III, 11.

[71] Praktinski tritt in feinstem Anzuge auf.


PRAKTINSKI.

Wie treff' ich euch? Gebadet ganz in Thränen!

Und will euch führen zu dem Spiel der Lust.

Die Haare hängen los in straffen Strähnen

Und röchelnd läßt vernehmen sich die Brust!

Was hat der Schalk verübt, als ich nicht hier war?

Was habt inzwischen ihr von ihm verlangt?

Ich fürcht', daß euer Sinn in voller Gier war

Und ihr die Leidenschaften nicht bezwangt.

Ihr rechnet nur mit Exponenten

In Lust und Schmerz: Nie bleibt ihr bei der bloßen Zahl.

Laßt's bei dem Einfachen bewenden;

Die Steig'rung bringt beständig Qual.

FAUSTINE.

Fragt nicht nach dem, was eben vorgefallen:

Ich hab' verloren, ehe ich besaß.

Er ließ von mir, der Schändlichste von allen,

Im Augenblick, wo ich vom Druck genas.

Es trieb mein Herz die wundervollste Blüthe;

Da stieß er in den Abgrund mich, wo es zerschellt.

Zum bittern Haß ward meine Himmelsgüte,

Zum tiefsten Dunkel meine ros'ge Welt!

PRAKTINSKI.

Wer hieß dir, zweien Herrn zugleich zu dienen,

Zu lieben, eh' ich dich noch präpariert,

Eh' Reize ich gelegt in deine Mienen,[71]

Zu sechzehn Jahren dich zurückgeführt.

Jungbrunnen muß erst wieder frisch dich waschen,

In dir erzeugen der Verlockung Kraft:

Dann kannst du erst vom Liebesbäumchen naschen,

Dann bleibt der Herzensknoten erst in Haft.

Ich selber liebe Jugendfrische;

Und ihren Zauber an der Quelle tische

Ich reich dir auf zum Nichtverblüh'n,

Unwandelbaren Immergrün.

FAUSTINE.

So was vermöchtest du, gefall'ner Held!?

Dann ist es mit mir wohlbestellt!

PRAKTINSKI.

Gewiß! Zum Ritt dahin nun spute dich vermessen!

Altweibermühle will zudem ich nicht vergessen;

Schnell geht die Wandelung dort vor.

Drauf wirst du, was der Weiber Wunsch, gefallen.

Doch erst noch in der Frauenkneipe Hallen!

Dort trägt begehrungsvoller Chor

Dir laut die neu'sten Wünsche vor.

Ich witt're seine Nähe schon:

Sie heißen Frau'nemanzipation!

FAUSTINE.

Das wird pikant gewiß, ich wette.

Ich mache rasch dazu noch Toilette.


Faustine in's Nebenzimmer ab. Praktinski schaut ihr überlegen schelmisch lächelnd nach.
[72]

Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 71-73.
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