I, 9.

[34] Irma tritt ein.


IRMA.

O gute Frau, legt in den Beutel

Die Münze für das Waisenhaus!

Es streu' dafür auf euern Scheitel

Das Glück sein volles Füllhorn aus.[34]

FAUSTINE.

Welch lieblich Kind! – Ein Kind! ein Kind!

So ist die Sehnsucht mir gestillet!

In meine Arme her geschwind!

Nun ist mein heißer Wunsch erfüllet!

Das ist's, wonach die Seele darbet!

Ihr eigensücht'gen Pläne starbet.

Ich nenn' dich mein mit diesem Kuß,

Dem Siegel meines Angelobens.

Nun schwelge ich im Ueberfluß

In dieser Welt des eiteln Tobens.

Ich halt' in dir den Anker fest;

So hat es Zweck, hier fortzuleben.

Dem Vöglein gleich, bau' ich mein Nest.

Dich hat der Himmel mir gegeben.

Laß beid' uns knieen, süße, süße Last,

Die du vom Schreckenstode mich errettet hast!

WAISENKINDER draußen singend.

Glücklich, wer die Mutter findet,

Die sich ihrem Kind verbindet!

Selig, wen die Fremde küßt,

Wenn das Heim verloren ist![35]

Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 34-36.
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