II, 8.

[47] Nacht.

Rebenumsponnene Veranda vor Faustinens Studierzimmer. Eine Lampe brennt.

Faustine beobachtet das Irrlicht, das zwischen den Reben schwebt.


FAUSTINE.

Mir kommt es jetzt recht leer hier vor,

Seit ich die Bücher weggeräumt.

Sie bleiben stets das weite Thor

Zum Eden, wo man sinnt und träumt,

Der Ringplatz, um den Geist zu üben,

Und ließen sie uns auch dabei im Trüben.

Vergessenheit doch deck' das früh're Leben,

Da ich mich der Entsagung hingegeben! –

Das Licht ist nicht zu scheuchen. – Irma ruht;

Ich selbst hab' sie gebettet auf dem Pfühl.

Mich übermannt das Schlafgefühl;

Doch läßt mich nicht zu Bett' die bleiche Gluth,

Die ständig um die Reben zittert[47]

Und mir die Nerven schauerlich umwittert. –

Sing' ich ein geisterbannend Lied:


»Willst du mir's anthun, schlimm Gespenst,

Das du vor meinem Hause brennst

Und eindringst, wie ich Schwäche zeige?

Bist du gesandt von jenen Geistern,

Die gestern ich gesucht zu meistern?

Fort, fort von mir, die du nicht kennst!

Mir ging der Muth noch nicht zur Neige.« –


Mir scheint, o fürchterlich! das Licht gewinn' Gestalt.

Es droht und übet aus an mir Gewalt.

Laß jemand sich mit unbekannten Kräften ein,

So wird er bald ihr elend Opfer sein. –


»Meide die Stelle!

Sinke zur Hölle,

Aus der du stammst!

Schwinde, du Schemen!

Ich kann dich zähmen,

Wenn du auch flammst.


Schutzengel bin ich

Emsig und sinnig

Harmlosem Kind.

Keine Gewalten

Kannst du entfalten,

Die wider mich sind.« –


Nenn' deine Absicht oder platze hier,

Du Dunst der Hölle, voller Gier!


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 47-48.
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