandte Seelen verstehen sich ganz!

Nimm dieses Liedes Vergißmeinnichtkranz,

Aus dem, von Seufzern der Ahndung umweht,

Die Warnung ergeht:


Wo weilst du, Trauter? Schon grünt uns ein Baum;

Der Baum zum Sarge! schon grünet ein Raum;

Der Raum, wo künftig, vom Graswuchs umbebt,

Mein Hügel sich hebt!

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 41, Stuttgart [o.J.], S. 278-279.
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Anthologie aus den Gedichten von Matthisson und Salis